Corona-Symposium: Was können wir aus der Pandemie lernen?

    Corona-Symposium in Frankfurt :Was können wir aus der Pandemie lernen?

    von Thomas Häusele
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    In Frankfurt haben Experten auf die Corona-Pandemie zurückgeblickt: Was können Medizin, Politik und Medien daraus lernen? Professor Dr. Christian Drosten übte deutliche Kritik.

    Zu sehen ist der Virologe Christian Drosten bei der Bundespressekonferenz.
    Waren die Corona-Maßnahmen verhältnismäßig? Darüber diskutieren Virologe Christian Drosten und weitere Experten in Frankfurt am Main. Das wissenschaftliche Symposium soll zentrale Lehren aus der Corona-Pandemie ermitteln.10.07.2023 | 1:37 min
    Was sind die Lehren und Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein wissenschaftliches Symposium, zu dem Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) in die Frankfurter Uniklinik geladen hatte. Experten aus der Wissenschaft, medizinischer Praxis und Politik berichteten in vier Panels über ihre Erfahrungen.
    Mit dabei war auch eines der prominentesten Gesichter der Pandemie: Professor Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité. Aus seiner Sicht lassen sich vor allem für die Politik und die Kommunikation Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen. Die Medizin könne aus dem Fall Corona nicht unbedingt etwas für den Umgang mit einer Pandemie lernen. Denn: "Wir könnten ein Virus haben, das sich ganz anders verhält", sagte Drosten. "Es kann auch sein, dass Begleiterkrankungen viel stärker in Erscheinung treten."
    Dr. Christop Specht und Florian Weiss im Gespräch
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    Drosten weist auf Irrtümer hin

    Im Hinblick auf die Medien mahnte Drosten an, dass einige Irrtümer entstanden seien – meist dadurch, dass Ergebnisse und Methodik unmittelbar in Zweifel gezogen worden seien. Ein Beispiel dafür seien die Schulschließungen. Hier habe sich Deutschland im unteren Mittelfeld bewegt. Trotzdem herrsche die Meinung, Schulen seien länger als anderswo geschlossen gewesen.
    Zu sehen ist ein Mäppchen mit Buntstiften. Darauf liegt eine weiße FFP-Maske.
    Von Einsamkeit bis Depressionen: Die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen haben einen negativen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Kindern. Es drohen hohe Folgekosten. 06.07.2023 | 1:45 min
    Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen hatten große Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen:
    Auch die Wahrnehmung, die Omikron-Variante des Virus sei eine mildere, sei ein Trugschluss gewesen.

    Dass die Krankheitslast bei Omikron gesunken ist, lag alleine an der Impfung. Omikron ist nicht 'mild'. In einer wenig geimpften Bevölkerung wie zum Beispiel Hongkong ist Omikron anhand der Daten von der Krankheitsschwere her nicht von den vorherigen Varianten unterscheidbar.

    Professor Dr. Christian Drosten

    Dass die Pandemie vorbei sei, sei in der Hybridimmunität aus Impfung und Infektionen begründet, sagte der Virologe.
    Das schwierige Zusammenspiel aus Wissenschaft, Politik und Medien bestätigte auch Professorin Dr. Sandra Ciesek, Virologin am Uniklinikum Frankfurt. Sie habe in Hessen allerdings nicht erlebt, dass die Politik sich hinter der Virologie versteckt habe. Im Bund sei das womöglich anders gewesen. Bei Datensammlungen und medizinischen Studien bestehe allerdings noch Verbesserungsbedarf.

    Schutz gegen Coronavirus
    :Drosten: Breite Immunität beendete Pandemie

    Das Ende der Corona-Pandemie ist dem Virologen Drosten zufolge einer breiten Immunität in der Bevölkerung gegen das Virus zu verdanken. Die Omikron-Variante sei nicht der Grund.
    Christian Drosten

    Schwierige Rückkehr in den Normalmodus

    Ein weiteres Thema des Symposiums: die Situation des stätionären Sektors während der Pandemie. Prof. Dr. Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Berliner Charité, schilderte, wie schwierig es sei, nach einer solch großen Herausforderung in den Normalmodus zurückzukehren. Die vielen Todesfälle hätten sein Haus stark belastet und das Personal vor große Herausforderungen gestellt.
    Einigkeit herrschte über eine Lehre, die die Kliniken aus der Corona-Zeit gezogen haben: Pandemien seien im Grundsatz furchtbar – aber sie ermöglichten auch Dinge, die sonst nicht möglich seien – beispielsweise die bundesweite Vernetzung der 36 Unikliniken. Kommunikation und Vernetzung seien während der Pandemie entscheidend gewesen und seien es auch für die Zukunft der Krankenhauslandschaft, sagte Prof. Kroemer.

    Pandemie hat Schwächen offenbart

    Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, lobte die Arbeit der Praxen. Ohne sie sei das flächendeckende Impfen und Testen niemals handhabbar gewesen. Er erinnerte an die teils schwierigen Bedingungen, unter denen das Personal in den Praxen gearbeitet habe, gerade angesichts des anfänglichen Mangels an Schutzausrüstung und Masken. Kritik äußerte er am Datentransfer:

    Daten, die keiner wirklich analysieren kann, über Monate fehlende Schnittstellen – wir brauchen dringend diese Schnittstellen.

    Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

    Vieles sei in Deutschland deutlich schwieriger gewesen als in anderen Ländern.
    Archiv: Gesundheitskarten verschiedener Krankenkassen am 05.09.2016
    Während Corona haben viele Daten gefehlt. Und jetzt? Kann das Gesundheitswesen digital werden? Welche Chancen und Risiken gibt es?02.07.2023 | 4:03 min
    Auch Dr. Johannes Nießen, Leiter des Gesundheitsamts Köln, betonte die Notwendigkeit eines krisenresistenten und strukturell widerstandsfähigen Gesundheitssystems.

    Viele Gesundheitsämter waren nicht bereit und verfügten nicht über das notwendige Personal, weil vorher zu viel gespart wurde.

    Dr. Johannes Nießen, Leiter des Gesundheitsamts Köln

    Dafür hätten telefonische Beratung und intensive Kontaktnachverfolgung sowie das schnelle Etablieren der Testungen gut funktioniert. Insgesamt habe die Pandemie einen Digitalisierungsschub gebracht, Corona aber in vielen Punkten aber auch schonungslos Schwächen offenbart.
    "Wir werden vermutlich in dieser Generation keine Pandemie dieser Schwere mehr erleben", sagte Prof. Drosten, abschließend. Nötig seien trotzdem Investitionen in Grundlagenforschung. Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn kündigte an, hier für Hessen Schwerpunkte setzen zu wollen.

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