Serbien: Deutsche Firmen werben neben Russland-Propaganda

    Russland-Propaganda in Serbien:Deutsche Unternehmen werben neben Fake News

    Schaltgespräch mit Britta Hilpert am 4.4.2022.
    von Britta Hilpert
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    Serbiens TV-Sender verbreiten regelmäßig pro-russische Falschmeldungen. Gleichzeitig werben dort große deutsche Unternehmen - und sehen darin teils kein Problem.

    Wer in Serbien das Fernsehen anschaltet, könnte manchmal meinen, man sei in Russland. In den beliebtesten Talkshows des Landes, bei Pink TV und Happy TV, wird vor allem die russische Sicht auf den Krieg in der Ukraine vermittelt. Einige Beispiele:
    • Der serbische Ex-General Milorad Stupar sagte, dass Putin gegen das faschistische Regime in Kiew vorgehen musste und sprach von ethnischen Säuberungen gegen Russen. (24.2.2022, RTV Pink)
    • Der Analyst Saša Borojević sagte, die Ukraine habe Hitler den Rekord im Bücherverbrennen abgenommen. (15.11.2022, Happy TV)
    • Regisseur Dragoslav Bokan behauptete, dass der Westen einen Kreuzzug gegen die Russen führe, wie Hitler im zweiten Weltkrieg. Er sprach vom westlichen Faschismus. (25.1.2023, RTV Pink)
    Widersprochen wird in der Regel nicht, es sitzen meist nur pro-russische Gesprächspartner in den Talk-Shows. Unterbrochen wird die Propaganda nur durch Werbung - und da flackern dann viele deutsche Markennamen über den Bildschirm.
    Vucic hält eine Rede
    Die EU forderte Serbien zuletzt auf, Sanktionen gegen Russland mit durchzusetzen.06.12.2022 | 2:14 min

    Deutsche Firmen werben neben pro-russischer Propaganda

    Die Supermarktkette Lidl wirbt sowohl bei Pink TV als auch bei Happy TV. Nivea, DM, Persil und Vileda werben nur bei Pink TV. Es seien in jedem Fall Millionen Euro, die deutsche Unternehmen an Sender zahlen, die Lügen und Propaganda verbreiten, sagt Raša Nedeljkov von der Nichtregierungsorganisation CRTA. Sie hat zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen Nielsen Media Research den Wert dieser Werbeausgaben geschätzt.
    Ihr Media Monitoring wird auch von der deutschen Botschaft unterstützt. "Leider helfen uns die Werbeausgaben europäischer Firmen nicht, europäische Werte zu erlangen", so Nedeljkov.

    Wir bitten Sie, uns zu helfen, eine stärkere Demokratie aufzubauen ,um Teil der europäischen Familie zu werden.

    Raša Nedeljkov, Nichtregierungsorganisation CRTA

    Was sagen die Unternehmen zu den Vorwürfen?

    Das ZDF hat die genannten Unternehmen angefragt, wie sie zu dem Sachverhalt stehen. Auf seiner Webseite schreibt die Beiersdorf AG, zu der die Marke Nivea gehört: "Wir verurteilen den Krieg, den Russland nach wie vor gegen die Ukraine führt, und unternehmen alles in unserer Macht Stehende, um unsere Mitarbeitenden und ihre Familien unter diesen schrecklichen Umständen so gut wie möglich zu schützen und zu unterstützen."
    Mit Blick auf den serbischen Markt sieht Beiersdorf jedoch keinen entsprechenden Handlungsbedarf und teilt dem ZDF mit:

    Wir platzieren grundsätzlich unsere Werbung auf den Kanälen, auf denen wir die größte Reichweite erzielen und unsere Konsument*Innen effizient erreichen. Dazu gehört in Serbien auch der Sender TV Pink.

    Antwort von Beiersdorf

    Praktisch alle angefragten Unternehmen rechtfertigen ihre Werbeentscheidungen mit der Reichweite der Privatsender. Anders geht da der Süßwarenhersteller Storck vor, der in Serbien beliebt ist. Storck schaltet aber bewusst keine Werbung bei Pink TV und Happy TV: "Wir werben generell nicht in Umfeldern, die (...) extreme politische Inhalte transportieren", schreibt Storck dem ZDF. "Auch 'Fake News' zählen zu den extremen politischen Inhalten."

    Außenministerin Baerbock als Ex-Prostituierte dargestellt

    Es sind Fake News wie diese: Am 13. März erläutert eine sogenannte Expertin in der Happy TV-Talkshow "Aktuelnosti" den Lebenslauf der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Sie sagt, früher sei die Außenministerin eine professionelle Prostituierte gewesen. Niemand fragt nach, niemand markiert das als Falschbehauptung.
    Serbiens Präsident Aleksandar Vučić ist oft bei Happy and Pink zu Gast. Hier darf er stundenlang und nur vorsichtig befragt seine "Schaukelpolitik" erklären: Er will in die EU, er will die deutschen Investitionen - aber er will die Russland-Sanktionen nicht mitttragen, auch, weil Russland Serbien stützt in der Kosovo-Frage.

    Serbiens Präsident rechtfertigt sich für TV-Auftritte

    Bei einer Pressekonferenz fragt das ZDF Vučić, wie das zusammenpasst: sein pro-europäischer Kurs und seine häufigen Auftritte in Sendern, die anti-westliche Propaganda und Fake News verbreiten. Das Baerbock-Beispiel scheint ihm sichtlich peinlich, er bittet sogar um Entschuldigung. Und er sagt:

    Happy TV ist pro-russisch. Aber es gibt viele andere Medien. In diesem Land glauben wir daran, dass es gut ist, die Dinge von allen Seiten zu betrachten. Und ich muss fast überall sichtbar sein.

    Serbiens Präsident Aleksandar Vučić

    Tatsächlich wählt Vučić aber genau aus, wo er auftritt: Der serbische Sender N1-TV etwa bekommt keine Interviews; erst recht nicht seit der Sender kritisch über die politischen Aktivitäten des Präsidentensohnes berichtete, wie Vučić sogar selbst zugibt.

    Mehrere deutsche Unternehmen wollen Strategie überdenken

    "Es gibt zwei Stränge von Manipulationen in den serbischen Medien", erklärt Raša Nedeljkov von CRTA. "Die eine ist, die EU zu unterminieren. Die zweite: die Persönlichkeit des Präsidenten Vučić zu stützen und seine Politik zu rechtfertigen. Diese Maschinerie will ein Regierungssystem etablieren, das sich von der Demokratie entfernt."
    Und auch das unterstützt die deutsche Werbung, indem sie das Sendeumfeld bei ihrer Auswahl ausblendet. Demokratieabbau, so meint Nedeljkov, könne doch eigentlich nicht im Interesse deutscher Investoren sein.
    Nach den ZDF-Anfragen haben nun drei deutsche Unternehmen angekündigt, ihre Werbestrategie zu überdenken: DM, Henkel und Vileda. Lidl hingegen will weiter werben und verweist auf "Sachspenden", die man der Ukraine hätte zukommen lassen. Unbekannt ist, ob diese Sachspenden auch die Tausenden Ukrainer*innen erreicht haben, die seit Kriegsbeginn auch nach Serbien geflüchtet sind.

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