Die Familienunternehmer: Kritik am Standort Deutschland

Analyse

Scholz beim Verbandsjubiläum:Welche Macht Familienunternehmen haben

Stefan Schlösser
von Stefan Schlösser
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Vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum internationalen Großkonzern - viele sind Familienunternehmen. Zusammen bilden sie einen der einflussreichsten Lobbyverbände der Republik.

6.500 Mitglieder, darunter kleine Handwerksbetriebe, spezialisierte Hidden Champions und international aufgestellte Großunternehmen wie Henkel, Miele oder Deichmann. Der Verband "Die Familienunternehmer" repräsentiert nach eigenen Angaben die wirtschaftlichen Interessen von 180.000 Unternehmen in Deutschland mit acht Millionen Beschäftigten. Zahlen, die Einfluss deutlich machen und Schlagkraft verleihen.

Umfrage: Standortbedingungen schlecht für Investitionen

Immer wieder lässt der Verband mit dramatischen Meldungen aufhorchen. Zum Beispiel habe eine Umfrage unter den Mitgliedern ergeben, dass 22 Prozent mindestens einmal pro Woche darüber nachdenken, ihr Unternehmen zu verkaufen. Nur noch 22 Prozent der international tätigen Unternehmen wollen in Deutschland investieren, weil die Standortbedingungen so schlecht seien, verkündete gerade erst die Präsidentin des Verbandes, Marie-Christine Ostermann.
Sie ist keine Funktionärin, sondern selbst Unternehmerin, leitet in vierter Generation einen Betrieb mit hundertjähriger Geschichte, der Gastronomie, Krankenhäuser und Altenheime mit Lebensmitteln beliefert. Das spricht für ihre Glaubwürdigkeit, sie kommt aus der Praxis.
Marie-Christine Ostermann
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Familienunternehmen "langfristig geprägt"

Bei Familienunternehmen spielen Geschichte und Tradition eine wichtige Rolle. "Sie sind anders als alle anderen Unternehmen, weil sie vor allem langfristig geprägt sind", sagt Nadine Kammerlander. Die Professorin forscht und lehrt an der WHU - Otto Beisheim School of Management über Familienunternehmen. "Sie denken nicht in Quartalen, sondern in Jahrzehnten und Generationen. Und das ist ein wichtiger Baustein, um innovativ zu bleiben und sich weiterzuentwickeln."
Und das machen sie offenbar sehr erfolgreich. "Jeder zweite Euro und jeder zweite Arbeitsplatz kommt von Familienunternehmen", weiß Prof. Kammerlander. Sie bilden den Mittelstand, immer wieder gerne als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet. Mitglieder im Verband sind Betriebe mit mindestens zehn Mitarbeitern, einer Million Euro Umsatz und die sich maßgeblich oder ganz in Familienbesitz befinden.
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Zwischen Eigeninteresse und Investitionen

Man ist stolz auf die eigene Geschichte. Der Verband gründete sich im selben Jahr wie die Bundesrepublik, 1949, vor 75 Jahren. Damals noch als Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer ASU. Von Beginn an haben die Familienunternehmer Ludwig Erhard und seine Soziale Marktwirtschaft unterstützt. Natürlich geht es ihnen in erster Linie ums eigene Interesse. Geschenkt, dafür sind Verbände ja da.
Von riesigen Einzelinvestitionen, um einen amerikanischen Chiphersteller nach Deutschland zu locken, halten Familienunternehmer eher nichts. Das Geld sollte ihrer Ansicht nach lieber in die Infrastruktur fließen und die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen verbessern. Im letzten Bundestagswahlkampf startete der Verband eine Kampagne gegen ein mögliches Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linke, wehrt sich vehement gegen eine Vermögenssteuer.
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Olaf Scholz zu Gast beim Jubiläum

Aktuell geht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Bürokratie, Regulierung, Energiekosten, Fachkräfte, Infrastruktur. Die Mängelliste ist lang. Vom angekündigten Deutschland-Tempo ist oft nichts zu spüren, es ist mehr ein Ampel-Tempo. Und die Ampel steht allzu oft auf Rot.
Wenn der Verband an diesem Donnerstag zum 75-jährigen Jubiläum einlädt, ist es ein Pflichttermin für den Kanzler. Olaf Scholz wird sich trotz des feierlichen Anlasses sicher auch einiges an Kritik anhören müssen. Aber das ist er ja schon gewohnt. Die Unternehmer setzen aber auch Hoffnung in ihn. Marie-Christine Ostermann fordert:

Der Kanzler muss Wirtschaftspolitik zur Chefsache machen.

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin Familienunternehmerverband

In den Wirtschaftsminister haben die Familienunternehmer schon lange kein Vertrauen mehr.

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