Einigung in letzter Sekunde – wie teuer wird´s fürs Land?

Fakten-Box | 14. Dezember 2023

• Einigung über Haushalt 2024

  

  Die Ampel-Koalition hat nach wochenlangem Ringen eine Lösung gefunden, um die Lücke von 17 Milliarden Euro im Haushalt 2024 zu schließen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von schwierigen Abwägungen, nannte es aber einen guten Kompromiss. Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November dieses Jahres müsse die Bundesregierung „mit deutlich weniger Geld auskommen“, sagte Scholz, die Koalition halte aber an ihren zentralen Zielen fest: „Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes voran, wir stärken den sozialen Zusammenhalt und wir stehen weiter eng an der Seite der Ukraine.“
  
  Scholz hatte mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) in den vergangenen Tagen intensiv um eine Lösung gerungen. Am Dienstagvormittag waren die drei erneut im Kanzleramt zusammengekommen, nachdem sie ihr Gespräch in der Nacht zuvor vertagt hatten. Später holten sie die Ampel-Fraktionschefs dazu, gingen selbst in ihre Fraktionen und zogen sich dann wieder im kleinen Kreis ins Kanzleramt zurück. Am Ende war nochmal eine Nachtsitzung nötig. Die Einigung wurde am frühen Mittwochmorgen vermeldet, gerade rechtzeitig, damit Scholz um 13 Uhr seine Regierungserklärung abgeben und zum EU-Gipfel nach Brüssel abreisen konnte.
  
  Die Einigung sieht ein Bündel von Maßnahmen aus Einsparungen und Subventionsabbau vor. Die Schuldenbremse soll zunächst eingehalten werden – allerdings schloss Scholz eine erneute Aussetzung nicht aus, sollte sich die militärische oder finanzielle Situation der Ukraine im kommenden Jahr deutlich verschlechtern. Er nannte dabei die Lage an der Front oder das Zurückfahren von Ukraine-Hilfen durch andere bisherige Unterstützer.
  
  Von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) kam scharfe Kritik: Anders als vom Bundeskanzler dargestellt sei schon jetzt klar, dass die Schuldenbremse spätestens Mitte des kommenden Jahres abermals ausgesetzt werden müsse, sagte Merz im Bundestag im Anschluss an die Regierungserklärung des Kanzlers. „Sie wissen, dass Sie nicht einhalten können, was Sie heute hier zugesagt haben.“ Es handle sich um die „übliche Trickserei“. Merz forderte den Bundeskanzler auf, zu Beginn des kommenden Jahres im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. AfD-Chef Tino Chrupalla warf der Koalition ein Komplettversagen in der Wirtschaftspolitik vor. „Wie dieses Land kaputtgewirtschaftet wird, das gab es seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie“, sagte Chrupalla.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: dpa

• Einsparungen und Subventionsabbau

  

  Die Bundesregierung hat sich auf einen Bundeshaushalt 2024 verständigt, der massive Einsparungen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) und ein weitgehendes Festhalten an der Schuldenbremse vorsieht. Die in der Nacht auf Mittwoch erzielte Einigung beschert Bürgern und Wirtschaft höhere Belastungen.
  
  Der CO2-Preis soll 2024 auf das von der Vorgängerregierung geplante Niveau von 45 Euro pro Tonne steigen, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei einem gemeinsamen Pressetermin mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte. Das sind fünf Euro mehr als bisher geplant. Außerdem soll Flugbenzin besteuert werden und ein Milliarden-Zuschuss zu den Strom-Netzentgelten entfallen. Laut Habeck soll zudem die Umweltprämie, also die Förderung für E-Mobile, früher auslaufen als geplant. Wann, sagte er nicht.
  
  Die Industrie soll auf der anderen Seite – wie im November angekündigt – Strompreis-Entlastungen erhalten. „Das Strompreispaket kommt, also die Strompreiskompensation und die Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe“. Unter anderem soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß für die Wirtschaft reduziert werden. 350 besonders energieintensive Betriebe sollen zusätzlich nochmals Hilfen erhalten. Gesichert sei zudem die Unterstützung für Stahl- oder Chemieindustrie bei der Umstellung auf Wasserstoff.
  
  Lindner zufolge werden umweltschädliche Subventionen im Umfang von insgesamt drei Milliarden Euro abgebaut. Weitere 1,5 Milliarden Euro sollen laut Lindner im Bereich des Arbeitsmarkts eingespart werden – etwa über die bessere Arbeitsvermittlung von Geflüchteten aus der Ukraine.
  
  Beim Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem Projekte der Energiewende finanziert werden, werden im kommenden Jahr 12,7 Milliarden Euro gekürzt. Bis 2027 sollen insgesamt 45 Milliarden Euro wegfallen. Damit bliebe aber „immer noch ein sehr hohes Gesamtvolumen“ von insgesamt 160 Milliarden Euro in dem Fonds, betonte der Kanzler.
  
  Die Modernisierung der Bahn soll nun nicht mehr aus dem KTF finanziert werden. Hier gehe die Koalition „kreative Wege“, erklärte Lindner. Die Regierung wolle Privatisierungserlöse von nicht benötigten Bundesbeteiligungen „teilweise nutzen, um die Bahn zu stärken.“ 
  
  Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nannte es eine „gute Nachricht“, dass ihr Ressort nicht von Kürzungen betroffen sei. Projekte etwa des Kinder- und Jugendplans könnten damit „in dem bisher geplanten Umfang“ weitergefördert werden.
  
  Bei den Bundeshilfen für die Bewältigung der Flutkatastrophe im Ahrtal soll eine Ausnahme von der Schuldenregel geprüft werden. Scholz verwies darauf, dass die Kreditobergrenzen zur Bewältigung von Naturkatastrophen angehoben werden könnten. Im kommenden Jahr gehe es dabei um einen Betrag von 2,7 Milliarden Euro. Finanzminister Lindner sagte, diese Summe sei „nicht angetan, die Statik des Bundeshaushaltes zu gefährden „. Die Koalition wolle „das Gespräch auch mit der CDU/CSU-Fraktion suchen, um einen Weg zu finden, hier Rechtssicherheit zu geben“.
  
  Habeck als Verhandlungsführer der Grünen zeigte sich zufrieden. Mit der erzielten Einigung werde die Balance gehalten von sozialer Sicherheit, Impulsen für wirtschaftliche Erneuerung und dem Schutzversprechen für die Ukraine. Fördermittel für die Wasserstoffwirtschaft, Dekarbonisierung der Industrie, zur Finanzierung der EEG-Umlage aus dem Etat und für den klimafreundlichen Heizungstausch blieben bestehen. Auch bei den zweistelligenMilliarden-Hilfen für die Ansiedelung von Chip-Fabriken bleibt es.
  
  Mit der Einigung beendet die Koalition eine wochenlange Hängepartie. Der Etat für 2024 stand bereits vor der abschließenden Beratung, als das Bundesverfassungsgericht mit einem Urteil am 15. November alle Planungen durchkreuzte. Das Gericht erklärte eine Umwidmung von 60 Milliarden Euro an Corona-Kreditermächtigungen zugunsten von Klimafördermaßnahmen als verfassungswidrig. Dadurch fehlte der Koalition Geld für bereits zugesagte Vorhaben. SPD und Grüne forderten daher eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse, die FDP war dagegen und setzte sich damit vorerst durch.
  
  Die Einigung der Koalitionäre muss als Haushaltsgesetz noch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Das ist in diesem Jahr wegen der Beratungszeiten nicht mehr zu schaffen.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

• Unterschiedliche Reaktionen

  

  Wirtschaft und Sozialverbände bewerten die Einigung der Ampel auf einen Haushalt 2024 unterschiedlich. Der Verband der Automobilindustrie kritisierte das frühere Auslaufen der Elektro-Auto-Förderung. VDA-Präsidentin Hildegard Müller spricht von einer Fehlentscheidung, durch die das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel in Gefahr komme, die Zahl der Elektroautos in Deutschland bis 2030 auf 15 Millionen zu steigern.
  
  Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger bezeichnete es als „verpasste Chance“, nachhaltige Strukturreformen anzuschieben. „Die gute Nachricht: es wurde entschieden und alle politisch Verantwortlichen haben Kompromisse gemacht.Jede Nicht-Entscheidung wäre noch schlechter für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Arbeitsplätze gewesen.“
  
  Der Verbraucherzentrale Bundesverband sprach von einer„Schieflage zulasten der Verbraucherinnen“ durch die steigende CO2-Bepreisung. Während die Industrie weiterhin von einer Stromsteuersenkung profitieren solle, würden Verbraucher durch die durch die um fünf Euro verteuerte CO2-Bepreisung beim Heizen und Tanken stärker belastet werden. „Die Menschen erwarten hier zurecht einen Ausgleich über das Klimageld“, sagte vzbv-Vorständin Ramona Pop.
  
  Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht Licht und Schatten in dem geplanten Etat. „Das ist ein hartes Sparpaket, das Wirtschaft und Verbraucher schwer belasten wird“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Für die mittelfristige Planung von Investitionen in die Klimaneutralität der Industrie sei es ein positives Signal, dass die Finanzierung der Klima- und Transformationsprogramme in wesentlichen Bereichen fortgeführt werde. „Dies schafft zunächst einmal Planungs- und Rechtssicherheit für die verunsicherten Unternehmen“, sagte der Industriepräsident.
  
  Die Hersteller von Kunststoffverpackungen und -folien warnen vor einer Mehrbelastung von Wirtschaft und Verbrauchern durch die geplante Plastikabgabe. Die Spitzen der Ampel-Koalition hatten sich in ihren Haushaltsberatungen darauf verständigt, klimaschädliche Subventionen im Umfang von drei Milliarden Euro abzubauen. Davon entfallen 1,4 Milliarden auf EU-Abgaben für Plastikabfall, die statt aus dem Haushalt künftig von den Herstellern oder dem Handel gezahlt werden sollen.
  
  „Eine Plastikabgabe würde von den Unternehmen an die Verbraucher in Form höherer Produktpreise weitergereicht. Das heißt, die Verbraucher zahlen die Abgabe an der Ladenkasse“, sagt Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, mit Blick auf entsprechende Pläne der Ampel.
  
  Die Caritas begrüßte die Einigung grundsätzlich. Das Versprechen, die sozialen Standards nicht zu reduzieren, müsse heißen, dass die soziale Infrastruktur weiterhin verlässlich finanziert werde, erklärte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Es sei unabdingbar, dass für die angekündigte Anhebung des CO2-Preises, die eine wirksame Klimapolitik befördere, soziale Ausgleichsmaßnahmen gefunden würden. Gefordert sei mehr denn je eine nachhaltige Klimasozialpolitik.
  
  Der Sozialverband VdK kritisierte die angekündigten Einsparungen bei Sozialausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärte, wer am Sozialen spare, sende keine Botschaft für Zusammenhalt und für echte Armutsbekämpfung. Ob Geflüchtete aus der Ukraine nun durch treffsichere Maßnahmen dem Arbeitsmarkt schneller zur Verfügung stehen könnten und so Einsparungen möglich seien, sei eine ungewisse Wette auf die Zukunft.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: imago images

• Haushalt mit Schuldenbremse

  

  Der Streit innerhalb der Ampel-Parteien drehte sich auch um die Frage, ob für die geplanten Ausgaben erneut die Schuldenbremse ausgesetzt werden muss. Sie ist gesetzlich verankert und erlaubt dem Bund nur eine begrenzte Neuverschuldung. Für das kommende Haushaltsjahr 2024 haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) verabredet, die Schuldenbremse nicht auszusetzen, allerdings schloss der Kanzlererneute Ausnahmen nicht aus.
  
  Zusätzliche Kosten, die nicht über den regulären Haushalt finanziert werden können und dahernoch nicht abgesichert sind, sind der Aufbaufonds für die Schäden im Ahrtal durch die Flutkatastrophe 2021 sowie eine stärkere Unterstützung der Ukraine für den Fall, dass andere bisherige Unterstützerländer ihre Finanzhilfen zurückfahren. Hiermit könnte Scholz die USA gemeint haben, deren Ukraine-Hilfe in Höhe von 61 Milliarden Dollar von den Republikanern im Kongress blockiert wird.
  
  Was den Aufbaufonds für das Ahrtal angeht, ist das Sondervermögen im Jahr der Katastrophe 2021 eingerichtet worden, es muss nun aber durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts jedes Jahr neu beschlossen werden. Für das laufende Jahr liegt dem Bundestag ein entsprechender Antrag vor, der an diesem Freitag entschieden werden soll. Für das kommende Jahr 2024 geht es um 2,7 Milliarden Euro, die die Bundesregierung ebenfalls mit einem Notlage-Beschluss gemäß Artikel 115 des Grundgesetzes absichern „möchte“, erklärte der Kanzler am Mittwoch vor der Presse. „Dazu läuft notwendigerweise eine vertiefte Prüfung“, sagte Scholz. „Wir werden auf die größte Oppositionspartei zugehen und um deren Unterstützung für diesen Schritt werben.“
  
  Die Werbung scheint jedoch auch innerhalb der eigenen Regierungskoalition nötig, denn Widerstand kommt aus der FDP. Der Haushaltspolitiker Frank Schäffler lehnt es ab, zur Finanzierung der Hochwasserhilfen von der Notlagen-Klausel der Schuldenbremse Gebrauch zu machen. „Klar ist: Die Ahrtal-Katastrophe lässt einen erneuten Notlagenbeschluss für 2024 nicht zu“, sagte Schäffler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Dies sei das Ergebnis bisheriger Anhörungen im Haushaltsausschuss des Bundestages. Die Hilfen für Bürgerinnen und Bürger sowie für Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die von der Flutkatastrophe im Sommer 2021 betroffen waren, müssten im regulären Haushalt gegenfinanziert werden, verlangte Schäffler stattdessen.
  
  Die Unterstützung für die Ukraine will die Ampel aus dem Regelhaushalt finanzieren. Dazu zählen acht Milliarden Euro für Waffenlieferungen und Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt sowie voraussichtlich sechs Milliarden Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland. Bei der Ukraine-Hilfe ließ sich die Ampel jedoch eine „Notlage“-Tür offen. Scholz sagte: „Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil sich die Lage an der Front verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren, oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen.“ Deshalb sei verabredet, für einen solchen Fall dem Bundestag einen „Überschreitungsbeschluss“ vorzuschlagen. Das aber heißt nicht anderes, als die gesetzliche Schuldenbremse erneut auszusetzen.
  
  Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Friedrich Merz, kritisierte diese Ankündigung als „Trickserei“, weil die Ampel nur vorgebe, die Schuldenbremse einzuhalten, um gleichzeitig ihre Aussetzung vorzubereiten. Finanzminister Lindner reagierte auf den Vorwurf am selben Abend im ZDF: „Die Lage wird dann bewertet, wenn sie da wäre. Gegenwärtig benötigen wir das nicht.“
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: IMAGO

• Vorläufige Haushaltsführung

  

  Trotz der Einigung auf einen Haushalt für 2024 muss die Regierung mit einer vorläufigen Haushaltsführung in das neue Jahr starten. Eine Staatskrise gibt es deshalb aber nicht, weil der Haushalt in weiten Teilen einfach weiter läuft. Der Finanzminister hat aber bei bestimmten Ausgaben ein Einspruchsrecht. Diese Situation ist nicht ungewöhnlich. Sie tritt zum Beispiel in Wahljahren ein, wenn eine im Herbst neugewählte Bundesregierung ihren Etat für das erste Regierungsjahr ebenfalls erst nach dem Jahreswechsel aufstellt.
  
  Da die Verhandlungen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) über einen neuen Bundeshaushalt bis Mittwoch dieser Woche gedauert haben, kann der Bundestag nicht mehr in diesem Jahr abschließend über den Etat 2024 entscheiden. Selbst eine zusätzliche, außerordentliche Sitzungswoche in diesem Jahr hätte nicht mehr ausgereicht, um ein Haushaltsgesetz zu beraten, zu bereinigen und zu beschließen.
  
  Das Grundgesetz gibt zwar vor, dass der Etat grundsätzlich vor Beginn eines neuen Haushaltsjahres aufgestellt sein muss. Doch auch ohne Etat bleibt der Bund finanziell weitgehend handlungsfähig. Das Grundgesetz macht in allgemeiner Form Vorgaben für die sogenannte vorläufige Haushaltsführung. Ziel ist es, dass der Bund bestehende Verpflichtungen weiter erfüllen kann, das heißt, es bleiben Ausgaben zulässig, die nötig sind, „um gesetzlich bestehende Einrichtungen und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen.“
  
  Es droht kein „Government Shutdown“ wie in den USA. DieBeschäftigten in Ministerien und Behörden bekommen weiter ihre Bezüge – in voller Höhe. Auch staatliche Leistungen wie Bürger- oder Elterngeld können weiter ausgezahlt werden. Aber zusätzliche, neue Verpflichtungen dürfen vorerst nicht eingegangen werden. Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben, die auf bestehenden Verträgen oder Gesetzen beruhen, kann das Bundesfinanzministerium unter bestimmten Umständen genehmigen. Für Förderprogramme, die bereits länger laufen, galt zuletzt bei vorläufiger Haushaltsführung eine Ausgabenbremse. Es durften nicht mehr als 45 Prozent des bisher veranschlagten Volumens fließen.
  
  Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, warnt vor den Folgen einer sich abzeichnenden vorläufigen Haushaltsführung. Lilie erklärte, sie sei „in der Praxis höchst problematisch“. Wenn die Mittel nicht flössen, die für 2024 in Aussicht gestellt worden seien, könnten Stellen nicht besetzt oder nur unter Vorbehalt verlängert werden. Für kleine Projekte gehe es um die Existenz: „Träger steigen aus Programmen aus und qualifizierte Fachkräfte gehen verloren.“ Dies betreffe zum Beispiel Migrationsdienste. Auch im Bundesfreiwilligendienst könnten derzeit keine neuen Verträge ausgestellt werden.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: Reuters