Palästinensischer Botschafter: Keine Verurteilung der Hamas?

    Interview

    Palästinensischer Botschafter :Keine Verurteilung der Hamas?

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    Warum haben Sie den Hamas-Terror nie klar verurteilt als Botschafter? Fragen wie dieser stellt sich Laith Arafeh, Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland.

    Laith Arafeh zu Nahost-Konflikt im ZDFmorgenmagazin
    "Meine Hoffnung ist, dass Mitgefühl auch meinem Volk gegenüber ausgedrückt wird", sagt Laith Arafeh, Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland.13.11.2023 | 10:19 min
    Der Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland, Laith Arafeh, hat im ZDF-Morgenmagazin über seine Perspektive auf die Entwicklungen im Gaza-Krieg gesprochen. Das Interview im Wortlaut:
    ZDF: Wir haben vorhin die Bilder aus dem Al-Schifa-Krankenhaus aus Gaza-Stadt gesehen. Die Weltgesundheitsorganisation beklagt dort entsetzliche Zustände. Die israelische Armee sagt, unter dem Krankenhaus befinde sich eine Kommandozentrale der Hamas. Was sind Ihre Informationen über die Lage vor Ort?
    Laith Arafeh: Gaza wird unaussprechlichen Massakern unterworfen, einer unaussprechlichen Aggression, die über 11.000 unschuldige Palästinenser bis jetzt als Opfer gefordert hat. 4.500 Kinder, unter anderem 3.000 Frauen. Wir glauben, dass es noch einmal 2.000 Palästinenser, unter ihnen auch viele Kinder, gibt, die unter dem Schutt liegen, und niemand kann das rechtfertigen.
    Und was die Situation anbelangt im Al-Schifa-Krankenhaus: 23 Krankenhäuser können gegenwärtig nicht mehr genutzt werden. Al-Schifa erleidet unaussprechliche Krisen. Patientinnen und Patienten können dort jede Sekunde sterben, 39 frühgeborene Babys mussten aus den Inkubatoren gerettet werden. Diese unmenschliche Blockade der israelischen Besatzer in den Krankenhäusern ...
    Kämpfe um das Al Shiva Krankenhaus
    Die Gefechte um ein Hospital in Nord-Gaza haben sich intensiviert. Israels Bodentruppen vermuten unter dem Krankenhaus ein Kommandozentrum der Hamas. Betroffene sollen nun evakuiert werden.13.11.2023 | 2:38 min
    ZDF: Wir berichten heute auch genau über diese Situation in Gaza-Stadt und in dem Krankenhaus. Die israelischen Angriffe auf Gaza sind eine Reaktion auf den 7. Oktober. Hamas-Terroristen haben Israel angegriffen, haben rund 1.200 Menschen, meist Zivilisten, ermordet. 240 Menschen verschleppt. Warum haben Sie diesen Terror vom 7. Oktober nie klar verurteilt als Botschafter?
    Arafeh: Zu allererst einmal muss ich wiederholen, was in Ihrem Bericht auch klar gesagt wurde: Dass auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen gesagt hat, dass nichts auf der Welt diesen kriminellen Angriff auf die Palästinenser rechtfertigt.
    ZDF: Ich habe Sie aber nach dem 7. Oktober gefragt. Sie haben nie konkret diese Taten der Hamas-Terroristen verurteilt.
    Arafeh: Das stimmt nicht. Das stimmt nicht. Und ich glaube, unsere Position war klar, was den 7. Oktober anbelangt und was das angeht, was seit vielen Jahrzehnten passiert. Wir haben unsere Position klar zum Ausdruck gebracht, wir haben den Terrorismus verurteilt, der in meinem Teil der Welt seit über sieben Jahrzehnten stattfindet. Die Unterdrückung, die gegen mein Volk und gegen jeden anderen seit mehreren Jahrzehnten stattfindet.
    Der Staat Palästina, abgesehen von der Tatsache, dass er kriegerisch besetzt ist, die letzte kriegerische Besetzung der Welt, möchte ein verantwortungsbewusstes Mitglied der internationalen Gemeinschaft sein und lehnt jede Verletzung des Völkerrechts ab.

    Laith Arafeh ist der Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland.

    Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wurde 1994 gegründet, auf der Basis der Friedensverträge zwischen Israel und der PLO. Sie ist zuständig für grundlegende Dienstleistungen wie die Versorgung mit Wasser und Strom, das Schulsystem und die Müllabfuhr. Sie gibt aber auch Dokumente wie Pässe, Geburts- und Todesurkunden und Führerscheine heraus. Wichtigster Geldgeber der Palästinenserbehörde ist die Europäische Union.

    Quelle: dpa

    ZDF: Das hat ja die internationale Gemeinschaft auch thematisiert. Der UN-Generalsekretär hat zum Beispiel gesagt, diese Angriffe der Hamas am 7. Oktober fanden nicht im luftleeren Raum statt. Sie beklagen, manchmal auch zu Recht, fehlende Empathie hinsichtlich der Opfer in Gaza. Haben Sie denn zum Beispiel nach dem 7. Oktober Ihren israelischen Botschaftskollegen angerufen und ihm Ihre Empathie, Ihr Mitgefühl nach dem Terroranschlag der Hamas ausgedrückt?
    Arafeh: Unser Mitgefühl für die menschliche Seite gab es immer…
    ZDF: Sie sprechen ja immer allgemein. Ich frage Sie nach dem 7. Oktober…
    Arafeh: Ich spreche über die Menschheit. Und die Menschheit und Menschlichkeit kann man nicht selektiv sehen. Ich spreche über alle Menschen. Und wenn ich über alle Menschen spreche, dann teile ich mein Mitgefühl gleich mit allen Menschen. Und das ist etwas, was meinem Volk gegenüber so nicht widerfahren ist.
    Ich habe keinen einzigen Funktionär, keinen einzigen Politiker gesehen, hier in Deutschland oder in anderen Teilen der Welt, der die Ermordung von Tausenden und Abertausenden palästinensischen Frauen, Kindern, Menschen gesagt hat. Und das ist ein Gefühl des Mitgefühls. Und ich drücke mein Mitgefühl jedem Menschen weltweit gegenüber aus. Ein Mensch ist ein Mensch. Aber meine Hoffnung ist, dass genau dieses gleiche Mitgefühl auch meinem Volk gegenüber ausgedrückt wird.
    ZDF: Ähnlich hat sich aber Außenministerin Baerbock auch im Nahen Osten jetzt erklärt, dass jedes Leben gleich viel wert ist.
    Arafeh: Ich stimme mit Frau Baerbock überein.
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    "Es könnten bis zu 80 Frauen und Kinder freigelassen werden", so ZDF-Reporter Stefan Schlösser in Tel Aviv. "Die Außenminister müssen nun eine Balance finden", berichtet ZDF-Korrespondent Florian Neuhann in Brüssel.13.11.2023 | 3:27 min
    ZDF: Lassen Sie uns kurz nach vorne schauen. Israels Ministerpräsident Netanjahu hat gesagt, dass die Palästinensische Autonomiebehörde, die Sie hier in Deutschland vertreten, in der Debatte um die Zukunft des Gazastreifens eine Rolle spielen könnte. Welche Rolle sehen Sie für sich im Gazastreifen nach der Beendigung der Kriegsaktivitäten?
    Arafeh: Benjamin Netanjahu verweigert die Existenz der Palästinenser. Er hat es sowohl in Worten als auch in Taten klar gemacht. Und er hat auch als Politiker klar gesagt, dass er den künftigen Staat Palästina nicht anerkennt. Dass er die israelische, jahrzehntelange Besatzung nicht beenden wird und dass er die Existenz des palästinensischen Volkes nicht anerkennt.
    Das war das politische Programm, das er vorgelegt hat, dass es ganz klar gemacht hat. Und die israelische Knesset hat das als sein Regierungsprogramm verabschiedet. Er hat vor den Vereinten Nationen eine Landkarte gezeigt, die seine Sicht des neuen Nahen Ostens gezeigt hat. Und da gab es keine Existenz Palästinas. Und auch kein palästinensisches Volk. Also diese Aussagen sind keine Überraschung. Aber unterm Strich wird es nicht Benjamin Netanjahu sein oder seine rechtsgerichtete Regierung, die auf der Grundlage dieses Massakers das Schicksal des palästinensischen Volkes entscheiden wird.
    ZDF: Israel hat ja zwei Ziele formuliert: Das ist die Zerstörung der Hamas und die Befreiung der Geiseln. Israel hat ausdrücklich nicht die Zerstörung des palästinensischen Staates propagiert. Die Hamas hat als politisches Ziel, Israel zu zerstören. Sehen Sie vor diesem Hintergrund überhaupt noch eine Möglichkeit für eine Zwei-Staaten-Lösung?
    Arafeh: Zuerst einmal, um das klar zu machen: Das gegenwärtige Ziel der israelischen Aggressionen, das auf die ärmsten und unschuldigsten Palästinenser zielt, ist es, 2,3 Millionen Palästinenser aus dem Gazastreifen zu schieben und ihn zu rekolonialisieren. Das ist das Ziel, das gegenwärtig durchgeführt wird.
    Arafeh: Wir bleiben hoffnungsvoll, dass es eine Zwei-Staaten-Lösung geben wird, die damit beginnt, dass die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete beendet wird, so dass das palästinensische Volk sein Recht auf Selbstbestimmung ausüben kann, so dass die Palästinenserinnen und Palästinenser in einem unabhängigen Staat leben können, innerhalb der Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.
    Sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland - wir möchten nur, dass die internationale Gemeinschaft das Völkerrecht umsetzt und dass der Sicherheitsrat und die Vollversammlung und die Resolutionen umgesetzt werden, die ganz klar auch gesagt haben, dass die israelische Besatzung beendet werden muss.

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    Quelle: ZDF

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