Ukraine-Krieg: Diese Parade verrät Russlands Schwäche

    Siegesfeier zum 9. Mai in Moskau:Diese Parade verrät Russlands Schwäche

    Nina Niebergall, ZDF-Korrespondentin in Moskau
    von Nina Niebergall
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    Normalerweise demonstriert Russland am 9. Mai militärische Stärke. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Das Putin-Regime kann nicht einmal den Schein aufrechterhalten.

    Militärparade in Moskau
    Am 9. Mai wird in Russland der Sieg über Nazi-Deutschland gefeiert. Die traditionelle Militärparade ist dieses Jahr nicht das gewohnte Zeichen von Stärke und fällt sparsamer aus.09.05.2023 | 2:42 min
    Nur ein einziger, alter Kampfpanzer rollt an diesem "Tag des Sieges" über den Roten Platz in Moskau, als um 10 Uhr Ortszeit Wladimir Putins große Propagandashow beginnt. Es ist der historische T-34, ein sowjetisches Modell, das 1945 maßgeblich zum Sieg gegen Nazi-Deutschland beitrug.

    Keine modernen Panzer, weniger Soldaten

    Modernes technisches Gerät aber fehlt, sowohl am Boden als auch in der Luft. Trotz strahlenden Sonnenscheins fällt die Flugshow in diesem Jahr aus. Etwa 8.000 Soldaten marschieren bei der Militärparade auf, so wenige wie seit 15 Jahren nicht mehr.

    Das deutet daraufhin, dass man nicht genug Technik hat oder die Technik anderswo braucht. Auch dass viele Paraden in ganz Russland abgesagt wurden, ist ein Zeichen, dass es nicht gut läuft in diesem Krieg.

    Nico Lange, Russland-Experte

    Putin habe schon länger das Problem, dass er nicht weiter eskalieren kann, sagt Russland-Experte Nico Lange. "Und es ist natürlich auch so, dass er am 9. Mai nichts vorzuweisen hat außer Verlusten. Er hat militärisch nichts erreicht."
    Phoebe Gaa Sievers
    Die Sicherheitslage möge ein Grund für die kleinere Parade gewesen sein. Ein anderer, dass das Verteidigungsministerium sich Kritik entziehen wollte, berichtet Phoebe Gaa.09.05.2023 | 1:33 min
    "Offensichtlich gibt es nichts zu feiern", sagt Russland-Experte Nico Lange. Sehen Sie hier seine Einschätzung der Militärparade:

    Putin: Verteidigung statt Angriff

    Zu Beginn der Parade betritt der russische Präsident das Podium, um seine Rede zu halten. Wie schon in den vergangenen fast 15 Monaten schlägt er dabei einen historischen Bogen vom "Großen Vaterländischen Krieg", wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird, zum Krieg gegen die Ukraine.

    Es wurde ein echter Krieg gegen unser Vaterland entfesselt, aber wir haben dem internationalen Terrorismus eine Abfuhr erteilt, und wir werden die Bewohner des Donbass schützen und unsere Sicherheit gewährleisten.

    Wladimir Putin, Präsident Russland

    Den Krieg gegen die Ukraine deutet Putin um in eine Verteidigungsschlacht - wie sie die Rote Armee vor 80 Jahren gegen die Nationalsozialisten gekämpft hat. Eine grobe Verdrehung der Tatsachen.

    Putin spricht von "Krieg"

    Ungewöhnlich auch, dass der russische Präsident überhaupt von Krieg spricht, meistens ist in offiziellen Ansprachen von einer "militärischen Spezialoperation" die Rede. Ein gewohntes Narrativ hingegen: die Attacke gegen den Westen.

    Die westlichen globalen Eliten predigen immer wieder, dass sie etwas Besseres sind. Sie hetzen die Menschen gegeneinander auf und spalten die Gesellschaft, provozieren blutige Konflikte und Putsche, säen Hass und Russophobie.

    Wladimir Putin, Präsident Russland

    Russland wird angegriffen - das ist auch heute Putins Botschaft. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Roten Platz wurden nach der mutmaßlichen Drohnen-Attacke auf den Kreml in der vergangenen Woche nochmal verschärft.

    Die Straßen sind viel weiträumiger abgesperrt, als ich das aus den letzten Jahren kenne. Heute Morgen war Moskau ausgestorben, es sind kaum Zuschauer oder Autos unterwegs.

    Phoebe Gaa, ZDF-Studioleiterin in Moskau

    Russlands Verbündete überraschend in Moskau

    Während Putins Rede bemühen die Kameras des Staatsfernsehens sich, die internationalen Gäste einzufangen. Dabei war bis zum Tag vor der Parade nur der kirgisische Präsident angekündigt gewesen. Überraschend erschienen dann auch die Staats- und Regierungschefs aus Belarus, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Armenien.
    Moskau-Korrespondentin Phoebe Gaa im Gespräch mit Gundula Gause.
    Bei der diesjährigen Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau marschierten auch Soldaten mit, die in der Ukraine kämpften. 09.05.2023 | 1:08 min
    ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa hat die Stimmung vor Ort eingefangen:
    Kein Vergleich zu der oft auch westlichen Prominenz, die in den vergangenen Jahrzehnten zum 9. Mai nach Moskau kam. Und auch an der Loyalität der vermeintlichen Verbündeten darf gezweifelt werden. Immer wieder hatten sich etwa Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan und der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew seit Kriegsbeginn von Russland distanziert. Hochrangige Vertreter aus China fehlten auf der Tribüne.

    Bemerkenswert ist vor allem, wer nicht kommt beziehungsweise wer sich ziert, zu kommen. Das zeigt, wie isoliert Putin ist und dass er an Einfluss verliert in den Staaten, die an der russischen Grenze liegen, die nicht mitmachen wollen bei diesem Angriffskrieg. Es ist einsam um Putin heute.

    Nico Lange, Russland-Experte

    Experte: "Signal der Normalität"

    Auch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der in den vergangenen Wochen immer wieder den Kreml kritisiert hat, fehlte. Ebenso die Gouverneure der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk.
    Ein Auto auf einer Brücke, aus den Fenstern ragen Russland-Flaggen.
    Moskau feiert mit einer Militärparade den Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland. Laut Russlands Präsident Putin führe der Westen Krieg gegen das Land.09.05.2023 | 1:45 min
    "Putin war da, hat geredet, das Ganze hat stattgefunden. Es war wichtig für ihn, dieses Signal zu senden", sagt Russland-Experte Lange. "Es gibt eine Art von Normalität." Doch wer genau hinschaut, erkennt: Normal ist in diesem zweiten Kriegsjahr in Russland nicht mehr viel.
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