Militärexperten: Russland kann Ukraine-Front kaum schützen

    Berechnungen von Militärexperten:Russland kann Ukraine-Front kaum schützen

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
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    Russland baut seine Stellungen an der Front weiter aus. Doch Experten sagen: Eine effektive Verteidigung ist fast unmöglich - Russland hat zu wenig Soldaten und Material.

    Russischer Soldat im Schützengraben
    Russischer Kämpfer im Schützengraben: 90.000 Soldaten wären nötig, um 30 Kilometer Front abzusichern, berechnet ein Militärexperte.
    Quelle: dpa

    Die russische Armee befestigt die Front in der Ukraine immer weiter - das zeigen Satellitenbilder, die unter anderem der US-Verteidigungsexperte Brady Africk bei Twitter zusammenstellt. Auf den Fotos zu sehen: endlose Reihen sogenannter "Drachenzähne", höckerförmige Panzersperren aus Beton. Ein Netzwerk von kilometerlangen Schützengräben zieht sich wie Narben durch die Felder im Südosten der Ukraine, dazu kommen Mauern und andere Barrieren, vermutlich auch Areale mit Landminen.
    Brady Africk bei Twitter mit Fotos russischer Verteidigungsanlagen
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    Verteidigungslinien bis zu 30 Kilometer breit

    Einige der Anlagen erstrecken sich in mehreren Verteidigungslinien über eine Breite von bis zu 30 Kilometern von der Front bis ins Landesinnere, wie der finnische Reserveoffizier und OSINT-Spezialist Pasi Paroinen bei Twitter analysiert.
    Aber es ist zweifelhaft, ob die Bollwerke die erwartete ukrainische Gegenoffensive dauerhaft aufhalten können. Denn Berechnungen zeigen: Russland verfügt nach den bisherigen Kämpfen inzwischen vermutlich über viel zu wenig Soldaten und Material, um seine Front an allen Punkten zu schützen.

    90.000 Soldaten nötig, um 30 Kilometer Front abzusichern

    Der italienische Militärexperte Thomas Theiner hat anhand eines Nato-Handbuchs kalkuliert, wie viele Truppen und wie viel Ausrüstung für einen ebenbürtigen Kampf erforderlich wären: "Insgesamt müssten 54.000 Soldaten eingesetzt werden, um 30 Kilometer Front zu halten, zusätzlich 36.000 Mann als Reserve für den Fall, dass dem Feind ein Durchbruch gelingt", schreibt Theiner bei Twitter.
    Karte: Russische Verteidigungsanlagen an der Grenze zur Ukraine und in den besetzten Gebieten
    Karte: Russische Verteidigungsanlagen an der Grenze zur Ukraine und in den besetzten Gebieten
    Quelle: ZDF

    Dazu kämen als Ausrüstung unter anderem 1.500 Panzer, 900 Panzerfäuste, 180 Spike-Panzerabwehr Lenkwaffen, mindestens 240 Granatwerfer und Munition. Die Reserve müsse zusätzlich über etwa 1.000 Panzer und weitere Waffen verfügen.

    Russland hat ukrainischer Offensive wohl wenig entgegenzusetzen

    Das alles gilt den Berechnungen Theiners zufolge für einen Frontabschnitt von lediglich 30 Kilometern. "Für die gesamte 800 Kilometer lange Front innerhalb der Ukraine wären das 1.440.000 Soldaten", so Theiner.
    Auch wenn die ukrainische Gegenoffensive Theiner zufolge vermutlich in einem 300 Kilometer langen Abschnitt im Süden erfolgen würde, brauchte Russland zur Verteidigung immer noch über eine halbe Million Soldaten, ohne Reserve. Aktuell seien dort auf russischer Seite aber lediglich 90.000 Mann, in der gesamten Ukraine seien es maximal 360.000 russische Soldaten. Theiners Fazit:

    Sie haben weder genug Männer noch Material, um einen ukrainischen Angriff zu stoppen.

    Thomas Theiner, italienischer Militärexperte bei Twitter über Russlands Armee

    Experte: Befestigungsanlagen Russlands nicht kriegsentscheidend

    Bereits im April sagte auch der Militärökonom Marcus Keupp von der Militärakademie der ETH Zürich gegenüber ZDFheute, dass die Befestigungsanlagen von Wladimir Putins Militär nicht kriegsentscheidend seien.
    Seine Begründung: Die Ukraine müsse sowieso nicht auf einer langen Frontlinie durchstoßen - es würde genügen, an einem bestimmten kleinen Abschnitt mit großer Kraft zur Schwarzmeerküste durchzustechen, um dann die südliche Front der Russen abzuschneiden.
    Ähnlich äußerte sich auch der Militärexperte und ehemalige Brigadegeneral Helmut W. Ganser in der "Zeit": Die ukrainische Militärführung würde ihre Angriffe vermutlich auf russische Schwachstellen konzentrieren, versuchen, "die russischen Stellungen zu durchbrechen und versuchen, in die Tiefe vorzustoßen."

    Wie sich Russland wappnet
    :"Drachenzähne" gegen Ukraine-Offensive

    Russland bereitet sich auf die Frühjahrsoffensive der Ukraine vor. Satellitendaten offenbaren, wie das russische Militär vorgeht. So sollen "Drachenzähne" Panzer aufhalten.
    von Jan Schüßler
    Ein ukrainischer Soldat getht in einem Graben an der Frontlinie, aufgenommen am 09.05.2023 in Kremenna in der Region Luhansk

    Ukraine könnte geografischen Vorteil haben

    Dabei haben die ukrainischen Truppen den russischen gegenüber einen geografischen Vorteil, erklärt der Militäranalyst Niklas Masuhr: Wenn sie an verschiedenen Stellen der Front vorstießen, hätten sie kürzere Wege, wenn sie Truppen zur Verstärkung an Brennpunkte verlegen wollten. Die russische Armee habe längere Routen, weil sie sich nur im besetzten Territorium in südlichen und östlichen Gebieten der Ukraine bewegen könne, so Masuhr.
    Wo ein solcher Angriff stattfinden wird, ist geheim - das sei "der Schlüssel für die Ukraine", so Theiner. Wenn es der ukrainischen Armee gelingt, Schwächen der russischen Abwehrlinien zu identifizieren, eröffnet ihr das die Chance zu einer effektiven Gegenoffensive. Theiner rechnet mit einem "blutigen und brutalen Kampf". Es werde "aber eine Schlacht, die Russland nicht gewinnen kann."
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    Quelle: Mit Material von dpa
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