Königsmacher Ogan: Wahlempfehlung "bis zum Wochenende"

    Interview

    Königsmacher bei Türkei-Wahl:Wann geben Sie eine Empfehlung ab, Herr Ogan?

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    Wer die Stichwahl in der Türkei gewinnt, entscheidet Sinan Ogan. Der Königsmacher spricht im ZDF-Interview über das Ergebnis, seine Prinzipien und den Kampf gegen den Terror.

    Sinan Oğan
    Sinan Ogan im Interview mit ZDF-Korrespondent Brase.
    Quelle: ZDF

    Sinan Oğan hat mit seinem ultranationalistischen Wahlbündnis Ata İttifakı bei den türkischen Präsidentschaftswahlen rund fünf Prozent geholt. Bei der Stichwahl zwischen Erdoğan und Kılıçdaroğlu könnten seine Wähler*innen und seine Wahlempfehlung entscheidend dafür sein, wer die Wahl zum Präsidenten in der zweiten Runde gewinnt.
    ZDFheute: Herr Oğan, Sie haben etwas über 5 Prozent bei dieser Wahl gewonnen. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
    Sinan Oğan: Eigentlich hatten wir eine Erwartung von ca. 10 Prozent bis 11 Prozent, eigentlich sogar von 12 Prozent. Nichtsdestotrotz ist das kein schlechtes Ergebnis.

    Und in den Stichwahlen werden es die entscheidenden Punkte für das Ergebnis sein, und vielleicht sind diese Punkte sogar der Königsmacher. Deshalb sind wir mit den Ergebnissen zufrieden.

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    ZDFheute: Und offenbar haben die beiden, die jetzt um den Thron kämpfen, bei Ihnen angerufen. Was haben die Ihnen erzählt?
    Oğan: Nun, es wäre nicht richtig, ohne das Einverständnis dieser Personen, die Inhalte der Gespräche öffentlich mit den Medien zu teilen. Deshalb können wir über Prinzipien reden, aber nicht über: "Der hat das gesagt und der hat dies gesagt." Das ist nicht unsere Art, Politik zu machen.
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    ZDFheute: Was heißt Prinzipien für Sie? Kılıçdaroğlu hat damit geworben, dass er Osman Kavala und Selahattin Demirtaş freilassen will und wurde von der HDP unterstützt. Können Sie damit leben?
    Oğan: Erstens: Kılıçdaroğlu ist kein Richter, kein Staatsanwalt. Auch ich bin kein Richter und kein Staatsanwalt. Ich kann nicht sagen: "Der kommt aus dem Gefängnis frei." und "Der kommt nicht aus dem Gefängnis frei."
    Die Kurden in der Türkei können Parteien gründen, wie sie es wollen, können kandidieren, wo immer sie wollen, können meine Gegner als Präsidentschaftskandidaten werden. Die kann ich alle beklatschen. Jeder kann eine Partei gründen. Jeder kann Politik machen:

    Jeder kann Präsidentschaftskandidat oder Abgeordneter werden. Sie können alles werden, aber der Abstand zu Terroristen muss gehalten werden. Das ist alles, was ich will. Und die HDP kriegt das nicht hin.

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    ZDFheute: Was würden Sie von Präsident Erdoğan fordern?
    Oğan: Auch von Herrn Erdoğan würde ich das Gleiche fordern. Den Kampf gegen die Feto-Organisation, den Kampf gegen die Hisbollah, den Kampf gegen die PKK und den Kampf gegen den Terror. Natürlich auch, dass wir die Geflüchteten zurückschicken. Das gilt für beide (Kandidaten). Da mache ich keinen Unterschied zwischen den beiden.
    ZDFheute: Glauben Sie nicht, dass es Herrn Erdoğan leichter fallen würde, ihnen das schriftlich zu geben, was er ohnehin schon tut bezüglich der Terrorfrage?
    Oğan: Das weiß ich nicht. Das muss man Herrn Erdoğan fragen. Bei ihm gibt es aber auch die Zusammenarbeit mit den Hisbollah-Terrororganisationen. Und neben der Hisbollah kommt auch noch die Hüda Par dazu. Wir haben den Slogan: "Weder Kandil-Gebirge, noch die Hisbollah."
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    ZDFheute: Sie haben gesagt, was Sie auf keinen Fall wollen ist, dass die Türkei in eine Krise stürzt. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Türkei unter Erdoğan in einer Krise befindet?
    Oğan: Das Land ist bereits in einer wirtschaftlichen Krise. Was ich meine, ist eine politische Krise und die Ungewissheit, mit einem kleinen Unterschied die Wahl zu gewinnen. Also, sagen wir, es wird gewählt ohne unsere Unterstützung und es steht 50 zu 50, also ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das ist eine Krise. Und wenn Erdoğan sich hinstellt und sagt, dass er gewonnen hat: Das ist eine Krise. Was wir wollen, ist:

    Wer immer auch gewinnen wird, soll mit großem Abstand gewinnen, damit sich das in den Köpfen der Gesellschaft setzen kann und es nicht zu einer politischen Krise kommt.

    Denn die Türkei befindet sich bereits in einer wirtschaftlichen Krise, dazu kommt noch das Erdbeben. Wir haben 13 Millionen Einwanderer. Ich persönliche möchte keine politische Krise zusätzlich.
    ZDFheute: Wann werden Sie ihren Wähler*innen eine Empfehlung für die Stichwahl geben?
    Oğan: Bis zum Wochenende. Es ist keine Zeit mehr. Wir haben zwei Wochen.
    Das Interview führte ZDF-Korrespondent Jörg Brase.

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