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Interview
Israel-Äußerung "ungeheuerlich":Roth: Erdogan schadet Interessen der Türkei
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Mit scharfen Worten kritisiert SPD-Politiker Roth den türkischen Präsidenten Erdogan für seine Israel-Politik. Sie sei "ungeheuerlich" und belaste das Verhältnis zu Deutschland.
Die Israel-Kritik des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan überschattet seinen Besuch in Berlin. Erdogan hatte Israel als "Terror-Staat" bezeichnet und dem Land Völkermord im Gazastreifen vorgeworfen. Gleichzeitig verteidigte er die radikal-islamische Hamas als Befreiungsorganisation.
Mit solchen Aussagen schade Erdogan den Interessen seines Landes, sagt Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, im ZDFheute-Interview. Auch wenn Europa auf die Türkei in der Flüchtlingspolitik angewiesen sei, erwartet Roth von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "Klartext" im Gespräch mit Erdogan.
ZDFheute: Der türkische Staatspräsident Erdogan hat Israel einen "Terror-Staat" genannt und sieht in der Hamas keine Terrororganisation. Was sind das für Vorzeichen für seinen anstehenden Staatsbesuch in Berlin?
Michael Roth: Mit diesen ungeheuerlichen Aussagen, die Erdogan ja permanent wiederholt, schadet er nicht nur den Beziehungen zu Deutschland, sondern er schadet vor allem auch den Interessen seines eigenen Landes. Faktisch fällt die Türkei als Moderator zwischen Europa und dem Nahen Osten aus.
Die Türkei verliert massiv an Glaubwürdigkeit auf der internationalen Bühne.
Michael Roth
Das kann nicht im Interesse der Türkinnen und Türken liegen. Insofern ist es vor allem auch ein innenpolitisches Problem, inwieweit Erdogan sein eigenes Land weiter in die Isolation treibt.
ZDFheute: Europa braucht Erdogan in der Flüchtlingspolitik. Muss Deutschland ihm entgegenkommen?
Roth: Ich rate immer zu Selbstbewusstsein im Umgang mit autoritären Herrschern. Nicht nur wir brauchen die Türkei. Ich will mal daran erinnern, dass wir zu keinem Land so enge menschliche Beziehungen haben. Millionen Menschen leben in Deutschland mit türkischen Wurzeln, haben teilweise auch noch die türkische Staatsbürgerschaft.
Manches, was wir an Konflikten in der Türkei erleben, kommt dann irgendwann auch in Deutschland an.
Michael Roth
Und diese engen menschlichen Beziehungen verpflichten uns natürlich.
Aber Herr Erdogan will ja auch viel. Er hat das Land wirtschaftlich komplett an die Wand gefahren. Die Inflation in der Türkei ist riesenhoch, die Jugendarbeitslosigkeit ist immens hoch. Er braucht die europäische Wirtschaft. Er braucht den europäischen Markt, um seine Wirtschaft wieder flottzubekommen.
Ich kann mir aber unter diesen Bedingungen nicht vorstellen, dass die deutsche Wirtschaft, die europäische Wirtschaft, wieder verstärkt in der Türkei investiert. Und wir werden ihm sicherlich auch nicht helfen können bei innenpolitischen Problemen, solange er diese unverantwortliche Position, vor allem auch gegenüber Israel, aufrechterhält.
ZDFheute: Der Bundeskanzler ist gegen eine Waffenruhe in Gaza, Erdogan ist dafür. Das ist nur einer von vielen Streitpunkten. Droht da ein Eklat?
Roth: In dieser Zeit der Kriege, Krisen und Konflikte müssen auch wir als liberale Demokratie mit denjenigen reden, die unsere Werte dezidiert nicht teilen. Das schulden wir auch den Friedens- und Stabilitätsinteressen Deutschlands und der Europäischen Union.
Der Kanzler ist es gewohnt, er muss in diesen Zeiten auch mit diesen unbequemen Ländern Kontakt halten. Leider. Leider gehört Präsident Erdogan auch dazu. Ich glaube, beide werden professionell damit umgehen, und ich erwarte keinen Eklat.
Ich erwarte aber wenig Lametta. Ich erwarte keinen roten Teppich. Ich erwarte vor allem Klartext.
Michael Roth
ZDFheute: Zuletzt war die Kritik an der Menschenrechtssituation in der Türkei deutlich leiser. Schaut Deutschland weniger kritisch hin, weil man die Türkei braucht?
Roth: Der jüngste Bericht der EU-Kommission - offiziell ist die Türkei ja Beitrittskandidat - hat ja noch einmal der Türkei ein verheerendes Zeugnis ausgestellt in Sachen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Medienvielfalt. Es ist einfach verheerend. Die Menschenrechtslage ist signifikant schlechter geworden.
Und ich will auch mal daran erinnern, dass die Türkei sich permanent weigert, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen. Damit gefährdet die Türkei auch ihren Platz im Europarat.
Wir erwarten beispielsweise, dass Herr Kavala unverzüglich in Freiheit gebracht wird, aus dem Gefängnis entlassen wird. Hier hat die Türkei eine ganze Menge zu tun, um verlorengegangenes Vertrauen in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte wieder aufzubauen.
Das Interview führte Britta Spiekermann. Sie ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
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