Hisbollah-Militärführung zu großen Teilen ausgeschaltet

    Analyse

    Israel schaltet Kommandeure aus:Massives Problem für die Hisbollah-Führung

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Innerhalb kurzer Zeit tötet Israel eine Reihe hochrangiger Hisbollah-Kommandeure. Was ist zu möglichen Nachfolgern bekannt? Was bedeutet das für die Schlagkraft der Terrormiliz?

    Der Sarg eines der am Luftschlag von Freitag getöteten Hisbollah-Kämpfer am Samstag in Beirut.
    Empfindlicher Schlag gegen die Militärführung der Hisbollah: Der Sarg eines der beim Luftschlag von Freitag getöteten Hisbollah-Kämpfers am Samstag in Beirut.
    Quelle: Ap

    Am Freitag tötete Israel mit einem einzigen Luftschlag in der libanesischen Hauptstadt Beirut 15 Hisbollah-Kommandeure. Es ist ein weiterer einschneidender Vorfall in einer Kette an offensichtlichen Sicherheitspannen der schiitischen Terrormiliz innerhalb kürzester Zeit.
    Insgesamt starben rund 50 Menschen bei dem Angriff auf den Stadtteil Haret Hreik. Darunter ein Großteil der Führung der Radwan-Eliteeinheit der Hisbollah. Prominentestes Opfer war Radwan-Chef Ibrahim Akil. Hinzu kommen die Auswirkungen der Pager-Explosionen am Mittwoch und Donnerstag und die gezielte Tötung von Fuad Schukr, Nummer zwei der Hisbollah und oberster Militärführer, am 30. Juli.
    Damit verlor die Hisbollah in kürzester Zeit so viele hochrangige Kommandeure wie bei keiner früheren Konfrontation mit Israel.
    ZDF-Reporterinnen Anne Brühl und Isabelle Tümena
    Die Angst vor weiterer Eskalation im Nahost-Konflikt wächst. ZDF-Reporterinnen Anne Brühl und Isabelle Tümena sind in Beirut und Tel Aviv und wissen mehr über die Hintergründe.21.09.2024 | 2:08 min

    Was ist zu dem Geheimtreffen in Beirut bekannt?

    Laut israelischen Militärangaben sollen sich die Kommandeure getroffen haben, um eine militärische Reaktion auf die Pager-Explosionen zu planen - inklusive in den Norden Israels einfallender Kämpfer.

    Die Hisbollah plante, Israel zu infiltrieren, die Kontrolle über die Gemeinden in Galiläa zu übernehmen und israelische Zivilisten zu töten und zu entführen, ähnlich wie es die Hamas am 7. Oktober tat.

    Daniel Hagari, israelischer Armeesprecher

    Am Samstag bestätigte das Nahost-Fachportal "Al-Monitor" die Anschuldigungen unter Verweis auf eigene Quellen aus dem Umfeld der Miliz. Es ging um "Pläne für eine Bodenoffensive im Herz der besetzten Gebiete", zitiert "Al-Monitor" die anonyme Quelle.
    Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
    ZDFheute Infografik
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    Wie geschwächt ist die Hisbollah durch den Tod der Kommandeure?

    Für die Getöteten könnten Kommandeure einer jüngeren Generation nachrücken, insbesondere solche, die praktische Kampferfahrung aus dem Syrien-Krieg mitbringen. Der Nahost-Experte Fabian Hinz vom International Institute for Strategic Studies (IISS) sagt ZDFheute:

    Männer wie Akil und Schukr gehörten zur alten Garde, die in den 1980er Jahren die Hisbollah mitbegründeten und entscheidend dazu beitrugen, eine zusammengewürfelte bewaffnete Gruppe in eine der schlagkräftigsten Milizen der Welt zu verwandeln.

    Fabian Hinz, IISS

    "Langfristig können sie zweifellos ersetzt werden, möglicherweise sogar durch jüngere und kompetentere Kommandeure. Kurzfristig hinterlassen sie jedoch eine spürbare Lücke", sagt Hinz.
    Hinz hält es für wahrscheinlich, dass Israel die Angriffe auf Schukr und Akil über einige Zeit vorbereitet habe und auch schon gewisse Informationen über deren Aufenthaltsort hatte. "Solche Angriffe erfordern exzellente Aufklärungsfähigkeiten, sei sie technischer oder menschlicher Natur, deren Aufbau in der Regel viel Zeit in Anspruch nimmt."
    Dass man jetzt zugeschlagen habe, erklärt Hinz so, dass die Abschreckungsfähigkeit der Hisbollah in den Augen Israels zuletzt schrittweise verloren gegangen sei. Israel sehe sich in einer Position, in der man die mit solchen Angriffen verbundenen Risiken kontrollieren könne, sagt Hinz.
    Rauch steigt vom Ort eines israelischen Angriffs auf, der am 22. September 2024 die Außenbezirke des südlibanesischen Dorfes Zibqin anvisierte.
    Die USA haben ihre Staatsbürger dazu aufgerufen, den Libanon unverzüglich zu verlassen. Grund dafür ist der eskalierende Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz.22.09.2024 | 1:27 min

    Was ist über die neue Hisbollah-Militärführung bekannt?

    Laut von der Hisbollah noch nicht offiziell bestätigten israelischen und arabischen Medienberichten soll bereits Ersatz für Ibrahim Akil und Fuad Schukr gefunden worden sein. Ali Karaki und Talal Hamieh sollen zumindest vorübergehend den sogenannten Dschihad-Rat, das oberste militärische Entscheidungsgremium der Organisation, führen. Eine dauerhafte Lösung bedarf auch der Zustimmung der iranischen Revolutionsgarden - angesichts der massiven israelischen Luftschläge ist fraglich, wie die Hisbollah ihre sonst üblichen Prozesse zur Bestimmung neuer Kommandeure aktuell überhaupt durchführen kann.
    Karaki wie Hamieh sind seit vielen Jahren bekannt, beide waren schon zuvor Teil des Dschihad-Rates. Karaki ist dort zuständig für militärische Operationen im Südlibanon und Hamieh Kommandeur der Spezialeinheit 910 mit Fokus auf Operationen außerhalb des Libanon.
    Rauch nach Raketeneinschlag
    In der Nacht hat Israel Angriffswellen gegen Ziele im Libanon gestartet und auch die Hisbollah feuerte Raketen auf Israel.22.09.2024 | 1:09 min
    Matthew Levitt, Hisbollah-Experte am Washington Institute für Near East Policy, schilderte in einem Podcast im Oktober 2023, wie Karaki 2008 in Aserbaidschan wegen Anschlagsplänen auf die dortige israelische Botschaft verhaftet wurde. Nach kurzer Zeit kam er in einem Gefangenenaustausch mit dem Iran wieder frei.
    Im Februar 2024 hatte das israelische Militär bereits einmal versucht, Karaki mit einem gezielten Luftangriff auf dessen Auto zu töten; er konnte aber knapp entkommen. Hamieh gehört noch zur Gründungsgeneration der Hisbollah 1982. Das US-Außenministerium wirft ihm die Verwicklung in zahlreiche Anschläge und Entführungen weltweit vor und hat für Informationen zu Hamieh eine Belohnung von bis zu sieben Millionen Dollar ausgeschrieben.
    Fahndungsaufruf des US-Außenministeriums
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    Wie geht es jetzt weiter mit der Hisbollah-Führung?

    Eine zentrale Person konnte jedoch bislang noch nicht getroffen werden: der Mann an der Spitze, Generalsekretär Hassan Nasrallah. Seit 1992 steht er an der Spitze der Organisation. Über seinen Aufenthaltsort ist nichts bekannt. Seine öffentlichen Reden, zuletzt am Donnerstag, hält er seit Jahren schon nicht mehr in Person vor Anhängern, sondern als Videoübertragung.
    Libanon Karte, Benjamin Netanjahu
    Erst explodieren Pager und Funkgeräte, jetzt hat Israel mit Ibrahim Akil offenbar einen weiteren hochrangigen Hisbollah-Kommandeur getötet. ZDFheute live ordnet ein. 20.09.2024 | 23:31 min
    Dass Israel seine Organisation so durchdringen und überwachen konnte, wird die Handlungsoptionen von Nasrallah und anderen Entscheidern weiter einengen. Sie müssen etwa noch mehr Ressourcen und Zeit als bisher für die eigene Sicherheit aufbringen.
    Für den Experten Hinz wiegt das womöglich noch schwerer als der Verlust an Personal: "Die Hisbollah ist Israel in konventioneller Hinsicht klar unterlegen und setzt auf eine Strategie der asymmetrischen Kriegsführung, bei der Geheimhaltung und Tarnung zentrale Elemente sind." Das Infiltrieren von Lieferketten, Lokalisieren von Waffenlagern und Geheimtreffen stelle die Hisbollah vor ein "ernsthaftes Problem", so Hinz.

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