Grunderbe ab 18: Was ist ein staatliches Grunderbe?

    Investieren in die Jugend:Grunderbe ab 18: Chancengleichheit stärken

    von Ute Mattigkeit und Katrin Ohlendorf
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    Die Idee klingt einfach: Zum 18. Geburtstag bekommen alle einen Geldbetrag vom Staat geschenkt - egal ob arm oder reich. Was steckt hinter der Idee eines Grunderbes?

    Kassandra, Christian und Heike mit Geldscheinen im Vordergrund
    20.000 Euro vom Staat für alle 18-Jährigen - egal, ob arm oder reich. Für mehr Chancengleichheit und Vermögensaufbau. Revolutionäre Idee oder völliger Quatsch?19.02.2024 | 42:26 min
    20.000 Euro oder sogar 50.000 Euro für alle 18-Jährigen in Deutschland - das klingt nach einem Scherz. Aber tatsächlich werden solche Vorschläge in der Wissenschaft und auch auf verschiedenen politischen Ebenen diskutiert.

    Vermögensungleichheit schlecht für Gesellschaft und Wirtschaft

    Der Hintergrund ist ernst: In kaum einem anderen Land sind Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Ein sehr kleiner Prozentsatz der Bevölkerung besitzt einen Großteil des Gesamtvermögens, während viele Menschen mit sehr begrenzten finanziellen Ressourcen auskommen müssen. Und Vermögensungleichheit bedeutet auch Chancenungleichheit, sagen Experten.
    "Wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht, wird es zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft kommen", warnt etwa Prof. Dr. Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen in München. Das nicht "nur" ökonomisch, sondern auch insgesamt im politischen Bereich: "Und das wiederum ist dann auch potenziell schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland".
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    Mehr Chancengleichheit für junge Menschen

    Die Frage der Vermögensverteilung hat demnach soziale, politische und ökonomische Sprengkraft. Was könnte der Staat dem entgegensetzen? Eine Idee: die Einführung eines staatlichen Grunderbes, also ein "Erbe" auch für die, die sonst nichts oder wenig erben würden - eine Art gesellschaftlicher "Pflichtteil" sozusagen.

    Auf großer Skala wird ein Grunderbe erst diskutiert - auf kleiner gibt es das schon. Die Stiftung "Ein Erbe für Jeden" verlost privat finanziert jedes Jahr drei Grunderben in Höhe von 20.000 Euro an 30-Jährige. Die Gewinner und Gewinnerinnen müssen das Geld drei Jahre lang anlegen, dürfen es dann aber frei verwenden. Das Ziel der Stiftung: Stärkung der Chancengleichheit.

    Konkret: Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben bekäme jeder und jede einen Betrag X ausgezahlt, den sie oder er beispielsweise für ihren Vermögensaufbau einsetzen oder in seine oder ihre Bildung investieren könnte. Je nach Vorschlag unterscheiden sich Auszahlungszeitpunkt, Betrag und auch die Auffassung, ob es Regeln dafür geben sollte, wie das Geld verwendet werden müsste.
    Florian Weiss und Stefan Bach, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, sprechen via Skype.
    Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erklärt, was hinter der Idee "Grunderbe" steckt.18.12.2023 | 6:02 min

    Vorschlag des DIW: 20.000 Euro zur Volljährigkeit

    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat für ein solches Grunderbe die Höhe von 20.000 Euro vorgeschlagen, ausgezahlt an jeden und jede zum 18. Lebensjahr. Denn: "Idealerweise macht man das in jungen Jahren, damit junge Menschen ein Startkapital ins Leben bekommen", so Dr. Stefan Bach, der als Steuerexperte beim DIW Studien zur Vermögensverteilung durchführt.
    Seinen Berechnungen zufolge würde ein solches Grunderbe, gegenfinanziert aus Erbschafts- oder Vermögenssteuer und nicht einfach ausgegeben, sondern in Vermögensaufbau investiert, die Ungleichheit in Deutschland deutlich senken.

    Die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland lässt sich schnell und effektiv nur durch Umverteilung reduzieren: indem die besitzlose Hälfte ein Grunderbe zum Vermögensaufbau erhält, das über Steuern auf hohe Vermögen finanziert wird.

    Stefan Bach, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

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    Grunderbe ist längst Thema der Politik

    Auch die Politik diskutiert verschiedene Modelle und Geldbeträge. Nach Vorstellung der Jusos der SPD etwa sollen 60.000 Euro bedingungslos an jede Person ausgezahlt werden. Die Linke schlägt 50.000 Euro vor.
    CDU und CSU wollen ein Startkapital von 10.000 Euro vom Staat einführen - für jedes neugeborene Kind in Deutschland. Das Geld soll aber nicht direkt ausbezahlt werden, sondern ist ab dem 18. Lebensjahr zum Beispiel für ein Studium oder eine Gründung gedacht.

    WISO feiert Jubiläum: Das ZDF-Magazin für Wirtschaft und Soziales ist seit 40 Jahren auf Sendung, die erste Sendung war am 3. Januar 1984 im ZDF zu sehen. Zum Start ins Jubiläumsjahr bietet das ZDF am Montag, 8. Januar 2024, um 19:25 Uhr die "WISO"-Dokumentation "Ein Erbe vom Staat? - 20.000 Euro für Jeden". Der Film von Ute Mattigkeit und Katrin Ohlendorf steht auch jederzeit in der ZDFmediathek zur Verfügung.

    Diskussion um Finanzierung und sinnvolle Verwendung

    Ganz utopisch scheint die Grunderbe-Idee also nicht. Aber es sind noch viele Fragen offen. Zum Beispiel die Finanzierung: Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer beispielsweise - wie von einigen gefordert - ließe sich nicht einfach umsetzen. Kritikerinnen und Kritiker bezweifeln außerdem, dass alle 18-Jährigen das Grunderbe auch wirklich sinnvoll im Sinne eines Vermögensaufbaus einsetzen würden.
    Und was sagen die potentiellen Empfängerinnen und Empfänger selbst? Viele Jugendliche finden die Idee gut und sagen, sie würden zumindest Teile des Betrages auch entsprechend einsetzen wollen. Andere wiederum äußern offen, dass sie das Geld für Reisen oder Konsum verwenden würden. Und sehen die Idee kritisch, weil sie der eigenen Generation nicht zutrauen, verantwortungsbewusst mit dem Geld umzugehen.

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