Militärexperte: Wieso die Gegenoffensive jetzt besser läuft

    Interview

    Experte zu ukrainischer Taktik:Wieso die Gegenoffensive jetzt besser läuft

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    Die ukrainische Gegenoffensive scheint erste größere Erfolge zu erzielen. Was bedeutet das für den Krieg? Militärexperte Michael Karl bewertet bei ZDFheute live die Lage.

    Zu sehen ist Militärexperte Michael Karl im Gespräch mit ZDFheute live.
    Trotz russischer Minen kommt die ukrainische Gegenoffensive jetzt besser voran als zuletzt, weil die Ukraine ihr Vorgehen geändert habe, so Militärexperte Michael Karl.02.08.2023 | 8:18 min
    Die Ukraine versucht seit Monaten in einer groß angelegten Gegenoffensive, russisch besetztes Gebiet zurückzuerobern. Nun gibt es offenbar nennenswerte Erfolge, vielleicht sogar einen Frontdurchbruch im Ukraine-Krieg.
    Michael Karl ist Oberstleutnant bei der Bundeswehr und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim German Institute for Defense and Strategic Studies. Im Interview mit ZDFheute live erklärt er, wieso es jetzt für die Ukraine besser läuft.
    Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge:

    Das sagt Michael Karl ...

    ... zur neuen ukrainischen Taktik an der Front

    Die jüngsten ukrainischen Erfolge seien vor allem auf eine geänderte Taktik zurückzuführen, erklärt Karl. "Das sind unsere Erkenntnisse, dass sich nach acht Wochen nun eine andere Strategie wohl durchsetzt, eine andere Taktik in den Operationen der Ukrainer. Man hat wahrscheinlich auch seine Lehren gezogen."

    Wenn man nicht vorankommt, muss man etwas ändern. Und das hat die Ukraine gemacht.

    Michael Karl, Militärexperte

    Da die russischen Streitkräfte ein umfassendes Stellungssystem gespickt mit vielen Minenfeldern aufgebaut hätten, nutze die Ukraine nun zum Beispiel Militärgerät, mit dem man Minenfelder unschädlich machen könne bzw. Gassen hineinsprengen könne, um so besser voranzukommen.
    Ein weiterer Vorteil sei, dass die russischen Streitkräfte fest seien in ihren Stellungen, so Karl. Die Flexibilität liege deshalb beim Angriff der ukrainischen Kräfte. "Und sie können natürlich entsprechend variieren."
    Zu sehen ist ZDF-Reporter Dara Hassanzadeh in Odessa im Gespräch mit ZDFheute live.
    Die Erwartung an die Offensive sei in der Ukraine nicht so ausgeprägt wie im Westen, so ZDF-Reporter Hassanzadeh. Den Menschen sei bewusst, dass es hohe Verluste geben werde.02.08.2023 | 7:15 min

    ... zum Schwachpunkt der russischen Kräfte

    Wo an der Front die Ukraine vorstoße, sei vor allem auf die Schwäche der russischen Kräfte an zurückzuführen: "Wir haben da einen besonderen Blick auf die russischen Großverbände, die dort eingesetzt worden sind, oder derzeit eingesetzt werden. Zum einen ist das die 58. Armee.
    Und wir wissen ja aus den Medien vor einigen Wochen, dass der Kommandeur General Iwan Popow - ein sehr populärer, ein sehr beliebter Kommandeur bei seiner Truppe - durch seine Offenheit, abgesetzt wurde. Das hat auf jeden Fall schon mal Auswirkungen auf Motivation und Gefechtswert der Soldaten der 58. Armee."
    Hinzu komme, dass die russischen Truppen schon sehr lange an diesem Abschnitt eingesetzt würden und damit an Kampfkraft verloren habe.
    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine in Vilnius, Litauen
    Seit knapp zwei Monaten versucht Kiew die russisch besetzten Gebiete zu befreien. Nun haben die ukrainischen Truppen offenbar ein strategisch bedeutsames Dorf zurückerobert.28.07.2023 | 1:48 min
    Bei dem zweiten möglichen Durchbruchsabschnitt gehe es um die 5. russische Armee: Sie bestehe aus allen Teilen des Militärbezirks Süd und Ost. Die Truppe sei "mehr oder weniger zusammengewürfelt worden". Auch da sei die Kampfkraft deutlich geringer anzusetzen als bei einem "eingespielten Team".

    ... zu einem zeitlichen Rahmen für die Gegenoffensive

    "Bis Ende September sollte der Erfolg sich abzeichnen, um dann in eine flexible Verteidigung überzugehen, also errungenes Land zu halten, notfalls auch in Teilen zurückzugeben, um dann wieder neu anzusetzen im neuen Jahr." Der Grund dafür sei vor allem das Wetter. Der Herbst- und Frühjahrsregen stelle in dieser Region ein echtes Problem dar.

    ... zur Frage, ob ukrainische Drohnenangriffe auf Moskau möglich sind

    Ukrainische Drohnenangriffe auf die russische Hauptstadt seien technisch und militärisch möglich. Das Ziel sei vor allem ein psychologisches. Es gehe um Verunsicherung. "Vielerlei Drohnentypen, die eingesetzt werden in diesem Krieg - auch von Seiten der Ukraine - haben durchaus die Kapazität, dass sie so weit fliegen können, dass sie durchaus auch Moskau angreifen können."
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