Pläne von Prigoschin: Wagner-Chef will politische Partei

    Die Ambitionen Prigoschins:Wagner-Chef will politische Partei übernehmen

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Prigoschin hat Ambitionen, die Partei "Gerechtes Russland" zu übernehmen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies gelingt, denn er hat viele Feinde innerhalb der Regierung.

    Wagnerchef Yevgeny Prigozhin auf einem Friedhof.
    Quelle: Telegram, @concordgroup_official, AFP

    Jewgeni Prigoschin, Eigentümer und Hauptfinanzier der Wagner-Gruppe, versucht, die Kontrolle über eine der russischen Parlamentsparteien zu übernehmen. Die Partei mit dem Namen "Gerechtes Russland - Für die Wahrheit" hat offiziell ein sozialkonservativ-sozialdemokratisches Programm und wurde regelmäßig in die Staatsduma gewählt.
    Sie ist also Teil der sogenannten "Systemopposition", der demokratischen Fassade, die der Kreml verwaltet, um vorzutäuschen, dass es in Russland eine funktionierende Demokratie gibt. Prigoschin hat sich in letzter Zeit mehrfach mit dem Parteivorsitzenden Sergej Mironow getroffen und dabei offen seine Ambitionen bekundet, eine größere Rolle in der Politik zu spielen.



    Prigoschin will Macht und Immunität

    Er ist insbesondere daran interessiert, die St. Petersburger Niederlassung von "Gerechtes Russland" zu übernehmen. Kurzfristig erhofft sich der Wagner-Gründer wohl, Vorteile in seinem langjährigen Konflikt mit dem Gouverneur von St. Petersburg, Alexander Beglov, zu erzielen. Mit anderen Worten: Er plant eine parlamentarische Partei zu kapern und diese im Anschluss zu nutzen, um regionalen Einfluss zu gewinnen.
    Darüber hinaus könnte Prigoschin durch die Erlangung eines formellen politischen Amtes nicht nur mehr Einfluss und Sichtbarkeit auf nationaler Ebene erlangen, sondern auch Immunität, welche den Parlamentsmitgliedern gewährt wird.

    Wagner-Chef überschätzt Position im Kreml

    Tatsächlich ist es jedoch recht unwahrscheinlich, dass Prigoschin damit Erfolg haben wird - aus einer Reihe von Gründen. In erster Linie hat er seine Karten gegenüber dem russischen Verteidigungsministerium massiv überspielt. Obwohl seine Söldnertruppe versorgungstechnisch stark vom regulären russischen Militär abhängig war, kritisierte Prigoschin im Herbst 2022 mehrere Male scharf sowohl das Ministerium als auch die russische Armee und stellte die Wagner-Gruppe als bessere Alternative dar.
    Deshalb begann das Verteidigungsministerium ab Januar 2023 die Lieferungen für die Söldner zu kürzen, woraufhin sich Prigoschin öffentlich entschuldigen musste. Trotz dieses Reuebekenntnisses ist es unwahrscheinlich, dass er jemals das Vertrauen des Ministeriums oder der Armee zurückerlangen wird.

    Militärische Erfolge der Wagner-Gruppe reichen nicht

    Selbst wenn die Stadt schließlich fallen sollte, hat Russland mehrere Monate und eine enorme Anzahl von Kämpfern verloren, von denen die meisten frisch rekrutierte Gefangene waren und der Wagner-Gruppe angehörten.

    Keine Störung Russlands konstruierter Opposition erwünscht

    Drittens ist die gesamte "Opposition" in Russland ein sorgfältig konstruiertes, fein austariertes System. Um es reibungslos zu betreiben, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Regionalwahlen im Herbst und die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2024, ist eine disziplinierte und geschickte Zusammenarbeit aller Akteure erforderlich.
    Prigoschin ist jedoch nicht nur ein Außenseiter in der Welt der Politik, sondern dazu auch ziemlich als rücksichtslos bekannt. Daher könnte seine Anwesenheit das Funktionieren der "Systemopposition" durchaus destabilisieren. Folglich ist es unwahrscheinlich, dass der Kreml Prigoschin erlauben würde, Politik auf nationaler Ebene zu betreiben.
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    Kriminelle Vergangenheit steht Prigoschin im Weg

    Viertens hat er eine kriminelle Vergangenheit. In den 1980er Jahren saß er für neun Jahre wegen Raubes und Diebstahls im Gefängnis. Ein solches Vorstrafenregister, auch wenn es theoretisch keine Rolle mehr spielt, stellt in der Praxis immer noch ein Hindernis für höhere politische Ambitionen dar. Hinzu kommt, dass das kürzlich aufgetauchte, grausame Video, in dem ein russischer Kämpfer einen gefangenen ukrainischen Soldaten enthauptet, Prigoschins Macht weiter schwächen könnte.
    Die Aufnahme ist so brutal, dass sogar der Kreml sie verurteilt hat. Sollte sich herausstellen, dass die Täter der Wagner-Gruppe angehörten, dürfte dies Prigoschin kaum helfen, seine politischen Ambitionen voranzutreiben.
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