Wie Israels Mossad die Hamas im Ausland bekämpft

    Israels Jagd auf Terroristen:Wie der Mossad die Hamas im Ausland bekämpft

    ZDFheute Update - Jan Schneider
    von Jan Schneider
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    Israel hat angekündigt, auch im Ausland Jagd auf Hamas-Anführer machen zu wollen. Was steckt hinter dieser Drohung und was wissen wir über zurückliegende Mordanschläge?

    Ein israelischer Soldat im Häußerkampf in Gaza
    Ein israelischer Soldat im Häuserkampf in Gaza.
    Quelle: dpa

    Der Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet hat Anfang der Woche angekündigt, Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe Hamas auch im Ausland zu bekämpfen.

    Es wird ein paar Jahre dauern, aber wir werden da sein, um es zu tun.

    Ronen Bar, Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet

    Dies gelte explizit auch für andere Länder des Nahen Ostens, sagte Geheimdienstchef Ronen Bar. "Überall, im Gazastreifen, im Westjordanland, im Libanon, in der Türkei, in Katar, überall", sagte Bar in einer Audioaufnahme, die der israelische Rundfunksender "Kan" am Sonntagabend veröffentlichte. Er bekräftigte damit frühere Äußerungen von Regierungschef Benjamin Netanjahu und des Verteidigungsministeriums.
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    Warum kündigt Israel die Verfolgung im Ausland an?

    Es ist nicht das erste Mal, dass Israel ankündigt, auch außerhalb von Gaza oder den eigenen Grenzen Jagd auf Hamas-Terroristen zu machen. 2014 drohte etwa der damalige israelische Finanzminister Jair Lapid damit, Hamas-Führer im Ausland gezielt anzugreifen. Wenige Tage vor der Ankündigung war ein vierjähriger Junge durch einen Raketenangriff der Hamas getötet worden.
    Die Drohungen müssten - damals wie heute - immer auf zwei Ebenen verstanden werden, erklärt der Nahost- und Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project (CEP). Zum einen sei es die klare Ansage an die Hintermänner der Hamas-Angriffe, dass sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher sein sollen, egal, wo auf der Welt sie sich aufhalten. Zum anderen seien die Aussagen der israelischen Regierung aber auch eine Rückversicherung für die eigene Bevölkerung:

    Man darf nicht unterschätzen, was dieser Anschlag mit den Menschen gemacht hat. Das ist eine unglaubliche, ganz tiefgreifende Verunsicherung der gesamten israelischen Gesellschaft.

    Hans-Jakob Schindler, CEP

    Gegen diese Verunsicherung versucht die israelische Regierung mit harten Worten anzukämpfen - vermutlich auch, um zu überdecken, dass im Vorfeld der Hamas-Angriffe am 7. Oktober gravierende Fehler gemacht worden sind und die Abschreckungswirkung des israelischen Militärs Risse bekommen hat.

    Gab es schon früher solche Aktionen?

    Dass es mutmaßlich nicht nur bei Ankündigungen bleibt, zeigte sich nach dem Attentat auf das israelische Olympia-Team bei den Wettkämpfen 1972 in München. Elf Sportler kamen bei dem Angriff damals ums Leben. Die Angreifer waren mehrheitlich Mitglieder der sogenannten Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).
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    Kurze Zeit nach den Anschlägen starben mehrere der Beteiligten durch Mordanschläge:
    • Im Oktober 1972 wurde der inoffizielle Repräsentant der PLO in Italien, Abdel Wael Zwaiter, vor seiner Wohnung mit mindestens zehn Schüssen getötet.
    • Im Dezember 1972 traf es einen weiteren Koordinator der Anschläge von München: Mahmoud Hamshari starb in Paris durch eine Bombe, die in seinem Telefon eingebaut worden war.
    Offiziell hat sich Israel oder der Auslandsgeheimdienst Mossad nie zu den Morden bekannt, eine Verbindung zu den Todesfällen gilt allerdings als erwiesen.
    In späteren Jahren rückten auch Mitglieder der 1987 gegründeten Hamas in den Fokus der Israelis. Besonders aufsehenerregend war etwa die Tötung von Yahya Abd-al-Latif Ayyasch 1996: Ayyasch war bekannt unter dem Spitznamen "der Ingenieur" und galt als oberster Bombenbauer der Terrororganisation. Zwischen 50 und 100 Menschen sollen durch sein Zutun ums Leben gekommen sein. Getötet wurde auch er mit einer Bombe im Telefonhörer, welcher ihm vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet in Gaza-Stadt zugespielt wurde. Dieser Fall wurde später vom früheren Chef des Schin Bet, Carmi Gillon, in einer Dokumentation über den Inlandsgeheimdienst bestätigt.

    Ist Israel in der Lage, weiter solche Attentate durchzuführen?

    Anders als nach den Attentaten in München, als viele der Verantwortlichen sich in Europa aufhielten, lebt der größte Teil der Hamas-Führung im Exil in arabischen Ländern, vor allem im Golfstaat Katar und der libanesischen Hauptstadt Beirut.
    Terrorismusexperte Schindler sieht darin allerdings keinen Grund, dass Israel nicht in der Lage sei, erneut Attentate wie nach dem Anschlag in München durchzuführen. Die Führung der Hamas sitze schon seit 2012 in Katar, daher sei es klar, dass sich der Mossad dort ein Quellennetzwerk aufgebaut habe:

    Der Mossad ist ein extrem guter Geheimdienst. Die haben natürlich auch dort Quellen, wo die Leute sitzen.

    Hans-Jakob Schindler, CEP

    Auch in der Vergangenheit hätten die Geheimdienste es geschafft, Zielpersonen in verfeindeten Staaten anzugreifen oder zu entführen, etwa in der Zeit der PLO aus dem Libanon.

    Sind solche Attentate mit dem Völkerrecht vereinbar?

    Völkerrechtlich sind derartige Attentate und Morde höchst problematisch - und Israel keineswegs das einzige Land, das sie durchführt. Ähnliche Diskussion gibt es auch in Bezug auf Drohnenangriffe der USA, wie etwa die Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani. Dort ist allerdings die Beweislage sehr viel klarer als bei Mordanschlägen von Mossad oder Schin Bet. Es gibt auch Stimmen, die gezielte Tötungen unter gewissen Umständen, als im Völkerrecht gerechtfertigt ansehen. Diese Stimmen seien jedoch eher in der Minderheit, meint Nahost-Experte Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
    Gerechtfertigt oder nicht, wird jeder Todesfall zu diplomatischen Verwerfungen führen. Türkische Geheimdienstvertreter sollen ihre israelischen Kollegen bereits vor "ernsten Konsequenzen" gewarnt haben, sollte Israel gegen Hamas-Vertreter auf türkischem Staatsgebiet vorgehen.
    Nahost-Experte Lintl geht allerdings auch davon aus, dass derartige Aktionen nicht in naher Zukunft stattfinden werden.

    Da bin ich recht sicher: So etwas passiert erst nach dem Krieg.

    Peter Lintl, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Aktuell sei wichtiger, die noch in den Händen der Hamas festgehaltenen Geiseln zu befreien.

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