Ukraine-Krieg: Eisenbahnen als Schlüssel-Logistik der Russen

    Brücke von Kertsch:Eisenbahn: Schlüssel-Logistik der Russen?

    von Christian Mölling und András Rácz
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    Eisenbahnnetze sind der Schlüssel russischer Logistik, denn Lastkraftwagen sind Mangelware - ein erfolgreicher Angriff würde massive militärische Nachteile für Moskau bringen.

    Russische Rekruten am Zug
    Das russische Eisenbahnnetz spielt für Moskau eine wichtige Rolle im Angriffskrieg gegen die Ukraine.
    Quelle: AP

    Ähnlich wie in der Sowjetunion und auch im Russischen Reich stützt sich die Logistik der heutigen russischen Armee auf den Eisenbahnverkehr. Die Gründe dafür sind vielfältig:
    Erstens war die Eisenbahn aufgrund der schieren Größe, des rauen Klimas und der dürftigen Infrastruktur des Landes schon immer das wichtigste Transportmittel innerhalb Russlands. Die Streitkräfte bilden da keine Ausnahme.
    Zweitens macht die Größe der Streitkräfte die Abhängigkeit von der Eisenbahn erforderlich: Es gab keine andere Möglichkeit, Zehntausende oder Hunderttausende von Soldaten über größere Entfernungen zu transportieren.



    Drittens hat sich Russland immer darauf vorbereitet, an mehreren Fronten zu kämpfen, und die Eisenbahn ermöglichte die schnelle Verlegung von Truppen von einer Front zur anderen, von West nach Ost und so weiter.
    Viertens war die industrielle Basis nie in der Lage, eine ausreichende Anzahl von Militärlastwagen zu produzieren, um die Eisenbahn zu ersetzen. Der sowjetischen und der russischen Armee hat es immer an geeigneten Militärlastwagen gefehlt. Während des Zweiten Weltkriegs lieferten die USA Hunderttausende von Militärlastwagen an die Sowjetunion, um der Roten Armee zumindest eine gewisse mechanisierte Mobilität zu ermöglichen.
    Die sowjetische beziehungsweise russische Armee zog es daher stets vor, Offensivoperationen entlang von Eisenbahnlinien durchzuführen, um einen ununterbrochenen Logistikfluss zu gewährleisten.
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    Die wichtige Rolle der Eisenbahntruppen

    Die entscheidende Bedeutung der Eisenbahn wird auch durch die Existenz der so genannten Eisenbahntruppen deutlich, die einen eigenen Teil der russischen Landstreitkräfte bilden. Sie sind auf die Instandhaltung und den Betrieb des Eisenbahnnetzes für militärische Zwecke spezialisiert, gegebenenfalls auch auf dessen Schutz und Instandsetzung.
    Die russische Armee zieht es vor, den Nachschub mit der Eisenbahn so nah wie möglich an die Frontlinie zu bringen und Lkw nur in den allerletzten Abschnitten der Versorgungskette einzusetzen. Dadurch kann sie die Logistik mit einer viel geringeren Anzahl von Lastwagen betreiben als die entsprechenden westlichen Einheiten.
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    So verfügt eine russische Brigade beispielsweise über etwa dreimal weniger Lastwagen als eine US-Brigade. Im gegenwärtigen Krieg sind nicht nur Lastwagen, sondern auch ausgebildete Fahrer und sogar Reifen Mangelware.
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    Warum ist die Kertsch-Brücke so wichtig

    Der Betrieb einer solchen Logistik hängt jedoch in hohem Maße von der Verfügbarkeit und dem Funktionieren der Eisenbahnlinien ab. Dies führt zur entscheidenden Bedeutung der Kertsch-Brücke. 
    Derzeit sind die auf der Krim stationierten russischen Streitkräfte sowie die in der besetzten Region Cherson und in Teilen der Region Saporischschja kämpfenden Einheiten auf Nachschub von der Krim aus angewiesen. Der Grund dafür ist, dass es zwar eine Eisenbahnlinie gibt, die die besetzte Region Saporischschja von Osten nach Westen durchquert, die aber in Reichweite der ukrainischen Langstreckenartillerie in Donezk und auch in Tokmak liegt.
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    Partisanen erschweren Eisenbahn-Nutzung

    Außerdem sind die ukrainischen Partisanen in der Region Saporischschja sehr aktiv, was die Nutzung dieser Eisenbahnlinie weiter erschwert. Tatsächlich war die vollständige Unterbrechung dieser Eisenbahnlinie eines der Ziele der gescheiterten ukrainischen Gegenoffensive im letzten Sommer.
    Da die Nutzung der Eisenbahnverbindung durch die Region Saporischschja riskant ist, ist die Brücke von Kertsch, insbesondere ihr Eisenbahnbrückenteil, ein wichtiger Bestandteil der russischen Versorgungsleitungen. Obwohl die Eisenbahnlinie bei den ukrainischen Angriffen auf die Brücke im Oktober 2022 beschädigt wurde, gelang es Russland, ihre Funktionsfähigkeit weitgehend wiederherzustellen.
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    Verlust von Schiffen stärkt Bahn-Bedeutung

    Die Bedeutung der Brücke hat weiter zugenommen, seit es der Ukraine gelungen ist, vier große russische Landungsschiffe auf der Krim zu versenken oder schwer zu beschädigen. Moskau nutzte diese Schiffe als Fähren zwischen dem russischen Festland und der besetzten Krim, um militärische und andere Güter zu transportieren.
    Da die Ukraine mit ihren Angriffen auf diese Schiffe jedoch sehr erfolgreich war, hat Moskau die Verwendung der verbleibenden Landungsschiffe als Fähren eingeschränkt, was bedeutet, dass die zuvor von ihnen transportierten Lieferungen nun über die Kertsch-Brücke befördert werden müssen.
    Sollte die Brücke beschädigt werden, würde dies die Versorgungslage der auf der Krim und entlang des Flusses Dnipro stationierten russischen Streitkräfte äußerst kompliziert machen.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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