Was ist von Putins Drohungen am Stalingrad-Gedenktag zu halten? Warum blieb der befürchtete Großangriff aus? Wer könnte derzeit vermitteln? Eine Friedensforscherin gibt Antworten.
Sowohl die Ukraine als auch Russland hoffen auf einen militärischen Sieg, sagt Prof. Nicole Deitelhoff.
Während die EU-Spitze in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj trifft, zieht Kremlchef Wladimir Putin bei einer Gedenkfeier zum Jahrestag des Sieges in Stalingrad historische Parallelen und sieht Russland "wieder von deutschen Panzern bedroht".
Friedensforscherin Nicole Deitelhoff zeigt sich wenig beeindruckt, hält diese Rhetorik schlicht für Propaganda und nicht für eine neue Eskalationsstufe. Bei ZDFheute live erklärt sie ihre Sicht auf...
… die Drohungen bei der Rede Putins im ehemaligen Stalingrad
"Wir haben hier nicht viel neues in dieser Rede erlebt", so Deitelhoff. "Sondern er bemüht Narrative, die er schon häufiger bemüht hat. Also Russland, das sich gegen die Nazis wehren muss." Angesichts dieses Gedenktages zeige Putin nun noch mal deutsche Panzer, die wieder Russland bedrohen würden sozusagen. "Aber das ist eigentlich ein altes Narrativ. Da geht es eben um diesen Kampf gegen den Nationalsozialismus."
"Sondern eigentlich versucht er, glaube ich, zu sagen: Wenn ihr jetzt immer weitreichendere Waffensysteme in die Ukraine liefert, glaubt nicht, dass es damit getan ist. Ich kann noch ganz anders diesen Krieg entfesseln, ich kann eben auch noch sehr viel brutaler diesen Krieg führen." Aber im Grunde sei dies alles "nichts Neues, es sind alte Muster, die wir hier wieder hören".
Der Januar bedeutete für die Ukrainer wie für die Russen Leid, Tod und viele Verluste. Geländegewinne gab es dagegen so gut wie nicht.
… den ausgebliebenen Großangriff, der zur Stalingrad-Gedenkfeier erwartet wurde
Deitelhoff misst diesem Umstand keine allzu große Bedeutung bei. Dies heiße in erster Linie, "dass die russischen Streitkräfte entweder nicht bereit waren oder einfach auch noch abwarten wollen". Womöglich könnte der Großangriff auch auf die Nacht oder auf die nächsten Tage verlegt worden sein, damit die Russen noch mehr Streitkräfte und Waffen zusammenziehen können.
Auch das Statement des russischen Außenministers Lawrow würde sie ähnlich bewerten. Dieser habe gesagt, so die Forscherin, man würde jetzt die Ukrainer von den Grenzen Russlands zurückdrängen, weil der Westen weiterreichende Waffensysteme geliefert habe.
Der angeblich erneute Kampf gegen Nazis, diesmal in der Ukraine, ist ein wesentliches Element in der russischen Propaganda, die den Krieg gegen das Nachbarland rechtfertigen soll.
… mögliche Vermittler zwischen Moskau und Kiew
Für gewöhnlich seien Verhandlungen, die unter Vermittlung stattfinden, statistisch betrachtet erfolgreicher. "Aber dafür braucht es natürlich zwei Dinge. Zum einen müssen die Parteien ganz grundsätzlich bereit sein zu Verhandlungen, das sehe ich in diesem Konflikt momentan nicht. Nicht nur nicht auf russischer Seite, sondern auch nicht auf ukrainischer Seite, mit ganz unterschiedlichen Gründen." Aber beide Seiten seien momentan nicht bereit zu Verhandlungen, beide könnten Zugeständnisse der Öffentlichkeit nicht mehr vermitteln.
"Und das andere ist: Es muss auch ein Vermittler da sein, der tatsächlich vermitteln will und kann." Das sei in der momentanen Konstellation nur China, so Deitelhoff. "Aber China hat in den letzten Tagen sehr deutlich gemacht, dass es kein Interesse an einer Vermittlung hat, sondern es hat noch einmal deutlich gemacht, dass es die USA für mitverantwortlich für diesen Krieg hält." China glaube, dass der Krieg beendet werden könne, wenn die USA sich einfach daraus zurückziehen. "Und das ist natürlich keine Ausgangslage, von der aus man sozusagen erfolgreich vermitteln könnte."
Wie geht es weiter im Ukraine-Krieg? ZDFheute live ordnet ein.
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