Angriff in Russland "PR-Coup" für Aufmerksamkeit"?

    Militärexperten zu Ukraine-Krieg:War der Angriff "PR-Coup für Aufmerksamkeit"?

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    Moskau sieht ukrainische "Saboteure" in Russland. Laut Experte Gressel könnte das "eine Art PR-Coup" von "Freelancern" sein. Experte Masala betont derweil die Bedeutung der Krim.

    Nicht nur in der Ukraine wird gekämpft. In Russland gibt es derzeit Berichte über einen Angriff mit Toten und eine angebliche Geiselnahme. Bislang konnte das nicht verifiziert werden. Eine Geiselnahme hält der Militärexperte Gustav Gressel im Interview mit dem ZDF heute journal update (hju) nicht für wahrscheinlich. Einen Angriff hingegen schon.
    Im hju-Interview äußert er sich zudem zu den Auswirkungen der von Bundeskanzler Olaf Scholz proklamierten Zeitenwende vor einem Jahr und der Situation im ostukrainischen Bachmut. Der Militärexperte Carlo Masala skizziert im ZDF heute journal zudem einen möglichen Wendepunkt im Krieg.
    Sehen Sie hier das Interview mit Carlo Masala aus dem ZDF heute journal:
    Lesen Sie die Aussagen der Militärexperten hier in Auszügen:

    Gressel: Angreifer wohl "Do-It-Yourself-Soldaten"

    Laut russischen Angaben soll eine ukrainische Sabotagegruppe hinter dem Angriff in Russland stecken. Die Ukraine weist die Verantwortung von sich und betont, die Verantwortlichen hätten auf eigene Faust gehandelt. Bei den angeblichen ukrainischen Saboteuren handelt es sich um das "Russische Freiwilligenkorps" - etwa ein Dutzend russische Rechtsradikale, die sich selbst als kämpfende Einheit der ukrainischen Streitkräfte bezeichnen.

    Gustav Gressel
    Quelle: ZDF/Jule Roehr

    ... ist Politikwissenschaftler und Militärexperte. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören Russland, Osteuropa und Verteidigungspolitik.

    Gressel bezeichnet die Gruppe als sogenannte "Do-It-Yourself-Soldaten". Diese lebten von der Organisierten Kriminalität oder von Spenden ihrer ideologischen Anhänger. "Da müssen sie sich dann aber quasi würdig erweisen. Das heißt, durch spektakuläre Aktionen dafür sorgen, dass diese Leute dann auch Geld spenden." Und genau so ein "PR-Coup um Aufmerksamkeit zu bekommen", könnte auch der aktuelle Angriff gewesen sein, meint Experte Gressel.

    Putin spricht von "Terror"
    :Russland: Angriff von ukrainischen Saboteuren

    Russische Politiker berichten über einen Angriff ukrainischer "Saboteure" auf russischem Staatsgebiet. Dahinter stecken wohl russische Rechtsradikale, die für die Ukraine kämpfen.
    von Oliver Klein
    Russisches Freiwilligenkorps

    Zeitenwende? Für die Bundeswehr habe sich "erstaunlich wenig" geändert

    Vor einem Jahr hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine inzwischen berühmte Zeitenwende-Rede gehalten. Und er versprach der Bundeswehr 100 Milliarden Euro. Was hat sich ein Jahr später geändert? "Für die Bundeswehr selber erstaunlich wenig, muss man leider sagen", zieht Militärexperte Gressel Bilanz.
    "Es gibt eine gewisse Verunsicherung, was den langfristigen Betrieb des Gerätes, das jetzt angeschafft wird, angeht. Weil ja das Verteidigungsbudget, von dem dann der laufende Betrieb bezahlt werden soll, zumindest auf absehbare Zeit nicht steigen wird", erklärt Gressel. Für die Waffen, die an die Ukraine geliefert wurden, gebe es jetzt jedoch endlich Ersatz.

    Sonst ist man eher noch im Team Hoffnung.

    Gustav Gressel, Militärexperte

    Gressel: Russland nimmt hohe Verluste bei Bachmut hin

    Derzeit ist die Gegend um Bachmut besonders umkämpft. Es gibt hohe Verluste auf beiden Seiten. "Aus ukrainischer Sicht geht es vor allen Dingen darum, die Russen abzunutzen", so Gressel. In Ortschaften könnten die russischen Streitkräfte dazu gezwungen werden, in den Nahkampf überzugehen.
    "Man verwehrt ihnen die Vorteile in der Reichweite seiner Waffen, vor allen Dingen der Überlegenheit an Kampf- und Schützenpanzern und erzwingt so ein höheres Abnutzungs- oder Verlust-Verhältnis." Allerdings werde hauptsächlich um die Stadt herum gekämpft. Deshalb könne es für die Ukraine sinnvoll sein, Kräfte abzuziehen und die Front zu verkürzen. Das mache "die Verteidigung leichter", so Gressel.

    Masala: Blatt könnte sich mit ukrainischer Offensive wenden

    Wie wichtig die Waffen für die Ukraine sind, betont auch Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München. Ihm zufolge könnte der Krieg mit der ukrainischen Gegenoffensive eine andere Dynamik bekommen.
    Er rechnet damit, dass sie Ende März oder Anfang April beginnt. "Wenn es der Ukraine gelingt, die südliche von der östlichen Front zu trennen, um damit den Druck auf die Krim zu erhöhen, dann kann sich das Blatt sehr schnell werden."

    Die Krim ist der Schlüssel - glaube ich - für die Beendigung des Krieges.

    Carla Masala, Politikwissenschaftler

    Dann könne sich das russische Kosten-Nutzen-Kalkül ändern. Denn derzeit besteht Russland bei möglichen Verhandlungen noch auf die annektierten Gebiete.

    Masala über Atomwaffen-Einsatz: Keine Sache von 15 Minuten

    Wenn es um den Kampf um die Krim geht, befürchten Einige eine Eskalation mit Atomwaffen. Masala betont jedoch, dass das "keine Sache von 15 Minuten" sei. "Da müssen erstmal Sprengköpfe zu Trägersystemen gebracht werden, die müssen sozusagen miteinander verbunden werden, und dann kann dieser Einsatz erfolgen. Das heißt, man wird bemerken, wenn das so ist." Und dann würde verhandelt werden.

    Prof. Dr. Carlo Masala
    Quelle: unibw.de

    … ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Zuvor arbeitete der Experte für Sicherheitspolitik und transatlantische Beziehungen am Nato Defence College in Rom.

    Außerdem wäre dann Russland komplett isoliert, weil Masala damit rechnet, dass sich Indien und China angesichts eines Atomwaffen-Einsatzes gegen Russland stellen würden.
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    Quelle: ZDF

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