Ukraine-Krieg: Welche Rolle die Marine spielt

    Analyse

    Ukrainische Vorstöße am Dnipro:Wie die Marine den Krieg beeinflusst

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Im Kriegsverlauf war Russland immer mehr dazu gezwungen, sogenannte amphibische Streitkräfte auch an Land einzusetzen. Auch die Ukraine agierte so - jedoch erfolgreicher.

    Ukrainische Marines an einer Sandbank am Dnipro
    Ukrainische Marine-Soldaten am Dnipro (Archivbild)
    Quelle: AP

    Amphibische Operationen - eine militärische Kriegsführung unter Beteiligung von Seestreitkräften - rücken nur schlaglichtartig in den Mittelpunkt. Wie jüngst, als es ukrainischen Einheiten immer wieder gelungen ist, auf die russisch kontrollierte Seite des Flusses Dnipro vorzustoßen.

    Amphibische Operation gegen die ukrainischen Küsten

    In den zwanzig Monaten, in denen Russland einen umfassenden Krieg gegen die Ukraine geführt hat, haben amphibische Kräfte keine entscheidende Rolle gespielt, auch wenn Russland ursprünglich andere Pläne hatte.
    Zu Beginn des Krieges konzentrierte Russland massive Seestreitkräfte auf das Schwarze Meer und verlegte unter anderem Landungsschiffe der Ropucha-Klasse aus der Nord- und Ostseeflotte hierher. Der Plan war, den Landangriff auf Odessa durch eine amphibische Operation gegen die ukrainischen Küsten zu unterstützen.



    Nachdem jedoch der Kreuzer Moskwa durch zwei ukrainische Neptun-Schiffsabwehrraketen versenkt wurde, ist die Bereitschaft Russlands, seine wertvollen Landungsschiffe und Truppen in die Reichweite der ukrainischen Küstenverteidigung zu bringen, radikal gesunken.
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    Schwere Verluste an der Saporischschja-Front

    Außerdem zwang der zunehmende Mangel an gut ausgebildeten Infanterieeinheiten Moskau immer wieder dazu, selbst amphibisch ausgebildete Spezialeinheiten, insbesondere Marineinfanterie, als konventionelle Infanterie auf das Schlachtfeld zu schicken. Solche Einheiten kämpften unter anderem in Mariupol, Sjewjerodonezk, Bachmut und auch an der Saporischschja-Front und erlitten dabei schwere Verluste.
    Die 155. Marine-Infanterie-Brigade zum Beispiel nahm an so vielen derartigen Operationen teil, dass sie bereits mehrmals neu aufgestellt werden musste. Mit anderen Worten: Die Brigade hat inzwischen wahrscheinlich den größten Teil ihrer ursprünglichen Fähigkeiten verloren.
    Nicht nur die personellen Verluste sind gravierend. Russland verliert auch immer mehr amphibische Schiffe. Seit Februar 2022 ist es der Ukraine gelungen, zahlreiche Landungsschiffe Russlands anzugreifen.
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    Ukraine: Kleine Anzahl amphibischer Streitkräfte

    Inzwischen verfügt die Ukraine über kleine, aber gut ausgebildete amphibische Streitkräfte, die sich aus Marine-Infanterie und verschiedenen Spezialeinheiten zusammensetzen. Sie haben mehrere erfolgreiche Angriffe gegen russische Radar- und Raketenstationen auf der Krim durchgeführt - sowie gegen die auf den Inseln des Dnipro-Deltas stationierten russischen Streitkräfte.
    Es gelang ihnen auch, die maritimen Gasbohrplattformen - oft als "Bojko-Türme" bezeichnet - im westlichen Schwarzmeerbecken von Russland zurückzuerobern und die darauf installierten russischen Sensoren zu demontieren. Da die Ukraine jedoch praktisch keine Marine mehr hat - abgesehen von einigen Patrouillenbooten und Unterstützungsschiffen - ist eine größere amphibische Operation ausgeschlossen.
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    Aktuelle Entwicklungen am Fluss Dnipro

    Derzeit wird in den Medien viel über die amphibische Operation der Ukraine am linken Ufer des Flusses Dnipro berichtet. Einerseits ist es der Ukraine gelungen, auf der gegenüberliegenden Seite von Cherson, entlang der Reste der zerstörten Antonowksy-Brücke und weiter nördlich davon, kleine Stellungen zu errichten und zu halten.
    In den letzten Wochen konnten diese Stellungen sogar noch ausgeweitet werden, insbesondere um das Dorf Krynky. Das äußerst komplizierte Gelände, das durch mehrere kleinere Wasserläufe, Seen und Inseln gegliedert ist, kommt den Ukrainern zugute, die das Terrain viel besser kennen als ihre russischen Widersacher. 
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    Verlegung der Einheiten von der Saporischschja-Front

    Solange die Ukraine jedoch nicht in der Lage ist, eine dauerhafte Verbindung - in der Praxis eine oder mehrere Pontonbrücken - vom rechten zum linken Ufer herzustellen, ist die Chance, dass diese kleinen Stellungen zu einem echten Brückenkopf ausgebaut werden können, sehr gering.
    Während Russland sicherlich einige Einheiten von der Saporischschja-Front hier herverlegen musste, um ukrainischen Spezialkräften entgegenzuwirken, werden die von der Ukraine befreiten Gebiete am linken Ufer in Ermangelung einer starken Logistik wahrscheinlich sehr begrenzt bleiben.
    Solange die Situation so bleibt, wie sie derzeit ist, dienen die ukrainischen amphibischen Aktionen am linken Ufer eher der Ablenkung als der Vorbereitung größerer Operationen gegen die russischen Streitkräfte.

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    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

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