Homeoffice: Etabliert, aber weiter umstritten

    Mobiles Arbeiten:Homeoffice: Etabliert, aber weiter umstritten

    Frank Bethmann berichtet von der Frankfurter Börse
    von Frank Bethmann
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    Arbeiten von zuhause hat sich etabliert. Unumstritten ist es nicht. Mehr Büropräsenz fordern Chefs. Mehr Flexibilität möchten Beschäftige. Und sitzen derzeit am längeren Hebel.

    Archiv: Eine Frau sitzt am 24.10.2017 in Rattelsdorf (Bayern) auf der Couch ihrer Wohnung und arbeitet am Laptop
    Eine Frau arbeitet am Laptop in ihrer Wohnung
    Quelle: dpa

    Corona hat gezeigt: Arbeiten von zu Hause funktioniert. Knapp vier Jahre nach Pandemiebeginn bröckelt jedoch die Zustimmung von Seiten vieler Unternehmen.
    VW-Konzernchef Oliver Blume beispielsweise mache keinen Hehl daraus - heißt es aus seinem Umfeld - dass er die Teams wieder stärker ins Büro holen möchte. Allein steht er damit nicht. Viele Konzerne haben längst Richtlinien festgelegt, wie oft Mitarbeitende maximal noch von daheim arbeiten dürfen.

    Ein paar Tage Büro, ein paar Tage daheim

    Vollständig jedoch lässt sich das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen.

    Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben.

    Annina Hering, Ökonomin

    "Das Modell der Zukunft", ergänzt sie, "wird ein Hybrides sein", sagt Annina Hering, Ökonomin bei der Stellenplattform indeed. Dort beschäftigt sie sich damit, wie die Arbeit von morgen aussehen wird.
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    Ein paar Tage im Büro, ein paar Tage zuhause, davon ist auch die Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability, Jutta Rump, überzeugt. Auch sie forscht zu dem Thema.

    Die entscheidende Frage ist, in welchem Maß, in welchen Verhältnis?

    Jutta Rump, Wirtschaftsprofessorin

    Und genau an der Stelle befindet sich Deutschland gerade im Praxistest. Es geht darum: "Was würde ein Arbeitgeber unter diesen Rahmenbedingungen denn gerne anbieten? Und was würden die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gerne haben wollen?", führt sie aus.

    Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen

    Die Rahmenbedingungen, die Rump anspricht, haben sich geändert. Viele Unternehmen suchen trotz Wirtschaftsflaute händeringend neue Mitarbeiter oder versuchen, ihre Belegschaft bei Laune zu halten. Homeoffice spielt dabei eine zentrale Rolle, sagt Hering - und verweist auf eine aktuelle Auswertung der Suchanfragen der Jobsuchenden bei indeed. Der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen und hybridem Arbeiten sei dabei erkennbar auf dem Vormarsch.

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    Frau arbeitet im Homeoffice an einem sibernen Laptop.
    mit Video
    So etwas anzubieten, sagt Rump, sei inzwischen ein Muss, wenn man ein attraktiver Arbeitgeber sein möchte. Es gäbe mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen - manche davon habe ihr Institut gemacht - sagt die Forscherin, die belegten:

    Zwei Drittel der befragten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen würden den Arbeitgeber verlassen, wenn der Arbeitgeber ihnen kein Angebot zur mobilen Arbeit macht, wenn die Tätigkeit es zulässt.

    Jutta Rump, Wirtschaftsprofessorin

    Kritik: Kreativität und Produktivität leiden

    Die Frage der richtigen Balance aber ist schwierig. Elon Musk, der streitbare Tesla-Chef, bürstet dagegen. Es gäbe natürlich Firmen die Anwesenheitspflicht nicht brauchten: "Aber wann haben die zuletzt ein tolles neues Produkt gebracht?"
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    Tatsächlich sind persönliche Treffen und spontanes Brainstorming wichtige Erfolgsfaktoren. Kreativität und Produktivität würden unter Homeoffice leiden, argumentieren die Kritike. Und haben damit nicht unrecht, auch das belegen Studien. Unstrittig findet Hering:

    Natürlich ist es für kreatives Arbeiten gut, aus den eigenen vier Wänden rauszukommen und dass man sich als Team trifft.

    Annina Hering, Ökonomin

    Aus ihrer Sicht aber spricht das nicht grundsätzlich gegen Homeoffice.
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    Mobiles Arbeiten benötigt anderen Führungsstil

    Damit das mit dem Homeoffice funktioniert, sagt Rump, müssten die direkten Vorgesetzten, die Teamleiter, bei diesem Wandel unterstützt werden. Denn hybrides Arbeiten hänge ganz entscheidend von der Führung ab:

    Wenn ich den Führungsstil weiter praktiziere, den ich in der Präsenz hatte, dann werde ich in der Distanz tatsächlich zu diesen Produktivitätsverlusten kommen.

    Jutta Rump, Wirtschaftsprofessorin

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    Rump weiter: "Dann werde ich dazu kommen, dass die Prozesse nicht mehr richtig funktionieren. Auch die Motivation geht den Bach runter." Den Führungsstil anpassen - "führen auf Distanz" nennt das die Wirtschaftsprofessorin - sei zwingend notwendig für den künftigen Unternehmenserfolg.

    Über Homeoffice mehr Arbeitskräfte finden

    Indeed-Forscherin Hering, selbst überwiegend im Homeoffice tätig, lenkt die Aufmerksamkeit noch auf einen anderen Punkt. Mit Homeoffice werden Bevölkerungsgruppen angesprochen, die eine besonders hohe Flexibilität benötigen, nämlich Eltern und Personen, die andere pflegen.
    Da es sich hierbei häufig um Frauen handelt, können diese flexiblen Arbeitsmodelle die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern, was vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein nicht zu vernachlässigendes Argument sei und ihre Eingangsthese stützen soll: "Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben."
    Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Börsenstudio in Frankfurt.

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