Experte: China sieht Grüne und Baerbock als Problem

    Interview

    Vor Antrittsbesuch in Peking:Experte: China sieht Baerbock als Problem

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    Zu Beginn der China-Reise von Außenministerin Baerbock sagt Experte Mikko Huotari schwierige Gespräche voraus. Peking arbeite lieber mit Kanzler Scholz zusammen.

    Tianjin 13.04.2023, Außenministerin Annalena Baerbock besichtigt mit Geschäftsführer Jianhui Gou ein Werk
    Außenministerin Baerbock ist zum Besuch in China eingetroffen. Zuvor kritisierte sie den autoritären Kurs der Volksrepublik scharf. Welchen Ton wird sie anschlagen?13.04.2023 | 2:50 min
    ZDFheute: Außenministerin Baerbock hat wiederholt Menschenrechtsverletzungen in China kritisiert. Wie wird die Grünen-Politikerin in Peking empfangen werden?
    Mikko Huotari: Die Grünen insgesamt, aber Außenministerin Baerbock speziell, werden dort als Problem in den deutsch-chinesischen Beziehungen gesehen. Sie reist jetzt zum ersten Mal nach China. Das ist sicherlich für alle Seiten ein Anlass, sich erstmal persönlich besser kennenzulernen.
    Aber insgesamt ist der Blick in Peking auf die Bundesregierung doch eher so, dass man lieber mit dem Kanzleramt als dem Auswärtigen Amt zusammenarbeiten möchte.

    Mikko Huotari

    ... ist Direktor des Mercator Instituts für China Studies (Merics). Er studierte in Freiburg, Nanjing und Shanghai. Zu Huotaris Forschungsschwerpunkten gehören Chinas Außenpolitik, das Verhältnis zu Europa sowie die Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik.

    ZDFheute: Wird China versuchen, die Unterschiede zwischen Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock auszunutzen?
    Huotari: Die Unterschiede werden ganz klar wahrgenommen. Die Analyse des Innenlebens der deutschen Politik ist in Peking relativ scharf und klar. Sie wissen, was hier passiert. Und ganz bestimmt wird auch versucht, hier den Hebel anzusetzen.

    Die Akteure, mit denen man gern zusammenarbeitet, die die 'richtige Linie' in der China-Politik verfolgen, werden privilegiert behandelt.

    ZDFheute: Die Führung in Peking mag es normalerweise nicht, wenn Besucher China-Reisen zu einem Programmpunkt von vielen machen. Wie wird man aufnehmen, dass Baerbock gleich im Anschluss nach Südkorea und Japan weiterreist?
    Huotari: Das ist ihnen nicht egal, aber man muss natürlich sehen, dass auch Kanzler Scholz seine China-Reise deutlich eingebettet hatte in Aktivitäten in der Region. Zwar nicht gleich im Anschluss, aber es gab Reisen nach Vietnam, starke Reisen nach Indien und Japan oder zum G20-Gipfel in Indonesien.

    Das ist ein Punkt, an dem sich die Bundesregierung eigentlich recht einig ist: Asien insgesamt stärker ernst- und wahrzunehmen.

    ZDFheute: China hat sich zuletzt so deutlich an die Seite Russlands gestellt, dass die westlichen Hoffnungen auf eine konstruktive Vermittlerrolle reihenweise zerplatzt sind. Was kann Baerbock unter diesen Umständen überhaupt erreichen?
    Huotari: Baerbock allein kann gar nichts erreichen. Wenn, dann geht es darum, dass eine gemeinsame europäische Botschaft überbracht wird. Gemeinsam kann es vielleicht gelingen, der chinesischen Seite zu signalisieren, was es für die Zukunft der europäisch-chinesischen Beziehungen bedeuten würde, wenn China weiterhin so stark an der Seite Russlands steht.
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    ZDFheute: Nachdem Frankreichs Präsident Macron vergangene Woche gemeinsam mit Kommissionpräsidentin von der Leyen in Peking war, hat Macron es ausdrücklich vermieden, sich an die Seite Taiwans zu stellen. Das hat viele EU-Politiker empört. Sie auch?
    Huaotari: Nein, Empörung ist hier nicht hilfreich. Auch Paris steht für die Bewahrung des Status Quo bezüglich Taiwans. Wir wissen nicht, welche Punkte Macron intern im direkten Gespräch mit Präsident Xi gemacht hat. Von Scholz ist mittlerweile bekannt, dass er die deutsche Position recht direkt angesprochen hat.
    Es bleibt auch richtig, dass die Europäer nicht nur Mitläufer in dem Konflikt um Taiwan sein dürfen. Das erfordert allerdings ein stärkeres Engagement, nicht Zweideutigkeit. Und anders als Macron es auf dieser Reise kommuniziert hat, müssen dabei auch die Interessen der taiwanesischen Bevölkerung ein zentraler Maßstab sein und die Verschärfung der Spannungen auch durch China klar benannt werden.
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    ZDFheute: Was bedeutet es, dass Macron fordert, die EU dürfe zwischen China und den USA nicht zum "Vasallen" werden?
    Da bezog sich Macron auf die Herausforderung, nicht zwischen China und den USA aufgerieben zu werden. Natürlich besteht die Gefahr, dass der Handlungsspielraum der EU in einer wachsenden Bipolarität eingeschränkt wird - von beiden Seiten.

    Hier sind die Europäer in der Tat gut beraten, die eigenen Interessen und Interessenskonflikte gegenüber China proaktiv und noch klarer zu definieren.

    Wenn diese im Einklang mit Washington und anderen wichtigen Partnern stehen, umso besser. Es wäre naiv anzunehmen, dass Europa mit Business-as-usual oder mit einer Schaukelpolitik zwischen den zukünftigen Supermächten nachhaltig eigene Interessen durchsetzen kann.
    ZDFheute: In Deutschland sind es vor allem die Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine, die in einer Vermittlung durch China einen Teil der Lösung sehen. Zu Unrecht?
    Huotari: Dass wir Peking davon überzeugen können, eine echte Vermittlerrolle einzunehmen im Sinne der Ukraine - oder mittelfristig im Sinne der europäischen Sicherheitsarchitektur -, das scheint mir sehr unwahrscheinlich. Aber:

    Der Konflikt ist so hart, dass nichts unversucht bleiben darf.

    Das Interview führte Andreas Kynast, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio
    Quelle: ZDF

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