Umgang mit Peking: Kabinett beschließt neue China-Strategie

    Erstmals Strategie zu Peking:China ist "Partner" und "systemischer Rivale"

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    Die Bundesregierung hat nach langen Verhandlungen ihre China-Strategie beschlossen. Das Papier soll künftig die Ampel bei der Ausgestaltung der Beziehungen zu Peking leiten.

    Annalena Baerbock bei einer Kabinettsitzung, wo auch das Thema China besprochen wurde.
    Deutschland will von China unabhängiger werden, das autoritär auftritt und seinen wirtschaftlichen und militärischen Einfluss ausbaut. Kritische Abhängigkeiten will man vermeiden.13.07.2023 | 3:01 min
    Nach monatelangen Verhandlungen hat die Bundesregierung ihre China-Politik auf eine neue Grundlage gestellt. Das Kabinett beschloss eine 61 Seiten starke China-Strategie, die Leitlinie sein soll für den künftigen Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft nach den USA und einer der stärksten Militärmächte.
    "Für Deutschland bleibt China Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei der Vorstellung der Pläne im Mercator Institute for China Studies (Merics). China habe sich verändert, weswegen sich auch die deutsche China-Politik ändern müsse.
    Schaltgespräch Slomka und Dr. Oertel
    China-Expertin Janka Oertel sagt, eine neue Strategie im Handel mit China sei nötig: "Hausaufgaben stehen an", wegen Chinas aggressiverem Auftreten "nach innen und außen".13.07.2023 | 4:28 min

    Baerbock betont Willen zur Zusammenarbeit mit China

    "Mit der China-Strategie geben wir uns für unsere Beziehungen den Kompass", erklärte Baerbock auf Twitter. Mit der neuen Strategie sende die Bundesregierung eine Botschaft: "Wir wollen mit China zusammenarbeiten", schrieb Baerbock. "Denn wir brauchen China, aber China braucht auch uns in Europa."
    Tweet von Baerbock
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    Auch Bundeskanzler Olaf Scholz teilte auf Twitter mit: "Die China-Strategie gibt unseren Beziehungen einen neuen Rahmen." Mit der Strategie reagiere Deutschland auf ein China, "das sich verändert und offensiver auftritt", so Scholz.
    Berlin-Korrespondent Theo Koll im Gespräch mit Moderator Mitri Sirin.
    Das 61-seitige Papier der deutschen Bundesregierung zum Umgang mit China wägt viele Interessen miteinander ab. Theo Koll in Berlin über die Auswirkungen der China-Strategie. 13.07.2023 | 1:04 min
    Theo Koll in Berlin über die neue China-Strategie der Bundesregierung:
    "Wir wollen uns von China nicht abkoppeln, sondern Risiken so weit wie möglich mindern", erklärte Baerbock bei der Vorstellung. Sogenanntes Derisking sei oberste Maxime, es müsse "wirtschaftliche Sicherheit mehr in den Mittelpunkt" gestellt werden. Mit Blick auf die Spannungen im Taiwan-Konflikt warnte die Außenministerin vor den Gefahren einer Zunahme der Spannungen in einer "Lebensader der Weltwirtschaft":

    Eine militärische Eskalation wäre auch eine Gefahr für Millionen von Menschen, und zwar weltweit und damit auch bei uns.

    Annalena Baerbock, deutsche Außenministerin

    Baerbock: "Abhängigkeiten" von China abbauen

    Es brauche bei der wirtschaftliche Zusammenarbeit "die Förderung unserer Wirtschaft in Europa genauso wie einen Abbau von Abhängigkeiten", schrieb die Außenministerin auf Twitter. Je diverser Handel und Lieferketten aufgestellt seien, "desto widerstandsfähiger ist unser Land".
    Die Strategie besitzt keine Gesetzeskraft, soll aber als Orientierung für die künftige Ausgestaltung der Beziehungen zu Peking dienen. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hatten die Ausarbeitung der China-Strategie bereits im Herbst 2021 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Diese sei nötig, um "in der systemischen Rivalität mit China unsere Werte und Interessen verwirklichen zu können", heißt es in dem Vertrag.

    Hebestreit: China-Strategie "Handschrift der gesamten Bundesregierung"

    Auswärtiges Amt und Kanzleramt hatten monatelang über die China-Strategie gestritten. Die Grünen treten mit Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck für einen härteren Kurs ein als Kanzler Scholz. Das zeigte sich zuletzt vor allem bei der Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Container-Terminal im Hamburger Hafen, die gegen den Widerstand der Grünen zustande kam.
    Nun sind die Differenzen laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit beseitigt: Die heute veröffentlichte Strategie trage "die Handschrift der gesamten Bundesregierung", sagte Hebestreit in der Regierungspressekonferenz. Sie sei im Kabinett "einstimmig beschlossen" worden.
    Mit Besorgnis wird in Deutschland neben der Einschränkung von Freiheits- und Menschenrechten sowie dem Umgang mit Minderheiten in China vor allem das Großmachtstreben des Landes in der Indopazifik-Region gesehen.

    Vorstellung der China-Strategie im kleineren Rahmen

    Anders als bei der Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie für Deutschland Mitte Juni verzichtete die Bundesregierung bei der China-Strategie auf eine Vorstellung in großem Rahmen.
    Die Sicherheitsstrategie war von Kanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit vier Ministerinnen und Ministern öffentlich vorgestellt worden. Neben dem Kanzler und Baerbock saßen damals Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit auf dem Podium.
    Olaf Scholz und Li Qiang beim Aufeinandertreffen.
    Eigentlich sollte die China-Strategie der Bundesregierung längst vorliegen. Doch die Koalition streitet über den richtigen Umgang mit dem wichtigsten Handelspartner.27.06.2023 | 8:55 min

    Nationale Sicherheitsstrategie: China als Partner und systemischer Rivale

    Schon in der Nationalen Sicherheitsstrategie wird China im Einklang mit Formulierungen auf EU-Ebene als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale bezeichnet. "Wir sehen, dass dabei die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen haben", heißt es in dem Dokument.
    Baerbock hatte am Rande des Nato-Gipfels im litauischen Vilnius angekündigt, von der Strategie solle die Botschaft ausgehen, "dass wir gemeinsam mit allen Partnern auf dieser Welt, mit allen Ländern auf dieser Welt in Frieden und Freiheit leben wollen - und dass wir zugleich nicht naiv sind". Einseitige Abhängigkeiten müssten als Lehre aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reduziert werden.
    Quelle: dpa, AFP, ZDF

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