Was hinter dem Trend der personalisierten Ernährung steckt

    Ernährungstrend:Ist personalisierte Ernährung die Zukunft?

    von Christina-Maria Pfersdorf
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    Viele Fachleute sind sich mittlerweile einig: Es gibt nicht die eine Form der Ernährung, die gut und gesund für alle ist. Welche Rolle Gene, Mikrobiom und Biomarker spielen.

    DNA-Strang vor blauem Hintergrund
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    Kalorientracker, Fitnesswatches, Abnehm- oder Fastenapps: Viele Menschen nutzen bereits smarte Tools, um herauszufinden, wie viel, was und wann sie essen dürfen. Personalisierte Ernährung ist vor allem durch die Digitalisierung einer der großen Trends im Ernährungssektor. Die Empfehlungen werden dabei immer individueller.

    Ernährungstrend: Mit Speichelprobe zum Wunschgewicht?

    Aktuell gibt es zum Beispiel viele Angebote für kommerzielle DNA-Tests, die den individuellen Stoffwechsel-Typen ermitteln wollen. Ernährt man sich dementsprechend, "könne man gesünder, länger oder leichter leben", so das Versprechen der Anbieter.
    Die daraus basierenden Ernährungsempfehlungen, inklusive Rezepte oder sogar personalisierten Nahrungsergänzungsmitteln, gibt's dann aufs Handy. Tatsächlich sollen Gene bis zu 80 Prozent für das Gewicht verantwortlich sein. Doch aktuell können Fachleute noch nicht erklären, was genau diese Zahl ausmache.

    Die Arbeitsgruppe "Personalisierte Ernährung" der Deutschen Gesellschaft für Ernährung definiert personalisierte Ernährung als "einen umfassenden Ansatz, bei dem die Ernährungsempfehlungen und -dienstleistungen oder Produkte offeriert werden, die ...
    1. auf die individuellen Bedarfe und Bedürfnisse von Personen abgestimmt sind,
    2. dem Erhalt oder Erwerb von Gesundheit und Wohlbefinden bzw. der Therapie von ernährungsbedingten Krankheiten dienen
    3. und die Realisierung einer nachhaltigen Ernährung.

    Die Ernährungsberatung durch Fachkräfte wie Diätassistent*innen, Ökotropholog*innen und Ernährungswissenschaftler*innen ist im Grunde die klassische Form der personalisierten Ernährung.

    Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung

    Keine Ernährung auf Basis von Genvarianten empfehlbar

    "Wenn man sich jetzt diese Genvarianten anschaut, dann können diese Genvarianten nur etwa drei Prozent der genetischen Komponente erklären," sagt Christina Holzapfel, Professorin für Humanernährung an der Hochschule Fulda. Das heißt, man habe eine starke Kluft zwischen dem, was man annimmt, und dem, was man erklären könne.

    Anhand einer bestimmten Genvariante kann ich wissenschaftlich gesehen aktuell keine Ernährungsempfehlung aussprechen.

    Prof. Christina Holzapfel, Ernährungswissenschaftlerin

    Prof. Katja Lotz
    Prof. Katja Lotz, Leiterin des Forschungsprojekts "Personalisierte Ernährung", erläutert die Möglichkeiten und Grenzen von Ernährungsempfehlungen, die auf genetischen Informationen basieren und gibt einen Ausblick auf die Ernährung der Zukunft.08.05.2023 | 5:40 min

    Forscherin: Blutbild wichtiger Nährstoff-Indikator

    Doch woher weiß man, welche Lebensmittel die optimalen für die individuelle Gesundheit sind? Katja Lotz leitet das Forschungsprojekt "Personalisierte Ernährung" an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn. Die Ökotrophologin sieht in der Untersuchung von Blutparametern und dem Blutzucker die richtigen Ansätze.
    "Das klassische Blutbild gibt immer noch den besten Aufschluss, welche Nährstoffe kritisch sein könnten. Zudem gibt es heute Sensoren, die den Blutzucker in livetime tracken und so schnell einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr gewisser Lebensmittel und Symptomen wie Migräne feststellen können", so die Expertin.
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    Wie viel Zucker steckt in verarbeiteten Produkten?28.04.2023 | 7:02 min

    Individueller Plan soll gesundes Ernährungsverhalten ermöglichen

    Personalisierte Ernährung diene dazu, den Einzelnen dabei zu unterstützen, ein gesundes Ernährungsverhalten zu etablieren. Und das beginne bereits beim Einkauf. "Den Menschen muss man in seinem Lebensalltag abholen. Wir können ins Genom, ins Mikrobiom reinschauen, letztlich scheitern Projekte am alltäglichen Ernährungsverhalten", sagt Katja Lotz.
    Die Professorin und ihr Team forschen aktuell an einer Applikation, die die Kunden bereits im Supermarkt dabei unterstützen soll, die für sie optimalen Lebensmittel auszuwählen.

    Ein großes Potenzial personalisierter Ernährung steckt laut Experten in der Vorbeugung von nicht übertragbaren Krankheiten, wie Adipositas und als mögliche Folge davon Diabetes mellitus Typ-2, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck. Aber auch Krebs oder Demenz können ihre Ursache in einer ungesunden Ernährung haben. Dies alles sind Erkrankungen, die laut Prognosen in den nächsten Jahren zunehmen werden und auf deren Entstehung die Ernährung Einfluss haben kann.

    Durch seriöse Konzepte der personalisierten Ernährung im alltäglichen Gebrauch wird jedem die Möglichkeit gegeben, sich durch individuelle Empfehlungen gesünder zu ernähren, ohne den Genuss aus den Augen zu verlieren. Personalisierte Ernährung soll dazu beitragen, die Menschen gesund altern zu lassen und die Anzahl an Jahren, die im hohen Alter in Lebensqualität verbracht werden, zu verlängern. Das hat den positiven Effekt, weniger Jahre in Krankheit verbringen zu müssen. Ziel personalisierter Ernährung ist es, sowohl individuelle Gesundheit und Lebensqualität zu ermöglichen als auch hohe Ausgaben für die medizinische Versorgung ernährungsabhängiger Krankheiten zu vermeiden.

    Quelle: ZDF

    Braucht es keine allgemeinen Empfehlungen mehr?

    Heißt personalisierte Ernährung im Umkehrschluss, dass allgemeingültige Ernährungsempfehlungen überholt sind? Hier finde tatsächlich gerade ein Umdenken bei den Ernährungsgesellschaften statt, so Lotz. Grundlage bleibe aber eine pflanzenbasierte Ernährung mit einem kleinen Anteil an tierischen Lebensmitteln.
    Von der wisse man heute, dass sie am besten geeignet sei, den Menschen und Planeten gesund zu halten. "Es gibt aber zum Beispiel Menschen, die keine Hülsenfrüchte vertragen. Sie brauchen dann andere Proteinquellen. Nicht alles ist für alle gleichermaßen gut", erklärt Katja Lotz.

    Expertin: Essen darf nicht als "Sünde" gelten

    Und darum geht es auch bei der personalisierten Ernährung: Das zu essen, worauf man Lust hat, aber bewusst und eben nicht jeden Tag.

    Was uns aber ganz wichtig ist, diesen Sünden-Charakter aus der Ernährung zu nehmen. Essen bedeutet auch Genuss.

    Prof. Katja Lotz, Ökotrophologin

    Digitale Tools könnten beim Motivieren und Erinnern helfen, Schlemmertage wieder auszugleichen.

    • Nudging: Darunter versteht man, Menschen "anzustupsen" - sie schon im Supermarkt dazu zu motivieren, zu den für sie richtigen Lebensmitteln zu greifen.
    • Smarte Apps und Anwendungen: "Intelligente Warenkörbe", bei denen sich der reale mit dem digitalen Warenkorb verknüpft. So kann eine App bereits erfassen, was man einkauft und möglicherweise auch Gegenvorschläge unterbreiten.
    • Außer-Haus-Verpflegung: Der Kassenzettel der Kantine kann gescannt werden - daraufhin können Vorschläge für die nächsten Mahlzeiten unterbreitet werden. Motivation könnte zusätzlich über das betriebliche Gesundheitsmanagement kommen.
    • Alten- und Krankenpflege: Mit Hilfe eines 3D-Drucks zum Beispiel können Produkte mit individuellen Nährstoffen angereichert und in unterschiedlichen Konsistenzen zubereitet werden.

    Quelle: ZDF

    Durch die Digitalisierung sollen alle Menschen dazu ermuntert werden, sich mit ihrem Ernährungsverhalten auseinander zu setzen. "Wir möchten die Ernährung demokratisieren und vor allem auch Menschen erreichen, die sich aus Zeit oder Bildungsgründen nicht mit ihrer Ernährung beschäftigen können", sagt Katja Lotz.
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