Nach Erdbeben: Warum die Hilfe in Syrien so schwierig ist

    Nach Erdbeben:Warum die Hilfe in Syrien so schwierig ist

    von Victoria Kunzmann
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    Die Menschen im syrischen Bebengebiet fühlen sich verlassen. Die Hilfe der UN aber hängt von der Gunst des Assad-Regimes ab. Ein auswegloses Dilemma, so WHO-Sprecher Lindmeier.

    Menschen stehen auf Trümmern mehrere Gebäude, die infolge der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet zerstört worden sind.
    Die Überlebenden der Erdbeben-Katastrophe in Syrien fühlen sich im Stich gelassen.
    Quelle: Reuters

    Die Menschen, die in der Erdbebenregion im Norden Syriens leben, machen ihrem Ärger Luft. Sie schreiben auf Plakate, was sie denken. "Die Vereinten Nationen haben uns im Stich gelassen" steht auf einem Schild. Auf einem anderen: "Die Vereinten Nationen sind Partner von Baschar al-Assad und töten Syrer."
    Menschen umarmen sich weinend vor Sorgen. Im Hintergrund sind Trümmer zu sehen.
    14.02.2023 | 8:48 min
    Verzweifelte Opfer, hilflose Helfer:
    Die Einheimischen werfen der internationalen Gemeinschaft vor, nicht genug für die Erdbebenopfer vor Ort getan zu haben. Denn die Hilfen der Vereinten Nationen (UN) erreichen die betroffenen Orte in den Rebellengebieten auf syrischer Seite nur sehr schwer.
    Christian Lindmeier, der Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sagt gegenüber dem ZDF:

    Das Problem ist nicht das, was die Vereinten Nationen bereitstellen - die Konvois, das Geld, die Leute. Das Hauptproblem ist der Zugang.

    Christian Lindmeier, WHO-Sprecher

    Schwierige Gratwanderung der Helfer

    Sind also viele Menschen auch deswegen gestorben, weil die UN zu spät in die betroffenen Gebiete kamen? Das ist schwer zu sagen, aber Fakt ist: Die UN, so Lindmeier, stehen im ständigem Zwiespalt zwischen der Rettung von Menschenleben - und der Gunst des jeweiligen Machthabers.
    Wer kontrolliert welche Gebiete - ein Überblick:
    Dieses politische und ethische Dilemma für die UN - und natürlich auch die anderen Hilfsorganisationen - wird am Beispiel des syrischen Diktators Baschar al-Assad besonders deutlich. Einerseits fühlen sich die Helfer verpflichtet, für die hilfsbedürftigen Menschen da zu sein. Andererseits laufen sie Gefahr, sich von "zwielichtigen Machthabern" - wie Lindmeier sagt - "instrumentalisieren" zu lassen.
    Einige Helfer seien bereits vor dem Erdbeben in dem Gebiet stationiert gewesen, sagt der WHO-Sprecher. Doch sie bräuchten fortlaufend Material und mehr Leute.

    Wenn wir Hilfe nicht zu den Leuten bekommen, dann wird es mehr Opfer geben, als es geben müsste.

    Christian Lindmeier, WHO-Sprecher

    UN im Dilemma: Machen sie sich mit Regime gemein?

    Das Problem ist: Für die internationalen Hilfsorganisationen gab es zunächst nur einen offiziellen Zugang - das war Bab al-Hawa - zum Erdbebengebiet im Norden, das nicht von der Regierung in Damaskus kontrolliert wurde. Die syrische Regierung wollte humanitäre Hilfe nur komplett durch die von ihr kontrollierten Gebiete fließen lassen.
    Schleppende Hilfe in Syrien:
    "Keine humanitären Konvois konnten von Regierungsgebieten in den Nordwesten fahren", schrieb diese Woche der Syrien-Experte Haid Haid für die Denkfabrik "Chatham House".

    Image-Pflege zulasten der Hilfsorganisationen?

    Die Assad-Regierung hat nun seit einigen Tagen zwei weitere Grenzübergänge zur Türkei freigegeben. Bab al-Salam und Al-Ra'ee sollen für drei Monate offen sein. Für Machthaber Assad ein Mittel, um sein Image aufzupolieren und zu zeigen, dass er sich um die Menschen in seinem Land kümmert.
    Lindmeier im ZDF zur Öffnung der Grenzübergänge:
    Kritiker monieren, die UN hätten angesichts der katastrophalen Lage nicht auf Assads Zustimmung warten dürfen und die Übergänge direkt nutzen oder einen anderen Weg für Hilfslieferungen finden sollen.
    Für den WHO-Sprecher sind die neuen Grenzöffnungen das Ergebnis vieler Gespräche mit dem Machthaber und "ein Riesenfortschritt", betont Lindmaier. Aber sie seien längst nicht genug.
    Mit Material von dpa
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