Sanktionen: Wie resistent ist die russische Wirtschaft?

    Folgen westlicher Sanktionen:Wie resistent ist die russische Wirtschaft?

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    Große Probleme scheint die russische Wirtschaft noch nicht durch die westlichen Sanktionen zu haben. Das kann jetzt aber noch kommen, prognostizieren Experten.

    Mercedes Autohaus in Moskau, Russland
    Besonders die Automobilbranche in Russland ist von den Sanktionen betroffen.
    Quelle: ap

    Wenige Beobachter haben die Widerstandskraft der russischen Wirtschaft gegen die massiven Sanktionen des Westens vorhergesehen. Immer wieder betonte der russische Kremlchef Wladimir Putin in den vergangenen Monaten, die internationalen Abstrafungen seien unwirksam - und würden vielmehr den Westen benachteiligten.
    Ende März ging Putin dann allerdings ein seltenes Bekenntnis über die Lippen:

    Die Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft können sich mittelfristig tatsächlich negativ auswirken.

    Wladimir Putin, Kremlchef

    Es gebe "Probleme", die "gelöst" werden müssten, sagte der Präsident in einer Ansprache im Fernsehen.
    Ist das ein Anzeichen für eine schlechte Wirtschaftslage? Oder wollte Putin Unternehmen warnen, die von ihm so bezeichneten "Entwicklungsperspektiven" im Zuge der Sanktionen nicht zu verpassen?

    Experte: Aussage von Putin ist realistisch

    "Die Beobachtungen von Putin sind eigentlich nur realistisch", sagt Arnaud Dubien, Direktor der in Moskau ansässigen Denkfabrik "L'Observatoire". Dem Russland-Experten zufolge sind die Worte des Präsidenten eine mobilisierende Botschaft an russische Unternehmen und Regierungsvertreter nach dem Motto:

    Die Situation ist besser als erwartet - aber lassen Sie nicht nach, finden Sie weiterhin Alternativen.

    Arnaud Dubien, Russland-Experte

    Laut Alexandra Prokopenko, einer Ex-Mitarbeiterin der russischen Zentralbank, richten sich die Worte Putins an Unternehmen, die besonders von den Sanktionen betroffen sind. Die Botschaft: "Ihr und Eure Geschäfte seid nur unter meiner Aufsicht sicher. Es gibt kein Zurück mehr in eine Zeit vor dem Februar 2022."
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    Bestimmte Branchen in Russland besonders von Sanktionen betroffen

    Russlands Wirtschaft kämpft mit einer ganzen Reihe von Problemen, darunter rückläufige Gasexporte, ein Mangel an Arbeitskräften und Engpässe in Lieferketten. Der Rubel rutschte im Wert ab, zudem stockt das Tourismusgeschäft.
    Verluste auf den europäischen Märkten wie beispielsweise beim Zugang zu Technologie will Moskau über verstärkte Kooperationen insbesondere mit China und Indien ausgleichen.
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    Branchen wie die Automobilindustrie wurden besonders hart von den Sanktionen getroffen. Der russische Autobauer Awtowas meldete etwa, einige ausländische Zulieferer hätten ihre Lieferungen eingestellt, "die ununterbrochene Produktion von Fahrzeugen" werde daher ab der zweiten Mai-Hälfte "unmöglich".
    Auch die "Finanzinfrastruktur" ist nach Angaben von Sergej Ziplakow, Wirtschaftsprofessor an der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften, ein Opfer der Sanktionen: Die zweitgrößte Bank des Landes, VTB, wies erst am Mittwoch einen Verlust von umgerechnet sieben Milliarden Euro für 2022 aus. Durch Sanktionen war das Institut vom internationalen Bezahlsystem Swift abgeschnitten worden.

    Beobachter rechnen mit mehr Problemen für Russland

    Vor diesem Hintergrund rechnen viele Beobachter damit, dass die eigentlichen Herausforderungen erst in den kommenden Monaten auf Russlands Wirtschaft zukommen. "Es gibt für das Jahr 2023 keine Hinweise darauf, dass Russland wie im vergangenen Jahr zusätzliche Einnahmen über sein Öl verzeichnen wird", sagt Prokopenko.
    Tatsächlich gaben die russischen Ölerlöse laut der Internationalen Energie Agentur im Februar bereits um 42 Prozent nach - und bis viel mehr Gas nach Asien geliefert werden kann, muss erst die Infrastruktur dafür stehen.
    "Es braucht Zeit, sich anzupassen, neue Partner zu finden und Beziehungen aufzubauen", resümiert Prokopenko. Laut Dubien ist die ökonomische Stabilität Russlands "zum jetzigen Zeitpunkt" aber noch nicht gefährdet:

    Russland kann seine Kriegsanstrengungen noch drei bis vier Jahre finanzieren.

    Alexandra Prokopenko, Ex-Mitarbeiterin russischer Zentralbank

    Das Land habe aber schon seit 2014 ein Jahrzehnt wirtschaftlichen Fortschritts verloren - "jetzt könnte ein zweites folgen".
    Quelle: AFP
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