Bachmut: Söldner-Chef verspottet russische Militärführung

    Ukraine rückt in Bachmut vor:Ist das die lang erwartete Großoffensive?

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    Die Ukraine rückt in Bachmut offenbar weiter vor. Söldner-Chef Prigoschin ist alarmiert. Beginnt damit die Großoffensive der Ukraine?

    Ukrainische Soldaten feuern eine Kanone auf russische Stellungen
    Bachmut: Ukrainische Soldaten feuern eine Kanone auf russische Stellungen.
    Quelle: dpa

    Bei den in Bachmut kämpfenden russischen Truppen herrscht nach Darstellung eines Kriegskorrespondenten des russischen Staatsfernsehens höchste Alarmstufe. Wegen der ukrainischen Angriffserfolge an den Flanken der in der Stadt kämpfenden Söldnertruppe Wagner drohe eine umfassende Einkesselung, schrieb Jewgeni Poddubny auf Telegram. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte zuvor mehrfach vor einer drohenden Einkesselung aufgrund ungesicherter Flanken gewarnt.
    Der ukrainische Armeesprecher Serhij Tscherewatyj berichtete von verzweifelten Versuchen der russischen Einheiten, das weitere Vordringen der Ukrainer mit massiven Artillerieschlägen und Luftangriffen aufzuhalten.
    Ukrainische Soldaten bei Bachmut
    Das ukrainische Militär meldet, bei Bachmut eine russische Brigade in die Flucht geschlagen zu haben. Zuvor hatte Wagner-Chef Prigoschin erklärt: "Unsere Armee ist auf der Flucht."10.05.2023 | 2:28 min

    Kiew bestätigt ukrainischen Erfolg - Moskau dementiert

    Auch andere russische Kriegsreporter und Militärblogger hatten zuletzt über erfolgreiche Angriffe der ukrainischen Truppen bei Bachmut berichtet und über den Beginn der lang erwarteten Gegenoffensive Kiews spekuliert.
    Während das russische Verteidigungsministerium Berichte über einen Durchbruch ukrainischer Truppen bei Bachmut noch dementierte, bestätigte Kiew den Erfolg - zuerst das Verteidigungsministerium, später auch Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst.

    Wir haben den Bericht von General Olexander Syrskyj gehört, dessen Einheiten mit übermächtigen Anstrengungen den Feind aufgehalten und sogar an einigen Abschnitten zurückgeworfen haben.

    Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident

    08.05.2023, Ukraine, Marjinka: Zwei ukrainische Soldaten unterhalten sich in der Nähe von Marjinka, in der Region Donezk im Osten des Landes
    Angriffe der russischen Armee trafen mehrere Regionen: Kiew, Odessa und, laut ukrainischer Seite, gab es heftige Attacken auf die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut.08.05.2023 | 2:39 min

    Westen von Bachmut schwer umkämpft

    Nach Angaben aus Kiew wurden zwei Kilometer Gebiet zurückerobert. Die russische Seite habe "erhebliche Verluste" erlitten, erklärte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar am Freitag in Onlinenetzwerken. Die Ukraine habe hingegen in Bachmut seit Wochenbeginn "keine einzige Stellung aufgegeben".
    ZDFheute konnte die Kämpfe im Westen Bachmuts nachvollziehen, anhand von Daten der Nasa, die auf einer Landkarte verzeichnet, wo aktuell Feuer ausgebrochen sind. Insbesonder die Gegend um die Berufsschule war offenbar in den vergangenen Tagen schwer umkämpft, Videos bei Twitter sollen ukrainische Soldaten zeigen, die das Gelände eingenommen haben.
    Wagner-Chef Prigoschin vor Ukrainekarte
    Prigoschin macht den Kreml für massive Verluste verantwortlich und droht mit Konsequenzen. ZDFheute live spricht darüber mit Ex-NATO-General Ramms und Russland-Expertin Klein.05.05.2023 | 27:01 min

    Wagner-Chef verspottet russischen Minister mit Einladung

    Wagner-Chef Prigoschin lud unterdessen Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zur Lageeinschätzung in die umkämpfte Stadt Bachmut:

    In Anbetracht der schwierigen operativen Lage und Ihrer langjährigen Kampferfahrung bitte ich Sie, nach Bachmut zu kommen, das unter Kontrolle russischer Militäreinheiten ist, und selbständig die Lage einzuschätzen.

    Wagner-Chef Prigoschin in einem offenen Brief an Schoigu

    Der offene Brief an den Minister wurde auf dem Telegram-Kanal von Prigoschins Pressedienstes veröffentlicht. Das Verhältnis zwischen Prigoschin und Schoigu gilt als angespannt.
    Der Söldnerchef beklagte sich in der Vergangenheit mehrfach öffentlich über die seiner Ansicht nach fehlende Unterstützung seitens des Verteidigungsministeriums - und griff dabei Schoigu auch persönlich an. Auch die Einladung kann als Spott verstanden werden - vor allem der ironische Einschub mit der "langjährigen Kampferfahrung". Schoigu hat zwar den Titel eines Armeegenerals, diente aber nie bei den Streitkräften, was russische Militärblogger mehrfach kritisierten.
    Russlands Präsident Wladimir Putin, aufgenommen am 09.05.2023 in Moskau (Russland)
    Vor Tausenden Soldaten rechtfertigt Russlands Präsident Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine. Russland wolle den Donbass "beschützen" und den "Terrorismus zurückschlagen". 09.05.2023 | 1:28 min

    Prigoschin gehen die Kämpfer aus

    Das Problem der russischen Angreifer besteht darin, dass sie monatelang frontal gut befestigte Verteidigungsanlagen gestürmt und dabei hohe Verluste auf eigener Seite in Kauf genommen haben. Prigoschins Sturmtrupps bestehen zum Teil aus russischen Strafgefangenen, die oft rücksichtslos geopfert wurden.
    Dass Prigoschin reguläre Einheiten an seinen Flanken braucht, liegt auch daran, dass ihm die eigenen Männer ausgehen. Doch diese Einheiten sind zumeist schlechter ausgestattet als die Söldner selbst - und daher weniger kampffähig.
    Die Verluste der Ukrainer bei der Verteidigung waren zwar ebenfalls hoch, aber nicht so gravierend wie die der Angreifer. Im Hinterland konnte Kiew derweil Angriffsverbände zusammenstellen, mit modernen Waffen aus Nato-Ländern ausstatten und trainieren. Diese stehen jetzt größtenteils bereit zur lang erwarteten Gegenoffensive der Ukrainer.

    Experte sieht "Desaster"
    :Keupp erwartet Putins Niederlage im Oktober

    Im Interview mit ZDFheute live zeichnet Militärexperte Keupp ein desaströses Bild der russischen Armee nach. Er rechnet mit einem Sieg der Ukraine im Oktober.
    von Tim-Julian Schneider
    Zwei beschädigte Militärfahrzeuge stehen auf einem schneebedecktend Feld

    Ukrainische Offensive tritt wohl in neue Phase

    Die dürfte nach Einschätzung von Militärexperten schon begonnen haben, zumindest Elemente davon zur Vorbereitung. In den vergangenen Wochen wurden gezielt Infrastrukturobjekte im Hinterland mit Drohnen unter Beschuss genommen - sei es in Südrussland oder den von Russland besetzten Gebieten.
    Lodernde Tanklager auf der seit 2014 annektierten Krim oder der gegenüberliegenden russischen Region Krasnodar zeugen von Erfolgen dieser Taktik. Die leichten Geländegewinne bei Bachmut demonstrieren, dass die Offensive in die nächste Phase eintritt: die Aufklärung durch Kampf.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Patriot-System
    Liveblog
    Quelle: dpa, ZDF

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