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Jahrhundertelanges Misstrauen : Warum Polen Russland kritisch gegenübersteht

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Polens kritische Position gegenüber Russland ist geprägt von den eigenen historischen Erfahrungen mit dem großen Nachbarn. Diese erklären auch das Misstrauen gegenüber Deutschland.

Polnische Soldaten stehen entlang der polnisch-russischen Grenze, aufgenommen am 16.11.2022
Das Misstrauen Polens gegenüber dem großen Nachbarn ist groß. (Archiv)
Quelle: epa

In Polen steht die nächste Parlamentswahl erst im Herbst an. Doch obwohl bis heute unklar ist, ob die Opposition mit einer gemeinsamen Liste antreten wird, ist der Wahlkampf längst entbrannt. Und eine zentrale Rolle bei dieser Kampagne spielt das staatliche polnische Fernsehen, das die seit 2015 regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) schon kurz nach ihrem Regierungsantritt 2015 zu ihrem Sprachrohr umgebaut hat.

Staatlicher Fernsehsender gegen Tusk

"Unser Mann in Warschau" heißt eine umstrittene Dokumentation über den ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk, die in den vergangenen Wochen mehrmals von TVP ausgestrahlt wurde und deren simple Botschaft ist:

Der heute wichtigste und bekannteste Oppositionspolitiker ist während seiner Regierungszeit 2007 bis 2014 Russland und Wladimir Putin gegenüber zu entgegenkommend aufgetreten. Damit habe er nicht nur polnische Interessen missachtet, sondern trage auch eine Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine.

Meterhohe Grenzzäune symbolisieren das Misstrauen Polens gegenüber Russland:

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Der Nachbar, dem man seit Jahrhunderten misstraut

Es sind Schläge unter die Gürtellinie, derer sich auch die Opposition bedient und die für Außenstehende befremdlich wirken, sich aber durch Polens Geschichte erklären lassen. Durch die drei polnischen Teilungen zwischen 1772 und 1795 wurden große Teile der polnisch-litauischen Adelsrepublik für über 100 Jahre Gebiete des russischen Zarenreichs. 1939 erfolgte mit dem Hitler-Stalin-Pakt und der Aufteilung Polens zwischen den zwei Diktatoren das nächste nationale Trauma.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte das Land an der Weichsel in den sowjetischen Einflussbereich. Verbunden waren diese Erfahrungen mit Deportation und Terror. "Polen muss sich seit mehr als 250 Jahren gegen russische Vorherrschaft und Einflussnahme erwehren. Das hat das politische Denken bis heute stark geprägt", erläutert Peter Oliver Loew, Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt.

Wie prägend diese historischen Erfahrungen waren, zeigt sich nicht nur erst seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. "Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks stand in Polen die West-Integration im Vordergrund. Der Blick nach Russland war aber immer von Skepsis geprägt. Es gab zwar in den letzten 30 Jahren immer wieder Phasen, in denen man sich um eine Normalisierung der Beziehungen bemühte, doch mit dem russischen Einmarsch in Georgien 2008 und der Annexion der Krim waren diese zum Scheitern verurteilt", sagt der Polen-Experte Loew.

Deutschland stand lange an der Seite Russlands

Die leidvollen historischen Erfahrungen Polens mit Russland waren aber auch immer das Ergebnis einer deutsch-russischen Übereinkunft. Was dazu führte, dass Polen die deutsche Russland-Politik der vergangenen 20 Jahre und insbesondere die Ostseepipeline Nord Stream nicht nur besonders kritisch beobachtete, sondern auch als Gefahr wahrnahm.

Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski sprach in den vergangenen Jahren wiederholt von einem "deutsch-russischen Kondominium", das Polen drohe. Ein Narrativ, welches heute auch die Ukraine einschließt. Die Sorge, dass sich der Westen, insbesondere Deutschland, mit Moskau über die Zukunft der Ukraine und somit der gesamten Region einigen könnte, ist nicht nur bei den regierenden Nationalkonservativen groß.

ZDF-Korrespondentin Natalie Steger berichtet aus Polen, warum auch das Misstrauen gegen Deutschland groß ist:

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Polen kritisiert schleppende Umsetzung der "Zeitenwende"

Dieses polnische Misstrauen gegenüber der deutschen Ostpolitik ist mit ein Grund für den Zustand der aktuellen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland. "Das deutsch-polnische Verhältnis hat sehr viele positive Aspekte. Polen ist für Deutschland der fünftwichtigste Handelspartner, umgekehrt ist Deutschland der wichtigste Handelspartner Polens. Der Jugendaustausch hat Millionen zusammengebracht.

Die Lage an der polnisch-ukrainischen Grenze ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine:

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Es gibt über 400 lebendige Städtepartnerschaften. Die Regierungsbeziehungen sind aber so schlecht wie seit der Wende 1989 nicht mehr", sagt Arndt Freytag von Loringhoven, der von 2020 bis 2022 deutscher Botschafter in Polen war.

Enttäuschung in Polen wächst wieder

"Die Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz wurde in Polen positiv aufgenommen. Doch deren schleppende Umsetzung, die Debatten um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, haben die Kritik und die Enttäuschung in Polen wieder größer werden lassen", erklärt von Loringhoven, der für ein Umdenken in der deutschen Ostpolitik plädiert.

"Für diese galt lange 'Russia First'. Nun sollte man begreifen, dass ein 'Osteuropa First' im deutschen Interesse liegt", meint der langjährige Diplomat. Es wäre eine Ostpolitik, die vielleicht auch der antideutschen Rhetorik der PiS den Wind aus den Segeln nehmen würde.

Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

Ukrainische Soldaten feuern am 20. 03. 2023 inmitten der russischen Invasion in der Ukraine mit einem S60-Flugabwehrgeschütz auf russische Stellungen in der Nähe von Bachmut.
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Russland greift die Ukraine an - Aktuelles zum Krieg in der Ukraine 

Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.

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Tschetschenien, Georgien, Syrien, Ukraine: Russland hat unter Putin schon in mehreren Ländern gekämpft. Zwischen den Kriegen gibt es Parallelen – hier die Hintergründe verstehen.

Ukraine, Donezk: Ein ukrainischer Soldat steht an der Trennlinie zu pro-russischen Rebellen in der Region Donezk. In der Ukraine-Krise haben die USA und Russland bei Gesprächen in Genf zunächst auf ihren bekannten Standpunkten beharrt.
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