Ampel nach Meseberg: Das Märchen vom geräuschlosen Regieren

    Ampel-Koalition nach Meseberg:Das Märchen vom geräuschlosen Regieren

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    In Meseberg beschwört die Ampel den Neustart. Den Streit der vergangenen Wochen soll ein Bild umschreiben: Die Koalition hämmere und schraube halt viel. Nur: Das ist Quatsch.

    German Finance Minister Christian Lindner, German Chancellor Olaf Scholz and German Minister for Economy and Climate Robert Habeck leave after a press conference during a closed meeting of the German Federal Cabinet at Meseberg near Berlin, Germany, 30 August 2023.
    Die Streitpunkte hinter sich lassen, das war das Ziel der Kabinetts-Klausur. Wie das Vorhaben, insbesondere beim Thema Bürokratie, gelungen ist, zeigen die Ergebnisse von Meseberg.30.08.2023 | 1:56 min
    Christian Lindner will ganz offensichtlich mal wieder die Schlagzeilen bestimmen. Der Finanzminister weiß genau, was die Journalistinnen und Journalisten brauchen. Bilder, Metaphern, schöne Zitate. Und Lindner liefert. Zum wochenlangen Streit in der Ampel sagt er:

    Wir sind eine Regierung, wo gehämmert, geschraubt wird. Das führt zu Geräuschen, wie Sie schon festgestellt haben. Aber es kommt eben auch was raus.

    Christian Lindner, FDP

    Olaf Scholz (SPD) steigt voll drauf ein. "Wir werden hämmern und klopfen, aber mit Schalldämpfern", sagt der Kanzler auf Schloss Meseberg. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) liefert auch noch ein Bild: Ab sofort macht die Koalition Laubsägearbeiten. Verstanden, die Ampel will jetzt geräuschloser regieren.

    Massive Konflikte in der Ampel bleiben

    Die Zitate vom Hämmern und Schrauben dürften jetzt schon in jedem Online-Artikel über die Kabinettsklausur stehen (in diesem hier ja auch). Morgen werden sie wahrscheinlich in jeder zweiten Überschrift einer Tageszeitung zu lesen sein. Man soll sich Scholz, Lindner und Habeck offenbar im niedlichen "Bob, der Baumeister"-Kostüm vorstellen.
    Doch das Bild von der hämmernden Ampel, das die Koalitionäre gerne erzeugen wollen, kann über eines nicht hinwegtäuschen: In Wahrheit gibt es in dieser Ampel massive Konflikte. Und die konnten auch auf der zweitägigen Koalitionsklausur auf Schloss Meseberg nicht befriedet werden.
    Zu sehen ist ZDF-Korrespondent Dominik Rzepka in Berlin im Gespräch mit ZDFheute live.
    Das Reden vom Hämmern, Schrauben und von Schalldämpfern könne nicht verdecken, dass es Konflikte gebe in der Ampel, sagt ZDF-Korrespondent Dominik Rzepka.30.08.2023 | 6:14 min

    Keine Einigung beim Industriestrompreis

    Beispiel: Industriestrompreis. Soll der Strom für große Unternehmen staatlich subventioniert werden? Die Grünen sind dafür, die FDP dagegen. Die Bundestagsfraktion der SPD steht auf der Seite der Grünen. Der Kanzler, selbst auch SPD-Mitglied, ist dagegen. Und weil sich die Ampel hier nicht einig ist, gibt es auch keinen Beschluss in Meseberg - nur eine nichtssagende Aussage des Kanzlers:

    Wir freuen uns darüber, dass das Interesse, Wirtschaftsaktivierung zu betreiben, ein allseitiges ist.

    Olaf Scholz zum Industriestrompreis

    Beispiel: Das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Lindner. Das hat das Kabinett zwar beschlossen, aber eben zwei Wochen später als geplant. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte ihr Veto eingelegt, um Lindner die Kindergrundsicherung abzuringen. Ein einmaliger Vorgang. Und das soll wirklich nur ein Hämmern und Schrauben sein?
    Industrie
    Bei ihrer Klausur in Meseberg konnte sich die Ampel nicht auf einen Industriestrompreis einigen. Doch die Chemiebranche betont: ohne einen solchen Industriestrompreis drohe die Abwanderung vieler Unternehmen.30.08.2023 | 1:47 min

    DJV kritisiert wortkarge Politiker

    Um die Zerwürfnisse in dieser Koalition zu verdecken, ist auf Schloss Meseberg eine bemerkenswerte Entwicklung zu beobachten: Die Bundesregierung verschanzt sich immer öfter. Am ersten Tag lassen Scholz, Lindner und Habeck nach ihren Statements vor den Kameras keine Fragen von Journalisten zu.
    Auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) verschwindet nach seinem Statement zum geplanten Bürokratieabbau wortlos. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) sagt ZDFheute, die Bundesregierung degradiere auf diese Weise Medienschaffende zu Mikrofonhaltern.

    Wer glaubt, so mit den Medien umgehen zu können, hat die Rolle des Journalismus als kritische Institution in der Demokratie nicht verstanden.

    Frank Überall, DJV-Bundesvorsitzender

    So ein Fazit nach einer Klausurtagung einer Bundesregierung muss man auch erst einmal hinbekommen.

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