Die Biodiversität in Deutschland nimmt ab. Zwar machen sich Naturschutzmaßnahmen bemerkbar, dennoch ist die Lage laut Experten alarmierend. Es gelte zu schützen, was noch da ist.
"Es ist ein bisschen wie an der Börse", sagt Helge Bruelheide, Geobotaniker an der Universität in Halle. "Die Verluste verteilen sich auf viele kleine Verlierer, die Gewinne streichen wenige große Unternehmen ein. So beschreibt Bruelheide einen Teil der Erkenntnisse aus einer Studie zur Artenvielfalt in Deutschlands Pflanzenwelt, die kürzlich veröffentlicht wurde.
Laut Bruehlheide gab es in den vergangenen fast 100 Jahren in Deutschland mehr Pflanzenarten, die Bestandsverluste hatten als solche mit Zugewinnen. Konkret zeigten 1011 der in der Studie untersuchten Arten einen negativen und nur 719 einen positiven Bestandstrend - also: 40 Prozent mehr Verlierer als Gewinner.
Experte sieht alarmierende Ergebnisse
Gewinne konzentrierten sich auf wenige sich rasch verbreitende Arten neben denen es viele gab, die nur wenig zulegten. Für die Studie wurden 1794 Arten untersucht. Nur bei wenigen hatte sich die Ausbreitung nicht verändert.
Zwar seien Erfolge von Naturschutzmaßnahmen sichtbar und der nach wie vor anhaltende negative Trend sei etwas abgeschwächt - dennoch liefere die Studie aus Sicht von Helge Bruelheide alarmierende Ergebnisse. Ein Nabu-Sprecher erklärt:
Mit seinem "Drei-Zonen-Garten" erschafft Markus Gastl ein Paradies für Tier und Mensch. Auch andere Naturliebhaber sind von der Idee begeistert.
Die Abnahme von Pflanzenarten wirke sich direkt auf die Tierarten aus, die diese als Nahrungsquelle oder Lebensraum nutzten.
Nach zehn Jahren Arbeit stehen Gewinner und Verlierer fest
Doch wer sind die Verlierer und Gewinner? Zu Letzteren gehören laut Bruelheide zum Beispiel die Spätblühende Traubenkirsche und die Roteiche, die beide aus Nordamerika stammen, mittlerweile aber auch in Wäldern Deutschlands zu finden seien. Im großen Lager der Verlierer finden sich viele Ackerwildkräuter wie die Kornblume, Wiesenbewohner wie die Acker-Witwenblume und Feuchtgebietsarten wie der Teufelsabbiss.
Besonders stolz ist Bruelheide auf die Datenfülle der "Spurensuche" in ganz Deutschland. Die Arbeit habe über zehn Jahre in Anspruch genommen. Zahlreiche Fachleute hatten für die Studie Daten von mehr als 7.700 Flächen zur Verfügung gestellt, deren Pflanzenbestand von 1927 bis 2020 mehrfach erfasst worden war. "Wir können die Entwicklungen nun mit Daten festklopfen", sagt Bruelheide.
Das Insektensterben schreitet voran - wie stark, das belegt eine Rote Liste. Mehr als ein Viertel der neu bewerteten Insektenarten in Deutschland ist in ihrem Bestand gefährdet.
Appell: Schützen, was noch da ist
Vieles sei bereits verloren. Von einigen Pflanzen gebe es nur noch so wenige Exemplare, dass man sie im niedrigen dreistelligen Bereich zählen könnte. Diese Entwicklung müsse gestoppt werden. Aus den langjährigen Verlusten bei einem Großteil der Arten lässt sich für den Forscher Bruelheide nur eines ableiten:
Deutschland benötige mehr und besser gemanagte Schutzgebiete, damit Populationen Rückzugsorte finden und in denen seltene Arten überleben können, betont auch der Sprecher des Nabu. Vor allem sei eine Reduktion der Pestizide notwendig. Auch die Bemühungen Flüsse wieder zu renaturieren müssten weiter gehen.
- WWF-Bericht: Dramatisches Artensterben
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