Anhörung in Den Haag: Ukraine will Russland vor Weltgericht

    Anhörung in Den Haag:Ukraine will Russland vor Weltgericht ziehen

    ZDF-Korrespondent Gunnar Krüger
    von Gunnar Krüger
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    Russland beschuldigte die Ukraine des Völkermords und rechtfertigte so den Krieg. Mit diesem Vorwurf will die Ukraine Russland nun vor den Internationalen Strafgerichtshof ziehen.

    Internationaler Gerichtshof in Den Haag. Archivbild
    Die Ukraine will erreichen, dass das wichtigste UN-Gericht Russland verurteilt.
    Quelle: Peter Dejong/AP/dpa

    Friedenspalast - das ist der Sitz des Internationalen Gerichtshofs. Völkermord - das ist der Vorwurf, der im Raum steht. Russland hat ihn erhoben. Die Ukraine will ihn klären lassen.
    Es sind 15 Richterinnen und Richter in schwarzen Roben und weißen Spitzenkragen, die entscheiden, ob das zulässig ist. Und es ist der Vertreter der russischen Föderation, Gennadi Kusmin, der zeigt, was Rhetorik ist.

    Anhörung Tag 1: Ukraine gegen Russland

    Kusmin legt das Dementi gegen die Ukraine aus: Wenn Kiew den Vorwurf des Völkermords zurückweise, könne das Gericht darüber nicht verhandeln. Das allein sei Grund genug, den Fall zurückzuweisen.

    Denn wenn es keinen Völkermord gab, dann kann es keinen Verstoß gegen die Völkermord-Konvention geben.

    Gennadi Kusmin, Vertreter der russischen Föderation

    Er liest ab, sein Englisch hat starken russischen Einschlag, aber Argumente wenden - das kann er.




    So rechtfertigt Putin den Ukraine-Krieg

    Seit 2014 kämpfen die Ukraine und Russland um den Donbass. Den Schutz der russischen Bevölkerung nannte Russlands Präsident Wladimir Putin selbst als Grund für seinen Krieg - den nur er so nicht nennt.
    "Ich habe beschlossen, eine besondere Militäroperation durchzuführen", sagte Putin am 24. Februar 2023. "Ziel ist der Schutz derer, die acht Jahre unter den Misshandlungen und dem Völkermord durch das Kiewer Regime gelitten haben."
    Internationaler Gerichtshof in Den Haag, aufgenommen am 07.03.2022
    Den Einmarsch in die Ukraine begründete Russland auch mit einem angeblichen Völkermord an der russisch-sprachigen Bevölkerung im Osten des Landes. 18.09.2023 | 2:06 min

    Ukraine will über Völkermord sprechen

    Solche Zitate sind der Haken, an dem die Ukraine Russland vor das Gericht ziehen will. Motto: Völkermord? Okay - reden wir darüber. Russlands Gegenargument ist formaljuristisch. Der Vorwurf ist nicht in einer diplomatischen Note erhoben worden, zähle also nicht vor Gericht. Gennadi Kusmin meint:

    Äußerungen über den Völkermord allein können nach dem Völkerrecht, einschließlich der Völkermordkonvention, nicht illegal sein.

    Gennadi Kusmin, Vertreter der russischen Föderation

    Stephanie van der Berg beobachtet den Prozess. Die Journalistin berichtet für die Nachrichtenagentur Reuters regelmäßig aus Den Haag und betreibt einen eigenen Podcast. Sie muss zugeben: "Die Russen haben einige gute rechtliche Argumente gebracht. Die muss die Ukraine ausräumen." Sie betrachtet allein die juristische Argumentation. Daneben gebe es die "Russland Show".
    • Wann spricht man von Völkermord?

    Vertreter der russischen Föderation zeigt Powerpoint mit Hakenkreuzen

    Kusmin schickt ein Powerpoint-Chart nach dem anderen über die Bildschirme im Saal. Zu sehen: Nazi-Symbole zur Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Und: Nazi-Symbole heute - unter anderem auf deutschen Leopard-2-Panzern.
    Botschaft: Die Kiewer Regierung bestehe aus Neonazis, Russland kämpfe wieder gegen den Faschismus. Juristisch zähle das alles nichts, so Stephanie van der Berg.

    Was die Ukraine von dem Prozess hätte

    Die Ukraine nutzt internationale Gerichte, um ihre Rechtsposition zu sichern. Um immer wieder und in allen Aspekten feststellen zu lassen, dass Putins Krieg ungerechtfertigt war und ist. In Den Haag geht es nur um die Zulässigkeit des Verfahrens. Ein Prozess steht noch aus. Die Prozessbeobachterin van der Berg sagt:

    Irgendwann könnte das den Weg ebnen für Reparationen Russlands an die Ukraine.

    Prozessbeobachterin van der Berg

    "Aber bis dahin gibt es viele Wenns und Abers", so van der Berg weiter.
    03.07.2023, Ukrainekrieg
    Die EU-Justizbehörde Eurojust hat ein internationales Strafverfolgungszentrum eröffnet, um bereits während des Krieges Beweise zur Verfolgung russischer Aggression zu sammeln. 03.07.2023 | 2:29 min

    Anhörung Tag 2: Ukraine gegen Russland

    Ein Aber setzt Anton Korynevych - eins gegen seinen russischen Kollegen. Es ist Dienstag, es ist dasselbe Setting, derselbe Ablauf. Es ist eine völlig andere Sicht der Dinge: "Russland will uns von der Landkarte wischen", sagt der Vertreter der Ukraine. Der Anwalt war früher Vertreter des ukrainischen Präsidenten auf der Krim. Jetzt steht er in Den Haag.

    An Russlands Gewalttaten auf der Grundlage, Völkermord zu verhindern und zu bestrafen, war nichts rhetorisch.

    Anton Korynevych, Vertreter der Ukraine

    Er muss hoffen, dass die Richterinnen und Richter unter Vorsitz einer US-Amerikanerin ihm in diesem Punkt folgen. Sehen sie durch öffentliche russische Äußerungen die Völkermord-Konvention betroffen, dann könnten sie das Verfahren zulassen.
    "Russland hat die Völkermord-Konvention auf den Kopf gestellt", sagt der Ukrainer Korynevych. Die Welt-Gemeinschaft habe es zum Schutz geschaffen, Russland nutze es zur Zerstörung.

    Neues Zentrum in Den Haag
    :Wie Russlands Krieg untersucht werden soll

    Mit einem neuen Zentrum in Den Haag sollen Beweise für russische Kriegsverbrechen und Aggressionen gesammelt werden. Welches Signal die EU damit senden will und was geplant ist.
    Eurojust, ICPA
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    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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    Gunnar Krüger ist Korrespondent im ZDF-Studio Brüssel
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