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"Leipziger Impuls II"

Gemeinwohlorientierung der öffentlich-rechtlichen Medien in Zeiten der COVID-19 Pandemie

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Corona-Pandemie haben MDR-Intendantin Prof. Dr. Karola Wille, SRG-Generaldirektor Gilles Marchand, ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz, ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut, WDR-Intendant Tom Buhrow, Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue sowie Prof. Dr. Timo Meynhardt von der Handelshochschule Leipzig den Leipziger Impuls zum Public Value der Öffentlich-Rechtlichen von 2019 fortgeschrieben.

Der "Leipziger Impuls II" im Wortlaut

Mit dem ersten Leipziger Impuls haben die Unterzeichnenden zum Ausdruck gebracht, dass und wie öffentlich-rechtliche Medien ihre Gemeinwohlorientierung (Public Value) zeitgemäß verstehen und umsetzen sollten.

Die Entwicklungen in der „Corona-Krise“ haben einerseits die eingeschlagene Grundrichtung bestätigt und fordern andererseits weitergehende Akzentsetzungen. Sie beschleunigen sogar die Einsicht in die Notwendigkeit einer konsequenten Gemeinwohlausrichtung unserer Medienhäuser. Denn: Systemrelevant ist, was gemeinwohlrelevant ist.

Verstärkt stellen sich im Moment Fragen medialer Grundversorgung, aber auch zu Herausforderungen, die durch eine stärkere gegenseitige Durchdringung privater und öffentlicher Räume in Folge eines weiteren Digitalisierungsschubs entstehen.

Nicht erst jetzt wurde deutlich, wie wichtig der Dialog mit dem Publikum und ein vertrauensvoller Diskurs mit der Gesellschaft für das Wirken öffentlich-rechtlicher Medienhäuser ist. Jetzt wächst noch einmal nachdrücklicher die Einsicht, dass das konstruktive Gespräch mit allen Beteiligten ein Schlüssel für Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Arbeit öffentlich-rechtlicher Medien ist.

Diese erste Fortschreibung der Handlungsfelder aus dem Impuls von Ende 2019 erfolgt mit besonderem Blick darauf, wie die öffentlich-rechtlichen Medien die Qualität des Öffentlichen in der aktuellen Situation mitgestalten können.

1. Innovationen für die öffentliche Meinungsbildung generieren
Krisen fordern und fördern nicht nur den Gemeinsinn, sie fordern und fördern auch die Kreativität für die Erarbeitung von Lösungen, die das Gemeinwohl stärken. Die Corona-Zeit hat erneut gezeigt, Medien bieten Raum für Dialog und schaffen (dadurch) Gemeinschaft. Zahlreiche kreative Ansätze, wie z.B. neue Erzählweisen, Darstellungs- und Dialogformen werden entwickelt, die für eine Verstetigung nach der Krise und einen Innovationssprung zu nutzen sind.

2. Qualität sichern und weiterdenken
Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, wissenschaftliche Erkenntnisse haben konkrete Auswirkungen auf den Alltag der Menschen. Dem Weltbild der Aufklärung verpflichtet, bemisst sich journalistische Qualität auch an der Frage, wie wissenschaftliche Erkenntnisse konstruktiv-kritisch überprüft, datenjournalistisch kompetent aufbereitet und ausgewogen eingeordnet werden. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, sollten Qualität und Quantität des Wissenschaftsjournalismus ausgebaut und enger mit den tagesaktuellen informationsangeboten verzahnt werden.

3. Gemeinwohlnetzwerke schaffen
In der gemeinsamen Orientierung am Gemeinwohl haben sich öffentlich-rechtliche und private Medienanbieter mit Partnern aus dem Produktions-, Kultur- und Kunstbetrieb und etablierte Unternehmen mit noch jungen Start-ups solidarisiert. Diese Netzwerke sichern ein starkes Gemeinwohl-Rückgrat auch in Zeiten großer gesellschaftlicher und ökonomischer Unsicherheit.
Für das Management der Schnittstellen zu Gemeinwohlpartnern ist eine aktive, inhaltliche Netzwerkarbeit notwendig. Die frühzeitige Beteiligung von Korrespondenten- und Medienpartnernetzwerken spielt eine herausragende Rolle. Der vorausschauende globale Zugang zu Krisenthemen (Frühwarnsystem) wird künftig noch wichtiger. 

 4. Verantwortung für Transparenz übernehmen
Die Krise erfordert besondere Transparenz über den journalistischen Prozess im Balanceakt zwischen klarer Kommunikation der Regierungsvorgaben zum Umgang mit der Krise und dem kritischen Hinterfragen eben dieser Regierungslinie. Dabei – und besonders in Krisensituationen – muss sorgfältig geprüft werden, was jeweils das höhere Erfordernis für das Gemeinwohl ist.
Die Notwendigkeit zur Transparenz besteht insbesondere im Umgang mit unsicheren Datenlagen und Widersprüchlichkeiten. Entscheidungsprämissen müssen offengelegt werden. Wo keine verlässlichen Wahrheitskriterien vorliegen, entsteht Glaubwürdigkeit durch Wahrhaftigkeit im Streben nach Gemeinwohlorientierung und Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags.

5. Unabhängigkeit durch Einbindung sichern
Allumfassende Einbindung bedeutet mehr als Meinungsvielfalt. Wie in der Krise erkennbar wird, gehört dazu, immer wieder über alle Bereiche der Gesellschaft zu berichten und ihre Sichtweisen einzubinden, um deren Bedeutung für die Daseinsvorsorge und für verschiedene Perspektiven auf das Gemeinwohl (z.B. Kulturinstitutionen, Gesundheits- und soziale Einrichtungen, Wissenschaft, Einzelhandel) sichtbar zu machen. Unabhängigkeit entsteht auch dadurch, die gegenseitigen Abhängigkeiten aller von allen in einem funktionierenden Gemeinwesen deutlich zu machen.

6. Gemeinwohlorientierte Führung vorleben
In der Krise hat Führung nach innen zuerst eine stabilisierende Aufgabe. Zur Fürsorgepflicht gehören Schutz und Unterstützung aller Kolleginnen und Kollegen in allen Belangen. Inwieweit die neuen Arbeitsformen eine dauerhaft neue Normalität schaffen können, wird von der Vertrauenskultur und der Bereitschaft Neues zuzulassen vor Ort abhängen. Dazu gehört auch der partnerschaftliche Umgang mit Produzierenden, Autorinnen und Autoren und der Kreativwirtschaft insgesamt.

Die Sicherung der freiheitlichen Gesellschaft gewinnt gerade in der Krise an Bedeutung und das Wohl der Allgemeinheit wird zu einem kritischen Faktor für jede, jeden und alle in der Gesellschaft. Die Wochen der Krise haben gezeigt: Eine verlässliche und verantwortungsvolle Berichterstattung sind ein hohes Gut. Eine funktionsfähige mediale Infrastruktur ist Daseinsvorsorge.

***

Gemeinwohl ist das verbindende Element zwischen allen Akteuren einer Gesellschaft und daher besonders schutzbedürftig. Die Unterzeichnenden erkennen in den Herausforderungen der Krise ein Potenzial zur gemeinwohlorientierten Zukunftsgestaltung öffentlich-rechtlicher Medien und laden zur Fortführung der Debatte ein.

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