Internationaler Strafgerichtshof: Haftbefehl gegen Putin
Vorwurf von Kriegsverbrechen:Strafgerichtshof: Haftbefehl gegen Putin
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Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehl gegen Russlands Präsident Wladimir Putin erlassen. Er wirft ihm vor, verantwortlich für Kriegsverbrechen in der Ukraine zu sein.
Wegen seiner Verantwortung für Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen.
Putin sei mutmaßlich für die rechtswidrige Deportation von Kindern und Umsiedlungen aus besetzen Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation verantwortlich, teilte der IStGH mit.
In Artikel 8 des Gründungsvertrags des Internationalen Gerichtshofs, dem "Römischen Statut", wird ausführlich beschrieben, welche Handlungen als Kriegsverbrechen zu bezeichnen sind. Dazu zählen:
vorsätzliche Tötung, Folter oder unmenschliche Behandlung von zivilen Personen
vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen, die an Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen
vorsätzliche Zerstörung und Aneignung von Eigentum in großem Maß, die nicht militärisch gerechtfertigt sind
vorsätzliche Angriffe auf nicht-militärische Ziele
vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge humanitärer und friedenserhaltender Missionen
Angriffe auf unverteidigte Städte, Dörfer, oder nicht militärische Objekte
Tötung oder Verwundung von Zivilisten oder wehrlosen Soldaten, die sich ergeben haben
Vertreibung oder Überführung von Zivilisten durch die Besatzungsmacht aus einem besetzten Gebiet.
Haftbefehl erlassen wurde auch gegen die Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung, Maria Lwowa-Belowa. Das Gericht sei aufgrund der Anträge der Ankläger vom 22. Februar zu der Auffassung gelangt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gebe, dass Putin und Lwowa-Belowa für die genannten Kriegsverbrechen verantwortlich sind.
Der freie Journalist Arndt Ginzel berichtet zu den Hintergründen:
Die Haftbefehle würden anders als sonst üblich veröffentlicht, weil die Verbrechen mutmaßlich noch andauerten und eine öffentliche Bekanntgabe dazu beitragen könne, die weitere Begehung von Straftaten zu verhindern.
ZDF Frontal hatte bereits im März 2022 vor Ort Kriegsverbrechen russischer Soldaten an Zivilisten belegen und dokumentieren können. Auch die Entführung von Kindern aus der Ukraine wurden von der ZDF-Investigation recherchiert:
Putins Angriffskrieg hat ukrainische Familien auseinandergerissen - Kinder wurden zu Waisen. Entführung und Adoption berauben sie nun auch ihrer Heimat und Identität.21.02.2023 | 36:58 min
Neuhann: "Starkes politisches Signal"
Putin soll als Befehlshaber zur Verantwortung gerufen werden. Er habe seine zivilen oder militärische Untergebenen unzureichend kontrolliert, wird der Verdacht begründet. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Putin tatsächlich auch vor dem Gericht in Den Haag erscheinen wird. Russland erkennt das Gericht nicht an.
Florian Neuhann, ZDF-Korrespondent in Brüssel sieht in der Entscheidung dennoch ein wichtiges Zeichen:
So könnte der Haftbefehl "für künftige Auslandsreisen des russischen Präsidenten bedeutsam werden" - und zwar bei Reisen in "Länder, die Vertragsparteien des Internationalen Strafgerichtshofs sind", so Neuhann. "Sollte Putin etwa in die EU reisen, könnte er verhaftet werden. Oder zu einem Gipfel der G20 nach Südafrika - das Land hat 2024 die Präsidentschaft der G20-Gruppe", so Neuhann.
Wenige Tage nach Kriegsausbruch liefern Drohnenvideos erste Belege für ein Kriegsverbrechen auf einer Schnellstraße vor Kiew.07.07.2022 | 44:39 min
Internationaler Haftbefehl nur bei ausreichenden Beweisen
Das Weltstrafgericht verfolgt militärisch und politisch Verantwortliche strafrechtlich. Auch Staats- und Regierungschefs können sich nicht auf ihre Immunität berufen. Doch es ist sehr schwierig, deren Verantwortung auch nachzuweisen. Erst wenn der Verdacht ausreichend begründet und mit Beweisen belegt ist, kann Chefankläger Khan einen internationalen Haftbefehl beantragen.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte erst am Donnerstag in einer Pressekonferenz zu möglichen Haftbefehlen gegen Russen gesagt: "Mit dem Organ arbeitet Russland nicht zusammen." Die Entscheidungen des Gerichts hätten keine Bedeutung für Russland. Das Gericht darf außerdem keine Prozesse in Abwesenheit der Angeklagten führen.
Theveßen: Haftbefehl setzt auch USA "unter Zugzwang"
Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofes setze auch die Regierung der USA "unter Zugzwang", erklärt ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in Washington: "Präsident Joe Biden muss entscheiden, ob er die gesammelten Daten und Erkenntnisse der US-Geheimdienste über Russlands mutmaßliche Straftaten in der Ukraine an die Ermittler in Den Haag weitergibt."
Derzeit blockiere das US-Verteidigungsministerium die Weitergabe, "weil es keinen Präzedenzfall schaffen will, auf dessen Basis der ICC künftig auch eine Strafverfolgung von amerikanischen Soldaten verlangen könnte", so Theveßen. Aber: "Das Pentagon steht mit seiner Haltung allerdings allein; andere Ministerien und die Geheimdienste befürworten die Zusammenarbeit mit den Ermittlern."
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.