US-Leaks-Verdächtiger: Das ist über Jack T. bisher bekannt

    Verdächtiger im Pentagon-Skandal:US-Leaks: Das ist über Jack T. bekannt

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    Ein Vorstadt-Kid soll verantwortlich sein für die US-Leaks - dafür, dass die Welt bestens informiert ist über hochsensible US-Operationen. Das ist bislang über Jack T. bekannt.

    Gepanzertes Fahrzeug, Gewehre im Anschlag, schusssichere Westen, Helme: Die Polizisten des FBI, die vor dem Elternhaus von Jack T. anrücken, sind auf alles vorbereitet. Denn sie suchen einen Mann, der mutmaßlich für eines der größten Geheimdienst-Datenlecks in der Geschichte der USA verantwortlich ist.
    Doch aus dem Haus tritt kein Schwerbewaffneter, sondern ein schlaksiger, junger Mann in T-Shirt und roter kurzer Sporthose. Seine Hände hat er hinter den Kopf verschränkt als Zeichen dafür, unbewaffnet zu sein. Jungenhaft und ungefährlich wirkt er, fast ein wenig hilflos. Langsam nähert sich Jack T. den Einsatzkräften. Widerstandslos ergibt er sich.

    US-Ermittler suchten tagelang nach undichter Stelle

    Tagelang suchten Ermittler in den USA fieberhaft nach der undichten Stelle in der Daten-Affäre - nach der Person, die für die Veröffentlichung Dutzender vertraulicher Dokumente der US-Geheimdienste und des Pentagons im Internet verantwortlich ist.
    Schon seit Wochen kursieren sie teils in originaler Form, teils manipuliert im Netz. Sie enthalten hoch sensible Informationen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, auch zu Spähaktionen der USA gegen Verbündete. Der Schaden ist immens, das Vertrauen in den Partner USA angekratzt. Eine Woche nach ersten Medienberichten zu dem Leck gelingt den US-Behörden nun scheinbar der Durchbruch. Der mutmaßliche Maulwurf: Ein Mann aus den eigenen Reihen.

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    Mutmaßlicher Täter prahlte wohl in Chatgruppe mit Geheimdokumenten

    Jack T. ist 21 Jahre alt und arbeitet als IT-Fachmann auf einem Militärstützpunkt in Massachusetts. Nur Stunden, bevor er festgenommen wird, veröffentlichen US-Medien erste Details zu dem mutmaßlichen Täter, wühlen im Leben von T., das sich zum großen Teil im Internet abspielt.
    Auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord leitet er demnach eine Chat-Gruppe, die sich 2020 während der Corona-Pandemie gründete. Sie hat rund zwei Dutzend junge Mitglieder mit Vorliebe für Waffen und Militärausrüstung. An diesem Ort veröffentlicht T. mutmaßlich die brisanten Unterlagen.
    Er erzählt der Gruppe, dass er auf dem Militärstützpunkt, wo er arbeite, an die Dokumente gelangt sei. Dort habe er Teile des Tages in einer abgesicherten Einrichtung verbracht, in der Mobiltelefone und andere elektronische Geräte verboten gewesen seien, mit denen Fotos oder Videos gemacht werden können.
    Daher habe er die Dokumente zunächst abgeschrieben. Über mehrere Monate setzt der 21-Jährige seine Posts ab. Ihm sei es wohl darum gegangen, "vor seinen Freunden zu prahlen", aber auch darum, sie zu informieren, sagt ein Mitglied der Gruppe der "Washington Post".

    Küchentisch könnte mutmaßlichem Maulwurf zum Verhängnis werden

    Doch mit der Zeit wird T. wohl leichtsinnig. Das Abschreiben wird ihm zu anstrengend. Es könnte sein, dass er frustriert war, weil andere in der Gruppe seinen Enthüllungen nicht genug Aufmerksamkeit schenkten. Laut den Recherchen beginnt er, Fotos von ausgedruckten Dokumenten hochzuladen.
    Wohl ein Fehler: Bei ihren Nachforschungen stießen Medien darauf, dass Details der Kücheneinrichtung aus dem Elternhaus von T., die auf Familienfotos in sozialen Medien veröffentlicht wurden, mit Details am Rand einiger Fotos der veröffentlichten Geheimdokumente übereinstimmen könnten.

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    Kurz vor Berichterstattung über Datenleaks wirkt T. verzweifelt

    Mitte März hört T. plötzlich auf, Dokumente mit der Chat-Gruppe zu teilen. Grund war den Recherchen nach, dass jemand aus dem Kreis Ende Februar Unterlagen in einer anderen Gruppe postete und so die intern abgesprochene Geheimhaltung brach.
    Kurz bevor die "New York Times" Anfang April erstmals über das Leck berichtet, wirkt der junge Mann dann verzweifelt. "Er sagte, es sei etwas passiert und er bete zu Gott, dass dieses Ereignis nicht eintrete", zitiert die "Washington Post" ein minderjähriges Mitglied der Gruppe.

    Jack T. wurde wohl als Anführer der Chat-Gruppe angesehen

    Mehrere in der Chat-Gruppe sollen Jugendliche gewesen sein, Halbstarke in Kellerräumen. In Interviews beschrieben einige Mitglieder ihren Chat-Kumpel als fit, trainiert, bewaffnet, als Anführer-Typ, als einen, zu dem sie aufgeschaut haben. Ein Freund nennt T. patriotisch, einen gläubigen Katholiken, jemand mit Interesse an Waffen und Zweifeln an der Zukunft Amerikas.
    Anders als etwa bei den Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden deutet bislang nichts auf ein politisches Motiv hin. Trotz düsterer Ansichten sei T. nicht unbedingt feindselig gegenüber der US-Regierung gewesen, sagen Mitglieder der Chat-Gruppe. Auch dass er ein russischer oder ukrainischer Agent gewesen sei, halten sie für unrealistisch.

    Hatte Jack T. überhaupt Zugang zu Geheimdokumenten?

    Aber wie kann es überhaupt sein, dass ein blutjunger Mitarbeiter Zugang zu derart sensiblen und brisanten Informationen hat? Offiziell ist dazu noch nichts bekannt. Als IT-Fachmann auf dem Militärstützpunkt in Massachusetts habe T. Computer und Kommunikationssysteme verwaltet, schreiben US-Medien. Obwohl er in einem unteren Dienstgrad tätig gewesen sei, habe er damit möglicherweise auch Zugang zu internen Netzwerken mit streng geheimen Informationen gehabt - eigentlich, um diese zu schützen.
    Pentagon-Sprecher Pat Ryder betont, beim US-Militär werde Mitarbeitern nun mal oft "schon in jungen Jahren eine große Verantwortung" übertragen. "Denken Sie an einen jungen Platoon Sergeant und die Verantwortung und das Vertrauen, das wir in diese Personen setzen, wenn sie Truppen in den Kampf führen."

    Geheimdienstexperte sieht menschlichen Faktor als Schwachstelle

    Ex-Geheimdienstkoordinator James Clapper erklärt, das System zum Umgang mit geheimen Unterlagen in der US-Regierung basiere zu einem gewissen Grad auf persönlichem Vertrauen. Ja, es gebe Sicherheitsüberprüfungen, um sicherzustellen, dass Personen, die Zugang zu Verschlusssachen bekämen, vertrauenswürdig seien und keine Informationen preisgäben, sagt er dem Sender CNN. Aber der menschliche Faktor bleibe. "Das ist die Schwachstelle hier."
    Clapper sagt, als Reflex nach jedem Datenleck dieser Art werde zunächst eingeschränkt, wer Zugang zu geheimen Informationen bekomme. "Und mit der Zeit erweisen sich diese Verfahren als lästig und ineffizient, und dann werden sie wieder gelockert."
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    Quelle: Magdalena Tröndle und Christiane Jacke, dpa

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