Trinkgeld in den USA außer Kontrolle - 30 Prozent üblich

    "Tipflation" in den USA:30 Prozent üblich - Trinkgeld außer Kontrolle

    von Katharina Bellstedt, New York
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    Wer derzeit in die USA reist, sollte das Reisebudget erhöhen. In Restaurants, Cafés und für Taxis werden Trinkgelder von bis zu 30 Prozent gefordert. Doch die ersten Kunden murren.

    Trinkgeld (Symbolbild)
    Mittlerweile wird viel digital gezahlt - was ein höheres Trinkgeld nicht so schmerzhaft erscheinen lässt.
    Quelle: picture alliance / Sonja Marzoner/dpa

    Es fing alles mit der Corona-Pandemie an: Viele Unternehmen mussten ihr Geschäft vorübergehend schließen oder konnten nur unter besonderen Bedingungen öffnen. Da die Menschen aber ihre lokalen Cafés und Restaurants unterstützen wollten, gaben sie freiwillig höhere Trinkgelder. Ohnehin erlebte das allgemeine Konsumverhalten - wie in den meisten Ländern - auch in den USA während des Lockdowns einen Rückgang. Entsprechend blieb mehr Geld für den sogenannten "Tip" (engl. für Trinkgeld) übrig.
    Mit der Rückkehr in das normale Leben sank aber nicht die Forderung nach dem üppigen Trinkgeld. Im Gegenteil: In Amerika ist es inzwischen üblich, einen Aufschlag von bis zu 30 Prozent auf den Gesamtpreis zu zahlen.
    Leere Holztische im Außenbereich eines Restaurants
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    Mindestlohn gilt nur, wenn man kein Trinkgeld bekommt

    Viele Amerikaner leben vom Trinkgeld, es gilt als Teil ihres Einkommens. Der vom Arbeitsministerium vorgeschriebene Mindestlohn von 7,25 Dollar gilt nämlich nicht für Arbeitnehmer, die in ihren Berufen einen Tip erhalten. Sie arbeiten vor allem in der Gastronomie- oder Tourismusbranche und fallen damit in die Kategorie des "tipped wage" in Höhe von 2,13 Dollar pro Stunde.
    Angesichts dieser Regelung ist es also durchaus angemessen, ein gutes Trinkgeld für ein Abendessen oder für die Taxifahrt zu geben. Dennoch scheint dies seit der Pandemie außer Kontrolle geraten zu sein, amerikanische Medien betiteln diese Entwicklung inzwischen als "Tipflation".

    Tip wird auch beim Coffee to go verlangt

    Rebecca lebt für ein Jahr als Aupair in Chicago, sie achtet stets darauf, ein angemessenes Trinkgeld zu geben. Dennoch mache sie die Höhe, so wie sie es aus ihrer Heimat gewohnt ist, immer von der Servicequalität abhängig.

    Mich hat am Anfang gewundert, dass hier tatsächlich nach einem Tip gefragt wird, wenn ich mir nur schnell einen Coffee to go am Tresen bestelle.

    Rebecca, Aupair in Chicago

    "Das würde mir in Deutschland so nicht begegnen", so die Bayerin.
    Auf dem Bild ist ein Strand voller Touristen zu sehen.
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    Auch Kartenzahlung trägt zum höheren Trinkgeld bei

    Hinzu käme laut Steve H. Hanke, Professor für Angewandte Wirtschaftswissenschaften an der Johns-Hopkins-Universität, die Etablierung digitaler Zahlsysteme:

    Es ist weniger schmerzhaft, per Knopfdruck das Trinkgeld vom Bankkonto abbuchen zu lassen als das Bargeld aus dem Portemonnaie verschwinden zu sehen.

    Steve H. Hanke, Johns-Hopkins-Universität

    Die Corona-Pandemie hatte unter anderem zur Folge, dass vermehrt auf die Kartenzahlung zurückgegriffen wird, das gilt auch für kleine Beträge. So fragt das Zahlterminal häufig schon beim Kauf eines einzigen Bagels nach 22, 25 oder 30 Prozent Trinkgeld.

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    Ein Geldschein liegt auf einem Hotelbett.

    Trinkgeld auch in Deutschland für Dienstleistungen

    Und wie sieht es in Deutschland aus? Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagt gegenüber ZDFheute: "Es ist mittlerweile üblich, dass man bei Dienstleistungen des täglichen Lebens auch in Deutschland ein Trinkgeld zahlt, auch wenn dieses prozentual viel geringer ist als in den USA."
    Dem Ökonom zufolge sei in der Gesellschaft inzwischen ein Bewusstsein für die steigende Ungleichheit der Einkommen und Lebensbedingungen angekommen. Hier lautet die Faustregel: zehn bis 15 Prozent auf den Gesamtpreis.
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    USA: Kunden verweigern zunehmend hohe Trinkgelder

    Ob Amerika jemals auf dieses vergleichsweise niedrige Extrageld zusteuern wird, ist fraglich. Dennoch könnte die "Tipflation" laut Hanke möglicherweise in Zukunft abklingen: "Die jüngsten Anzeichen deuten darauf hin, dass sich immer mehr Kunden gegen das hohe Trinkgeld auflehnen und Einrichtungen, die hohe Trinkgelder fordern, vermeiden." Und da es in der Wirtschaft immer um das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gehe, werde der Markt langfristig wieder für ein Gleichgewicht sorgen, so der Experte zum ZDF.

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