Ukraine-Debatte bei "illner": Verhandeln - aber mit wem?

    Ukraine-Debatte bei "illner":Verhandeln - aber mit wem?

    von Torben Schröder
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    Ein diplomatischer Weg zum Frieden wird gesucht. Nur: Putin will nicht verhandeln. Müssen also mehr Waffen an die Ukraine geliefert werden? - Die Debatte bei "maybrit illner".

    Frieden in der Ukraine wünschen sich alle Diskussionsteilnehmer der ZDF-Sendung "maybrit illner". Und einen gangbaren diplomatischen Weg dahin auch. Aber wie? Daran scheiden sich, wie die gesellschaftliche Debatte um das Wagenknecht-Schwarzer-Papier zeigt, die Geister.
    "Ich finde das Manifest inhaltlich richtig", sagt die Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, die zu den Unterzeichnern zählt. Die Diplomatie müsse hierzulande viel stärker in den Vordergrund rücken. Waffenlieferungen würden die Gefahr einer Eskalation mit sich bringen. "Die Gefahr ist, dass man an einen Punkt kommt, an dem man als Beteiligter, als Kriegspartei gesehen wird", sagt Mohamed Ali.

    Wir drohen Kriegspartei zu werden oder von Russland als solche angesehen zu werden.

    Amira Mohamed Ali, Linken-Fraktionschefin

    wagenknecht
    Zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine verteidigt die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ihr "Manifest für den Frieden": "Wir wollen, dass endlich verhandelt wird und ich vermisse Signale von westlicher Seite", so Wagenknecht. 22.02.2023 | 6:05 min

    Esken: Deutschland hat viel geholfen

    "Sie wollen doch nicht wirklich sagen, dass Wladimir Putin im Völkerrecht nachschlägt?", hält SPD-Chefin Saskia Esken entgegen. Deutschland habe früh und viel geholfen, aber Alleingänge vermieden. Frieden sei so schnell wie möglich anzustreben:

    Niemand wünscht sich keinen Frieden.

    Saskia Esken, SPD-Chefin

    Doch Frieden ist, wie Esken betont, nicht nur die Abwesenheit von Kampfhandlungen.
    Die Souveränität und Integrität der Ukraine sei zu gewährleisten. Dies gelinge aber nicht auf dem Schlachtfeld, sondern nur durch Verhandlungen. "Und dazu ist Putin nicht bereit." Der Kurs müsse klar sein: "Wir wollen nicht Kriegspartei sein, weder als Deutschland noch als Nato. Und wir stehen weiter an der Seite der Ukraine."

    Deitelhoff: nukleare Konfrontation vermeiden

    Womöglich ist es dieser Zwiespalt, der zu der Situation führt, den die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband beschreibt: "Wenn die Waffenlieferungen so erfolgen, dass man immer so gerade genug hat, um sich eines russischen Sieges zu erwehren, aber nicht genug, um ernsthaft Gebiete zurückzuerobern, dann verlängern sie den Krieg eher." Bei Kanzler Scholz vermisst Weisband eine offene Kommunikation über seine Ziele in der Ukraine - und mehr Unterstützung. Denn:

    Wenn Angriffskriege sich lohnen, werden sie wahrscheinlicher.

    Marina Weisband, Publizistin

    "Gut daran ist, dass es die Sehnsucht nach Frieden sehr deutlich macht und für eine Irritation in der Debatte sorgt", sagt die Friedensforscherin Nicole Deitelhoff zum kontrovers diskutierten Wagenknecht-Schwarzer-Papier. Das Thema Unterstützung verenge sich zu sehr auf Waffensysteme. Doch werde nicht bedacht, dass niemand auf der anderen Seite über Frieden verhandeln will. Es gelte, eine nukleare Konfrontation zu vermeiden. Aber:

    Putin kann jederzeit sagen, dass wir Kriegspartei sind.

    Nicole Deitelhoff, Friedensforscherin

    Führe die Risikoabschätzung wiederum dazu, dass Russland sich in der Ukraine durchsetzt, sei auch Deutschland gefährdet.

    Esken: Diplomatie findet statt

    Medienberichte, wonach Deutschland und Frankreich dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj Friedensverhandlungen nahe gelegt hätten, weist Esken zurück: "Niemand macht Druck in Bezug auf Friedensverhandlungen." Diplomatie finde statt, aber "selbstverständlich nicht in der Öffentlichkeit".
    Ein solches Gespräch mit der Ukraine fände Wolfgang Ischinger, der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, normal. Nur finde Krisendiplomatie klugerweise vorrangig im Stillen statt. Die ukrainische Führung müsse entscheiden, wann sie mit wem verhandelt. Ihre Partner seien verpflichtet, zu beraten und zu helfen.



    Ischingers Plädoyer für mehr Waffenlieferungen

    "Putin wird nur durch die Vorgänge auf der militärischen Seite überzeugt werden", sagt Ischinger. Daher sein Plädoyer für mehr Waffenlieferungen:

    Je mehr und je rascher wir liefern, desto größer werden die Chancen, dass die Voraussetzungen für eine Verhandlungslösung erreicht werden können.

    Wolfgang Ischinger, früherer Chef der Münchner Sicherheitskonferenz

    Und wie könnte das Ergebnis aussehen? "Eine kleinere Ukraine bedeutet, im 21. Jahrhundert können Grenzen durch Aggressionskriege verschoben werden", sagt Weisband. Das halte sie als deutsche Bürgerin auch aus ganz egoistischen Motiven für falsch.
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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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