Zahl der Infektionen steigt:Wie gefährlich ist der Pilz Candida auris?
von Jan Schneider
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Gesundheitsbehörden warnen vor der Ausbreitung einer Pilzinfektion mit "alarmierender Geschwindigkeit". Der Hefepilz Candida auris kann zu tödlichen Infektionen führen.
Dr. Christoph Specht mit Einzelheiten über den infektiösen Krankenhaus-Pilz29.03.2023 | 4:48 min
Anfang des Jahres berichtete das US-Gesundheitsministerium von einem krankheitserregenden Pilz, der sich in amerikanischen Gesundheitseinrichtungen "mit alarmierender Geschwindigkeit" ausbreitet. Mittlerweile steigen die Infektionen durch den Pilz Candida auris auch in Deutschland.In den USA hatten sich die Fälle seit 2020 mehr als vervierfacht - von damals 1.310 Fällen auf 5.754 Fälle im vergangenen Jahr. 2022 mussten 2.377 Personen mit der Infektion im Krankenhaus behandelt werden.
Inzwischen ist es auch in England, Spanien und Italien zu Infektionen in Krankenhäusern gekommen. Da Infektionen durch Candida auris über direkten und indirekten Kontakt von Patient zu Patient übertragen werden, sind solche Krankenhausausbrüche nur schwer kontrollierbar. Die US-Behörden haben Candida auris nun als "dringliche Bedrohung" eingestuft - die höchste Priorisierungskategorie innerhalb der multiresistenten Krankheitserreger. Was ist das für ein Pilz und was macht ihn gefährlich?
Was wir über Candida auris wissen
Candida auris ist ein Hefepilz, der 2009 in Japan im äußeren Gehörgang einer 70-jährigen Patientin erstmals nachgewiesen wurde. Daher stammt auch sein Name: Auris ist das lateinische Wort für Ohr.
Seit seinem ersten Auftauchen hat der Hefepilz weltweit bereits Hunderte Menschen infiziert, vorrangig in Krankenhäusern. Übertragen wird Candida auris als Schmierinfektion, wird also von Mensch zu Mensch und über kontaminierte Oberflächen weitergegeben - nicht über Aerosole wie etwas das Coronavirus. Ein Problem dabei ist, dass der überaus hartnäckige Erreger gegen einige Antimykotika - Medikamente zur Bekämpfung von Pilzbefall - und manche Desinfektionsmittel resistent ist.
Für wen ist Candida auris gefährlich?
Für die breite Bevölkerung besteht kein Grund zur Beunruhigung. Bei den meisten nachgewiesenen Fällen handelt es sich um eine sogenannte "Besiedlung". Das heißt, der Pilz wird irgendwo am Körper nachgewiesen, zum Beispiel in den Achselhöhlen. In diesen Fällen ist keine Behandlung notwendig.
Gefährlich ist Candida auris aber für Patienten auf Intensivstationen oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem, etwa durch bestimmte Vorerkrankungen. Wenn der Pilz nämlich in den Körper eines Menschen gelangt, kann er schwere Erkrankungen verursachen und etwa das zentrale Nervensystem, Organe, Knochen und die Augen befallen.
Candida auris kann bei den Infizierten außerdem in den Blutstrom gelangen und dort eine Sepsis, eine sogenannte Blutvergiftung, verursachen.Etwa 30 Prozent aller Infektionen, bei denen Candida auris in den Körper eindringt, enden tödlich.
Die Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) in den USA bezeichneten Candida auris daher schon 2019 als "ernsthafte globale Gesundheitsbedrohung". Auch, weil der Pilz bei den gängigen Routineuntersuchungen nicht immer zuverlässig zu identifizieren und aufgrund einer weit verbreiteten Resistenz schwer zu behandeln ist.
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Gab es auch schon Fälle in Deutschland?
In Deutschland sind die Fallzahlen in den letzten zwei Jahren angestiegen - allerdings auf insgesamt sehr niedrigem Niveau. Seit 2015 wurden in Deutschland etwa 40 Fälle dokumentiert, berichtet Dr. Alexander Aldejohann vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie in Würzburg. Mehr als die Hälfte dieser Fälle ist allerdings in den letzten zwei Jahren aufgetreten.
In den letzten Jahren kam es in Deutschland auch erstmals zur Übertragung des Erregers in Krankenhäusern. Das Ausbruchsgeschehen konnte jedoch jedes Mal frühzeitig - bereits nach dem zweiten Fall - durch umfassende Infektionsschutzmaßnahmen gestoppt werden.
Es gibt in Deutschland allerdings aktuell keine Meldepflicht für Fälle von Candida auris. Die Dunkelziffer könnte also durchaus hoch liegen. Die geringen Fallzahlen seien daher auch eine "trügerische Ruhe", meint Aldejohann.
Dr. Oliver Kurzai, Leiter des nationale Referenzzentrums für invasive Pilzinfektionen NRZMyk, hat beim Robert-Koch-Institut angeregt, eine Labormeldepflicht für den Erreger zu prüfen.
Wie ist der Anstieg der Infektionen zu erklären?
Das CDC nennt verschiedene Gründe, wie es zu der Steigerung der registrierten Infektionsfälle kommen kann. Zum einen hätten Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser auch nach drei Jahren Corona-Pandemie noch Probleme mit der allgemeinen Infektionsprävention und -kontrolle.
Die Belastung des Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitssysteme während der Pandemie habe diese Situation eher verschlimmert als verbessert. Zum anderen seien aber auch die Bemühungen zur Erkennung von Fällen verstärkt worden.
Außerdem haben sich die Geräte zur Erkennung von Candida auris verbessert und der Hefepilz wird dadurch bei Untersuchungen besser erkannt.
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WHO warnt vor 19 Pilzerkrankungen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte bereits im Herbst vor 19 krankheitserregenden Pilzen gewarnt, die nach Expertenansicht die öffentliche Gesundheit bedrohen. Vor allem Menschen mit Vorerkrankungen oder eingeschränktem Immunsystem bekämen leicht Pilzinfektionen, die oft spät erkannt würden und immer öfter nicht durch vorhandene Medikamente geheilt werden können.
Besonderen Fokus legt die WHO dabei neben dem Hefepilz Candida auris auf drei weitere Krankheitserreger, die vor allem für Patientinnen und Patienten mit geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein können und ihrer Ansicht dringend besser erforscht werden müssten:
Cryptococcus neoformans, der eine Hirnhautentzündung auslösen kann, Aspergillus fumigatus, der sich unter anderem in der Lunge einnisten kann. Und: Candida albicans. Dieser Erreger ist weit verbreitet und befällt Schleimhäute im Mund, Rachen, Genitalbereich und Darm, sorgt aber bei Gesunden kaum für Probleme. Für Immungeschwächte kann er aber zur Gefahr werden.
Kann vonMensch zu Mensch übertragen werden und Ausbrüche zum Beispiel in Krankenhäusern verursachen. Woher der Erreger stammt, ist noch unklar. Er wurde erst 2009 in Japan entdeckt, ist aber laut der Weltgesundheitsorganisation bereits in mehr als 50 Länder verbreitet. Candida auris kann Resistenzen gegen viele Medikamente entwickeln und ist dann schwer zu behandeln.
Ein Pilz, der in Deutschland eher selten gefunden wird. Weltweit ist er aber wahrscheinlich der häufigste Erreger invasiver Pilzinfektionen. Überwiegend betroffen sind AIDS-Patient*innen, insbesondere in Afrika. Cryptococcus befällt häufig das zentrale Nervensystem und kann schwer zu behandelnde Entzündungen im Gehirn verursachen.
Der Pilz kommt weltweit häufig vor – jeder Mensch atmet täglich Sporen dieses Schimmelpilzes ein. Für gesunde Menschen ist das in aller Regel ungefährlich. Die Immunantwort auf diesen Pilz kann jedoch zu allergischen Reaktionen führen. Besonders gefährdet sind Patient*innen mit geschwächtem Immunsystem. Bei diesen Patient*innen kann der Pilz schwere invasive Infektionen verursachen.
Nicht auf der Liste steht der Schlauchpilz Cordyceps, der in der Erfolgsserie "The Last of Us" durch eine weltweite Epidemie die Menschheit bedroht. Was dort als Zukunftsszenario beschrieben wird, ist zwar "sehr, sehr unwahrscheinlich", hat aber einige Bezüge zur Realität:
In "The Last of Us" stürzt eine Pilzinfektion die Menschheit ins Chaos. Doch ist das tatsächlich möglich? Immerhin breiten sich neue, veränderte Pilzerreger immer weiter aus.