Jahrestag Butscha: Kriegsverbrechen mit Folgen

    Erster Jahrestag von Butscha:Kriegsverbrechen mit weitreichenden Folgen

    von Thomas Dudek
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    Butscha ist zum Symbol für die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine geworden. Es hatte aber auch Auswirkungen auf die ukrainisch-russischen Waffenstillstandsverhandlungen.

    Ermittler für Kriegsverbrechen in Butscha, Ukraine
    Ermittler für Kriegsverbrechen in Butscha, Ukraine
    Quelle: dpa

    Bis zum 31. März vergangenen Jahres dürfte Butscha außerhalb der Ukraine wohl nur Experten des Schriftstellers Michail Bulgakow ein Begriff gewesen sein. In dem Städtchen unweit von Kiew, wo der weltbekannte Autor 1891 das Licht der Welt erblickte, besaß seine Familie eine Datscha. In dieser verbrachte dieser seine Sommerferien.

    Kriegsverbrechen nicht nur in Butscha

    Seit genau einem Jahr ist Butscha jedoch das Symbol für russische Kriegsverbrechen in der Ukraine schlechthin - obwohl es nicht der einzige Ort ist, in dem diese begangen wurden.
    In Isjum, Irpin oder weiteren Städten und Ortschaften, aus denen sich russische Truppen bisher zurückgezogen haben, wurden ebenfalls Massengräber und Folterkeller gefunden. Auch die Belagerung von Mariupol ist geprägt von russischen Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung.

    Bilder gehen um die ganze Welt

    Butscha, das vor dem Krieg 50.000 Einwohner hatte, war jedoch der erste Ort, in dem die Verbrechen der russischen Armee nach ihren Abzug an die Öffentlichkeit drangen.
    Dabei dauerte es etwas, bis sich nach dem Rückzug der russischen Truppen am 31. März und somit dem Ende der einmonatigen russischen Besatzungszeit in Butscha die Nachricht über die dort stattgefundenen Verbrechen verbreitete.
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    Kriegsverbrechen mittlerweile gut belegt

    Erst am 1. April wurden die ersten Informationen und Bilder von Toten publik, was Verschwörungstheoretiker wie Daniele Ganser als Beleg deuten, dass es sich bei dem Massaker in Butscha um kein russisches Kriegsverbrechen handeln könne. Dabei ist die russische Verantwortung von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, den ukrainischen Untersuchungsbehörden, internationalen Organisationen und Recherchen von Journalisten, die unter anderem Satellitenbilder auswerteten, mittlerweile sehr gut belegt.
    Auch ein russischer Deserteur, der laut eigener Aussage der in Butscha stationierten 64. selbstständigen motorisierten Schützenbrigade angehörte, bestätigte im Dezember diese Verbrechen gegenüber ausländischen Medien.
     

    Anzahl der Toten variiert

    Unklar ist jedoch das Ausmaß dieser Verbrechen. Ukrainische Ermittler sprechen von 637 gewaltsamen Todesfällen während der Besatzung, die derzeit untersucht werden.
    In einem im Dezember veröffentlichten Bericht der UN, der sich mit der russischen Besatzungszeit in der Kiewer Region beschäftigt, ist von 73 Zivilisten die Rede, deren Tod dokumentiert werden konnte. Zudem schreibt die UN in dem gleichen Bericht von 105 weiteren Tötungsdelikten, die kurz davor seien, bestätigt zu werden - was jedoch nicht bedeutet, dass dies dann die endgültige Opferzahl wäre. Die Autoren betonen, dass die tatsächlichen Todeszahlen viel höher ausfallen könnten.
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    Kreml spricht von Inszenierung

    Wenig überraschend ist, dass der Kreml die Vorwürfe zurückweist. Und nicht nur das. Die russische Propaganda überbietet sich mit unterschiedlichen Erklärungen, die von einer Inszenierung bis gar zu dem Vorwurf reichen, die Ukrainer selbst hätten die Bewohner nach dem Rückzug russischer Truppen aus Butscha umgebracht. Der bereits erwähnten 64. motorisierten Schützenbrigade wurde wiederum von Wladimir Putin ein Ehrentitel verliehen.

    Auswirkungen auf Waffenstillstand

    Weitreichende Folgen hatten die in Butscha und anderen ukrainischen Orten begangenen russischen Kriegsverbrechen auch auf die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul. Sie sind mit ein Grund, warum diese abgebrochen wurden.

    In der ukrainischen Gesellschaft jedoch schwand angesichts der Bilder aus Butscha, Irpin und anderen Orten die Unterstützung für einen Kompromiss mit Russland.

    Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik

    So heißt es in einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Dafür trat die Frage in den Vordergrund, wie die russischen Kriegsverbrechen geahndet werden sollten und ob Russland einen Genozid an der ukrainischen Bevölkerung verübe."  



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