Außenministerin Baerbock hat von einem "Krieg gegen Russland" gesprochen - eine Steilvorlage für Moskau. Wie die Kreml-Propaganda damit Stimmung gegen den Westen macht.
"Sie kämpfen einen Krieg gegen Russland", brüllt Wladimir Solowjow förmlich in die Kameras seiner allabendlichen Talkshow. "Die Außenministerin des Vierten Reichs hat Russland den Krieg erklärt." Er bezeichnet die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock als Nazi, und garniert seine Ausführungen mit einer Tirade aus üblen, teils sexistischen Beschimpfungen.
Solowjow gehört zu den bekanntesten russischen Propagandisten, er verbreitet täglich viele Stunden Lügen im Staatsfernsehen. Teils so absurd und drastisch, dass manche geneigt sein könnten, ihn nicht besonders ernst zu nehmen. Aber es schauen nun mal täglich etwa fünf Millionen Russen zu. Auf Telegram folgen ihm 1,3 Millionen User, auf Twitter noch etwas mehr.
Die russischen Angriffe auf die Ukraine gehen weiter.
Russische Propaganda nutzt Weltkriegs-Trauma
Besonders gerne nährt Solowjow in seiner Talkshow die Erzählung, Deutschland werde von Nazis regiert - und appelliert damit an das russische Trauma aus dem Zweiten Weltkrieg.
Kein Wunder also, dass er Baerbocks Satz dankbar aufgriff. Die hatte am Donnerstag beim Europarat in Straßburg mit folgenden Worten zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander."
Auswärtiges Amt: Deutschland keine Kriegspartei
Das Auswärtige Amt beeilte sich zwar am Freitagmorgen, klarzustellen, dass die Formulierung nicht bedeute, Deutschland sei Kriegspartei. Dennoch schlug Baerbocks Äußerung ein paar diplomatische Wellen. So meldete sich am Morgen das russische Außenministerium zu Wort. Sprecherin Maria Sacharowa verlangte eine Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau zu den "widersprüchlichen" Aussagen aus Berlin.
Deutschland erkläre einerseits, in der Ukraine keine Konfliktpartei zu sein, so Sacharowa. Andererseits sage Baerbock, dass sich die Länder Europas im Krieg gegen Russland befänden. "Verstehen sie selbst, wovon sie da reden?", schrieb Sacharowa im Nachrichtenkanal Telegram.
- Sind wir nun Kriegspartei, Herr Scholz?
Deutschland liefert Leopard-Panzer an die Ukraine, Kanzler Scholz wird dennoch für zögerliches Handeln kritisiert. Im ZDF erklärt er sein Vorgehen und betont rote Linien.
Moskau wirft Bundesregierung schon länger Kriegsbeteiligung vor
In der Antwort der deutschen Botschaft in Moskau heißt es: "Das Völkerrecht ist eindeutig: Die Ukraine dabei mit Material zu unterstützen, ihr in der UNO-Charta verbrieftes individuelles Selbstverteidigungsrecht gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auszuüben, macht Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei."
Die deutsche Außenministerin hat Russland also durchaus Stoff für neue Vorwürfe geliefert. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Sowohl die Propagandisten im russischen Staatsfernsehen als auch offizielle Regierungssprecher werfen Deutschland schon länger vor, sich als Kriegspartei in der Ukraine einzumischen. Nicht erst seit Baerbocks Rede in Straßburg.
Kreml sieht westliche Panzer-Lieferungen als direkte Beteiligung
So kommentierte etwa der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow die Ankündigung der Bundesregierung, Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern, gestern mit den Worten:
Die Panzerlieferungen an die Ukraine seien wichtig, weil von Russland eine Frühjahrsoffensive "im Gebiet Luhansk vorbereitet wird", sagt Sicherheitssexpertin Claudia Major.
Und in Solowjows Talkshow war die Rhetorik wie gewohnt deutlich martialischer. "Berlin wird zerstört werden, wenn Deutschland Waffen an die ukrainischen Nazis liefert", sagte Solowjow in seiner Sendung am Dienstag. "Das sind die Konsequenzen der politischen Entscheidungen."
Daraufhin antwortete der Kreml-treue Journalist Alexander Sosnowsky: "Der General soll den Befehl geben und Dresden zerbomben."
Nina Niebergall berichtet als ZDF-Korrespondentin über Russland.
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