WM-Eröffnungsspiel: Hohn und Spott für Stadionflucht

    WM-Eröffnungsspiel:Hohn und Spott für Stadionflucht

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    Erst eine pompöse Eröffnung, dann eine überraschende Fan-Flucht schon zur Pause: Für das WM-Eröffnungsspiel Katar gegen Ecuador ernten FIFA und Veranstalter Häme.

    Die Zuschauer verlassen vor Spielende des Eröffnungsspiels das Al-Bait Stadion
    Zeit zu gehen, die Mannschaft liegt hinten. 15 Minuten vor dem Abpfiff war das Al-Bayt Stadion halb leer.
    Quelle: dpa

    Die Fan-Flucht zur Pause des Eröffnungspiels Katar - Ecuador (0:2), Berichte über chaotische Zustände auf dem WM-Fest im Herzen der Hauptstadt Doha und weitere Vorwürfe von Arbeitsmigranten haben am ersten Spieltag der WM 2022 für die nächsten Risse in der Glitzerfassade des katarischen Multimilliarden-Projekts gesorgt.

    "Glatte 6" für die Katar-Fans

    Die FIFA und ihr Boss Gianni Infantino sowie die katarischen Organisatoren haben sich bislang nicht geäußert, die internationale Presse fällte ein vernichtendes Urteil.
    Eine "glatte 6" erhielten die einheimischen Fans von der Zeitung "El Mundo Deportivo" für das Auftreten beim 0:2 (0:2) ihres chancenlosen Teams gegen Ecuador. Von einer "peinlichen Eröffnung" und einem nie dagewesenen "Desinteresse" an einem WM-Auftakt schrieb "AS".

    Stadionflucht zur Halbzeit

    Die Verwunderung war groß, als schon zur Pause etliche Katarer das Stadion verließen. Schließlich hatten sich die Gastgeber mit ihrer ausschweifenden Eröffnungsfeier zunächst als weltoffen, tolerant und fußballbegeistert inszeniert.
    Doch wenig später, im Eröffnungsspiel, schien nach den frühen Gegentoren die WM-Euphorie verflogen, 15 Minuten vor dem Ende war nicht einmal mehr die Hälfte der Plätze in der Arena im Wüstenstädtchen Al-Khor besetzt.

    "So etwas habe ich noch nie gesehen"

    "So etwas habe ich noch nie gesehen - und das ist meine zehnte Weltmeisterschaft", sagte Béla Réthy, der die Partie für das ZDF kommentierte. ZDF-Experte Christoph Kramer scherzte, er wäre "wahrscheinlich auch früher gegangen. Sie sind halt keine Fußball-Nation".
    Die Organisatoren vermeldeten 67.372 Zuschauern - in einer Arena, die offiziell nur 60.000 Plätze bietet. Kurz vor dem Abpfiff war das "Beduinenzelt-Stadion" fast komplett verwaist. Einzig ein kleiner Block katarischer Anhänger mit roten Shirts blieb geschlossen bis zum Ende.

    Nationalcoach Sanchez beschwichtigt

    Erneut prasselte Kritik auf den Gastgeber ein, dem auch im Vorfeld immer wieder fehlende Fußball-Tradition vorgeworfen worden war. Von all dem ließen sich Emir Tamim bin Hamad Al Thani und Infantino, der sich auf der Ehrentribüne in Gesellschaft des katarischen Herrschers und des umstrittenen saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman präsentierte, nichts anmerken.

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    20.11.2022, Katar, Al-Chaur: Fußball, WM 2022 in Katar, Katar - Ecuador, Vorrunde, Gruppe A, Spieltag 1, Eröffnungsspiel im Al-Bait Stadion, Künstler tanzen während der Eröffnungsfeier.
    Der katarische Nationalcoach versuchte sich zudem in Schadensbegrenzung. "Wir haben uns unterstützt gefühlt", beteuerte Felix Sanchez nach dem Premieren-Auftritt, der gewaltige Zweifel an der WM-Tauglichkeit der Katarer aufkommen ließ. Er hoffe, "dass die Leute nach den nächsten Spielen stolzer auf uns sind".

    Arbeiter klagen: Kein Essen, nichts zu trinken

    Probleme gab's auch rund um das Auftaktspiel. Kurz vor dem Stadion 50 Kilometer nördlich von Doha kam es zu einem Verkehrschaos, auf dem Fanfest im Al-Bidda-Park offenbar auch zu Tumulten. Der "Mirror" berichtete von "Rangeleien und Schubsereien" zwischen Polizisten und Fans aufgrund des Andrangs.
    Dazu klagten rund 200 Arbeitsmigranten über schlechte Bedingungen beim Eröffnungsspiel. Die Gruppe, die für Verkaufsstände eingeplant wurde, musste laut Angaben der "New York Times" früh am Morgen am Stadion eintreffen und dann über sieben Stunden ohne Essen, Wasser und sanitäre Einrichtungen auf ihren Einsatz warten. Die Versuche, den Arbeitgeber zu kontaktieren, seien gescheitert.

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    von Laura Marie Mertes
    Markus N. Beeko
    Und sportlich? Ob Katar die schlechteste Gastgebermannschaft der Geschichte sei, fragt sich die spanische "Marca". Die Gastgeber ließen zu keinem Zeitpunkt WM-Niveau aufblitzen, Katars Coach Sanchez schob die Überforderung auf die Nerven: "Es war die Nervosität. Das tut uns wirklich weh."
    Zwölf Jahre hatte sich das Team auf die WM vorbereitet, nun droht in der Gruppe mit den Niederlanden und Senegal das Aus - und die nächsten Kratzer am prestigeträchtigen WM-Projekt.
    Quelle: Jonas Wagner und Andreas Asen, SID
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