Die Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines im Herbst 2022 haben Spekulationen über die Täter ausgelöst. Nun gibt es neue Spuren - Ermittler bestätigen eine Schiffsdurchsuchung.
Der Generalbundesanwalt hat im Januar ein Schiff auf Sprengstoff untersuchen lassen. Medienrecherchen zufolge steckt hinter dem Sabotageakt womöglich eine pro-ukrainische Gruppe.
Lecks an den Nord-Stream-Pipelines: In der Nacht zum 26. September 2022 hatten Explosionen Nord Stream 1 und 2 zerrissen, schnell war klar: ein Sabotageakt. Jetzt ist Ermittlungsbehörden womöglich ein Durchbruch gelungen: Eine pro-ukrainische Gruppe könnte für die Explosionen verantwortlich sein. Wer sie beauftragt hat: noch unklar.
Was neue Recherchen ergeben haben:
Die "New York Times" berichtete am Dienstag unter Berufung auf mehrere anonyme US-Regierungsvertreter, darauf würden neue Geheimdienstinformationen hinweisen. Es gebe aber keinerlei Hinweise darauf, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj oder sein enges Umfeld in den Sabotageakt verwickelt seien. Ein Mitarbeiter Selenskyjs betonte, Kiew sei "absolut nicht" involviert.
Recherchen der ARD und der Zeit zufolge begann der Angriff auf die Pipelines von Deutschland aus: Am 6. September 2022, knapp drei Wochen vor den Explosionen, soll sich ein sechsköpfiges Kommando in Rostock an Bord einer gemieteten Yacht begeben haben.
Die Ermittler gehen von
- zwei Tauchern,
- zwei Assistenten,
- einem Kapitän und
- einer Ärztin aus, bislang sind sie nicht namentlich identifiziert.
Auf die Berichte zur Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines reagiert Verteidigungsminister Pistorius zurückhaltend. Er wolle "abwarten", ob sich die ukrainische Spur bestätigt.
Professionell gefälschte Ausweise sollen benutzt worden sein. Einen Tag später sei die Gruppe in Wieck am Darß und später an der dänischen Insel Christiansø, nordöstlich von Bornholm, lokalisiert worden. Im Anschluss an die Operation sei die Jacht ungereinigt zurückgegeben worden.
Deutsche Ermittler haben zudem vom 18. bis 20. Januar ein verdächtiges Schiff durchsucht. Gegenüber ZDFheute schrieb die Ermittlungen führende Generalbundesanwaltschaft:
Das sagen die Bundesregierung und weitere Politiker:
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich am Mittwoch zurückhaltend und verwies auf den Generalbundesanwalt in Karlsruhe, der seit Oktober 2022 die Ermittlungen führt. "Er hat damit auch die Hoheit über das Verfahren und nicht die Regierung, aufgrund unseres Verständnisses von Rechtsstaatlichkeit", sagte Baerbock.
Sie verwies auf Untersuchungen in Schweden und Dänemark unter Federführung der dortigen Behörden. Natürlich gebe es einen Austausch unter allen ermittelnden Behörden. Die Ministerin erinnerte daran, dass Schweden, Dänemark und Deutschland vor wenigen Tagen den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darüber informiert haben, dass die Untersuchungen noch laufen und man noch keine Erkenntnisse geben könne.
Die Spuren zu der Nord-Stream-Explosion führen offenbar in die Ukraine. ZDFheute live ordnet die Ermittlungen ein.
Auch Konstantin von Notz, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, will die Ermittlungen abwarten. Gegenüber ZDFheute sagte der Grünen-Politiker:
Verteidigungsminister Boris Pistorius warnte ebenfalls vor voreiligen Schlüssen. Er habe die Recherche mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, sagt der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Es gelte aber abzuwarten, was sich davon wirklich bestätige. Schließlich könne es sich genauso gut um eine "False-Flag-Aktion" handeln, um pro-ukrainischen Gruppierungen etwas in die Schuhe zu schieben.
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Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht nach wie vor Klärungsbedarf. Vor einem Treffen mit europäischen Verteidigungsministern in Stockholm sagte er:
Laut der "New York Times" räumten US-Regierungsvertreter ein, dass vieles noch unklar sei - etwa wer genau die Sprengungen verübt, wer sie angeordnet und wer den Einsatz finanziert habe. Es gebe aber Hinweise darauf, dass es sich um Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin handle. Verantwortlich seien vermutlich ukrainische oder russische Staatsbürger. Britische oder US-Staatsbürger seien nicht beteiligt gewesen.
Göran Swistek, Experte für maritime Sicherheit, zeigte sich im Interview bei ZDFheute live nicht überzeugt von der bisher öffentlichen Informationslage:
Kiew weist jede Verstrickung in den Fall von sich, Moskau fühlt sich bestätigt, Stimmen der Bundesregierung mahnen zur Vorsicht. Die aktuellen Reaktionen zur Nord-Stream-Sabotage.
Das geschah an den Nord-Stream-Pipelines
Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens steckt Sabotage hinter dem Vorfall. Demnach wurden Sprengstoffreste nachgewiesen.
So reagiert Russland:
Über die Frage, wer hinter der mutmaßlichen Sabotage steckt, hat es viele Spekulationen gegeben. Verdächtigt wurde unter anderem Russland selbst - auch wenn unklar blieb, warum die Regierung in Moskau Pipelines sprengen sollte, die für den Export von russischem Erdgas bestimmt sind. Moskau macht für den Anschlag die Geheimdienste der USA und Großbritannien verantwortlich.
Wie werden die Veröffentlichungen zur Pipeline-Explosion in Russland und der Ukraine aufgenommen? ZDF-Reporter Henner Hebestreit und Christian Semm mit Reaktionen aus Kiew und Moskau.
Die jüngsten Berichte wertet Russland als Versuch, von den wahren Drahtziehern abzulenken. "Es ist einfach ein Mittel, um den Verdacht von denjenigen in offiziellen Regierungspositionen, die die Angriffe in der Ostsee angeordnet und koordiniert haben, auf irgendwelche abstrakten Personen zu lenken", erklärt die russische Botschaft in den Vereinigten Staaten auf Telegram. "Wir können und wollen nicht an die Unparteilichkeit der Schlussfolgerungen der US-Geheimdienste glauben."
- Wie Russland die Hersh-Story ausnutzt
Die angebliche Hersh-Enthüllung zur Nord-Stream-Sprengung sorgt auch in Russland für Wirbel: Moskau nennt Biden einen "Terroristen", russische Medien präsentieren neue "Beweise".
Auch die US-Regierung steht unter Verdacht:
Die US-Regierung hatte sich gegen den Bau von Nord Stream 2 gestemmt und das Projekt als geopolitisches Druckmittel des Kreml verurteilt. Anfang Februar sorgte dann der bekannte US-Investigativreporter Seymour Hersh mit einem Bericht für Aufsehen, demzufolge die USA die Pipelines gesprengt haben sollen. US-Marinetaucher hätten im Juni bei einer vom Weißen Haus angeordneten und vom US-Auslandsgeheimdienst CIA geplanten verdeckten Operation mit Hilfe Norwegens Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht.
Die Sprengsätze seien dann im September ferngezündet worden. Die US-Regierung hat dies entschieden zurückgewiesen. "Das ist völlig falsch und eine vollkommene Erfindung", erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson. Unabhängige Faktenprüfer haben auf Ungereimtheiten in dem Hersh-Bericht hingewiesen. Der Journalist hatte den Bericht nicht in einem großen Medium, sondern auf seinem Blog veröffentlicht. Der 85-Jährige beruft sich zudem nur auf eine anonyme Quelle.
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