Handball-EM: Mitreißendes Wintermärchen ohne Happy End

Nach der verpassten Bronzemedaille bei der Handball-EM war die Enttäuschung der jungen, ehrgeizigen deutschen Nationalmannschaft natürlich groß. In der Gesamtbetrachtung aber war das Erreichen des Halbfinales ein echter Erfolg, die erste Europameisterschaft der Männer in Deutschland ein großes Handball-Fest.

Begonnen hatte die EM mit der irrsinnigen Idee eines Handballspiels in einem Fußballstadion. Die Partie in Düsseldorf vor der Rekordkulisse von mehr als 53.000 Zuschauern entpuppte sich als Mega-Event, das die Massen elektrisierte und die Aufmerksamkeit in die Höhe trieb. Mehr als eine Million Zuschauer kamen in die Hallen der sechs Austragungsorte - auch das ist ein Rekord.

Die Begeisterung hierzulande für den Handball brachte der französische Europameister Nikola Karabatic auf den Punkt:

Sportlich glich das Finale dem langweiligsten Tipp im Vorfeld: Frankreich gegen Dänemark, die Olympiasieger von Tokio gegen die Weltmeister der letzten drei Turniere. Diese beiden Teams schweben in einer eigenen Liga über allen anderen. Gefolgt von Schweden und mit geringem Abstand der Rest.

Dazu zählt auch das deutsche Team, das den Anschluss an die absolute Weltspitze aber vor Augen hat. Bei der WM 2021 noch auf Rang zwölf, folgte ein sechster Platz bei den Olympischen Spielen in Tokio. Dann ein siebter Rang bei der EM 2022 und Platz fünf bei der WM 2023. Nun hat Trainer Alfred Gislason die Mannschaft nach zuvor fünf Turnieren ohne Halbfinale unter die Top vier geführt.

Das gelang mit vier U21-Weltmeistern aus dem Vorjahr, deren Kapitän Renas Uscins schon zum besten Spieler eines Matches ausgezeichnet wurde. Allen voran aber mit einem Spielmacher, der auch erst 23 Jahre alt ist.

Juri Knorr ist das Juwel auf der Position Rückraum Mitte, der Ideengeber, auf den Handball-Deutschland lange hat warten müssen. Ebenso wie der große Rückhalt Andreas Wolff im Tor wurde Knorr ins All-Star-Team der EM berufen.

Insgesamt hat sich das DHB-Team als feste, kämpferische Einheit präsentiert, die die Herzen der Fans einmal mehr erobert hat. Dabei spielte auch die Nahbarkeit und Offenheit der Spieler um Kapitän Johannes Golla eine große Rolle, die beispielhaft sein sollte für den Fußball, schon bei der EM in Deutschland im Sommer.

2027 wird die Handball-WM in Deutschland ausgetragen, dann wird das deutsche Team neben dem großen Potenzial auch über mehr Erfahrung verfügen, um in den großen Spielen, den entscheidenden Momenten abgezockter zu reagieren.

Die nächste Aufgabe wartet allerdings schon im März. Vom 13. März bis 17. März muss sich das Team in einem Turnier gegen Algerien, Kroatien und Österreich für die Olympischen Spiele in Paris qualifizieren.

Gegen Österreich lieferte die deutsche Auswahl das schlechteste Spiel bei dieser EM, in dem gerade noch ein Unentschieden gerettet wurde. Das alleine sollte Motivation genug sein für das erneute Duell. Gegen Kroatien gab es die einzige Niederlage in der Hauptrunde, allerdings in dem Wissen, dass das Halbfinale der EM schon geschafft war! Zwei der vier Teams qualifizieren sich für Paris.

Es war nicht das erklärte Ziel, es war der Traum, das EM-Halbfinale zu erreichen! Diesen Traum hat sich das talentierte Team bei diesem großen Fest in der Heimat erfüllt. Deshalb wird sich nach der Enttäuschung über die verpasste Bronzemedaille sehr schnell der berechtigte Stolz über das Erreichte einstellen.