Deutschland und Ostmitteleuropa: Partnerschaft mit Altlasten

    Kritik an Deutschland:Berlin und Osteuropa: Partner mit Altlasten

    von Thomas Dudek
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    Trotz der Unterstützung für die Ukraine wird Deutschland in Ostmitteleuropa immer wieder kritisiert. Verantwortlich dafür ist die deutsche Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte.

    Verteidigungsminister Pistorius legt einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten in Warschau nieder.
    Verteidigungsminister Pistorius am Grab des unbekannten Soldaten in Warschau.
    Quelle: dpa

    Die in Polen regierende nationalkonservative PiS nutzt den russischen Angriffskrieg in der Ukraine öffentlichkeitswirksam dazu, um Deutschland zu kritisieren. Mehr als das - sie nutzt ihn auch, um Deutschland bloßzustellen. Das konnte man zum wiederholten Male beim kürzlichen Antrittsbesuch von Boris Pistorius (SPD) in Warschau beobachten.
    An einem gemeinsamen Pressestatement hatte sein polnischer Amtskollege Mariusz Błaszczak kein Interesse. Es wäre jedoch zu einfach, solche Aktionen nur auf die diesjährigen Parlamentswahlen zurückzuführen - auch wenn die Nationalkonservativen seit Jahren antideutsche Ressentiments hegen, vor allem, um ihre Stammwählerschaft zu mobilisieren.

    Kritik und Enttäuschung in Polen

    "Die Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz wurde in Polen positiv aufgenommen. Doch deren schleppende Umsetzung, die Debatten um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, haben die Kritik und die Enttäuschung in Polen wieder größer werden lassen", erklärte jüngst Arndt Freytag von Loringhoven, der von 2020 bis 2022 deutscher Botschafter in Polen war.
    Und wie groß diese Enttäuschung auch bei politischen Kräften ist, die Deutschland eigentlich positiv gegenüberstehen, zeigten die vergangenen zwölf Monate:

    Es kann nicht sein, dass für Bundeskanzler Scholz ein gewisser Komfort Deutschlands wichtiger ist als das Leben der Menschen in der Ukraine, ...

    Paweł Kował

    So schimpfte beispielsweise Paweł Kował, der für die oppositionelle Bürgerkoalition von Donald Tusk im Parlament sitzt.



    Auch andere osteuropäische Länder kritisieren Deutschland

    Mit kritischen Worten sparte auch Polens Ex-Außenminister Radosław Sikorski nicht: "Die Deutschen denken, dass sie der Ukraine viel geben. Aber wie während der Finanzkrise, geschieht dies erst in letzter Minute und nicht im ausreichenden Maße. So dass der Eindruck entsteht, dass Deutschland sehr zögerlich ist, was der Glaubwürdigkeit Deutschlands schadet", sagte Sikorski Ende Januar in einem Radiointerview. 2011 erklärte er noch als Außenminister:

    Mehr als deutsche Macht fürchte ich deutsche Untätigkeit.

    Radosław Sikorski, ehemaliger Außenminister Polens

    Solche Stimmen hört man jedoch nicht nur aus Polen. "Es gibt große Länder, die mehr tun könnten", bemängelte im vergangenen Jahr die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas während eines Besuchs in Berlin und stellte dabei auch eine klare Forderung:

    Wir erwarten von Deutschland starke Führung.

    Katja Kallas, Ministerpräsidentin von Estland

    Eine Meinung, die auch Estlands Nachbarn Lettland und Litauen teilen, wo seit 2017 zur Absicherung der Nato-Ostflanke auch Bundeswehrsoldaten stationiert sind.
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    Zukünftig soll dort die Anzahl deutscher Soldaten deutlich steigen – zur Sicherung der Ostflanke, d.h. um schnell reagieren zu können, falls Russland angreift.08.09.2022 | 2:07 min

    Harsche Kritik an Berlin

    Dass die Kritik an Deutschland in Ostmitteleuropa so harsch ausfällt, obwohl beispielsweise Frankreich bei der Ukraine-Hilfe nicht nur zögerlich agiert, sondern auch weniger leistet als Deutschland, liegt auch an der deutschen Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte. Sie brachte Deutschland in der Region gar den Ruf ein, ein trojanisches Pferd Russlands in Europa zu sein.
    Zum Symbol dieser Politik wurde in Ostmitteleuropa vor allem Nord Stream 2. Dass Berlin trotz der Annexion der Krim und der Kritik aus Ostmitteleuropa an der Gaspipeline festhielt, empfanden viele als Affront. "Deutschland hat seine Energiepolitik jahrelang so geplant, dass es von Russland abhängig war", bemängelte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala im vergangenen Jahr in einem Interview. "Leider war Europa rücksichtslos, wenn es um dessen Sicherheit ging. Jetzt zahlen wir den Preis. Was in der Ukraine geschieht, ist ernüchternd", sagte Fiala damals weiter.

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    Verlorenes Vertrauen in Ostmitteleuropa

    Und wie schwer es ist, trotz der verkündeten Zeitenwende das Vertrauen der Ostmitteleuropäer zurückzugewinnen, bekam im vergangenen Sommer Manuela Schwesig (SPD) bei dem ersten offiziellen Polenbesuch seit 2019 zu spüren.
    Zu einem Auftritt der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern waren weder der Marschall, der der Opposition angehört, noch der Wojewode (Regionalchef, Anm. d. Red) der Woiwodschaft Westpommern erschienen. Spätestens durch die umstrittene und von Gazprom unterstützte Klimastiftung MV wurde Schwesig in Polen zum Negativsymbol der deutschen Russlandpolitik.
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