Politologe zu Bauernprotesten: "Das ist schlechtes Regieren"

    Interview

    Bauernproteste gegen Ampel-Pläne:Politologe: "Das ist schlechtes Regieren"

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    Während die Bauern protestieren, verliert die Ampel-Regierung an Zufriedenheit und Vertrauen in der Bevölkerung. Warum das so ist, erklärt Politologe von Lucke bei ZDFheute live.

    Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke im Gespräch mit ZDFheute live.
    Albrecht von Lucke sieht Einzelinteressen im Mittelpunkt des Regierens. Nach den Bauernprotesten entstehe der Eindruck, die Ampel könne Projekte bald gar nicht mehr durchsetzen.09.01.2024 | 11:26 min
    Im ganzen Land protestieren Landwirte gegen die Kürzungspläne der Ampel-Koalition. Unterdessen sinken die Zustimmungswerte der Bundesregierung in der gesamten Bevölkerung. Fehlt der Ampel das Gespür für die Bürger? Und worin liegen die Gründe für die Unzufriedenheit? Darüber spricht ZDFheute live mit Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke.
    Sehen Sie das Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.

    Standbild: Albrecht von Lucke zu Botho Strauß

    ... analysiert und kritisiert seit Jahrzehnten die deutsche Politik. Der Jurist und Politologe arbeitet für die politische Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik".

    Das sagt der Politologe ...

    ... zum Aufschrei nach der Ankündigung der Kürzungen in der Landwirtschaft

    Die Bauernschaft ist hochgradig gespalten, hält von Lucke fest. Es sei durchaus berechtigt, Subventionierungen zurückzustreichen. Der fatale Fehler bestehe darin, dass die Subventionierungen allen Größen zugute kommen. Das bedeute, dass ein Hof mit Tausend Hektar "maximale Subventionierungen" bekomme, obwohl dieser "möglicherweise nicht in dem Maße Einsatz von Personen betätigt und auch ökologisch gar nicht nützlich ist", so von Lucke. Kleinere Höfe "mit großem Aufwand" würden unterdessen "sehr viel weniger" subventioniert werden.
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    Die Bauernproteste gehen in mehreren Bundesländern mit Verkehrsbehinderungen weiter. 09.01.2024 | 0:14 min
    Es seien vor allem die kleineren Bauern, die "stärker getroffen sind, wenn der Diesel teurer wird oder auch die Kfz-Pflicht kostenpflichtig wird und keine Befreiung existiert." Dem Politologen zufolge komme es darauf an, deutlich zu machen, "dass gerade die großen in einem Übermaß subventioniert werden." Die Ampel habe das nicht hinreichend erklärt, weshalb sich laut von Lucke der Protest nun an dieser Maßnahme bricht.

    Man konnte den Eindruck haben, alle werden gleichermaßen getroffen.

    Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler

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    ... auf die Frage, ob die Regierung schlecht kommuniziert

    "Das ist schlechtes Regieren", so von Lucke. Und das habe einen zentralen Grund:

    Dieser Protest, der jetzt in der Bevölkerung aufkommt, der geht weit über die Bauernschaft hinaus.

    Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler

    Die Logistikunternehmen würden sich anschließen und mitdemonstrieren, ebenso wie die Handwerker. Das sei vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Ampel von Anfang an nicht deutlich gemacht habe, "eine gemeinsame Linie zu finden."
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    Die Ampel habe sich "ein stückweit regelrecht als Opposition in der Regierung regiert". Als Beispiel hierfür nennt von Lucke, dass etwa eine Tempobegrenzung auf 130 nicht eingeführt wurde - ein Punkt, bei dem "ganz klar die FDP sehr stark Klientelpolitik" betrieben habe.
    "Der Umstand, dass die Bevölkerung nicht erkennt, dass insgesamt der allgemeine Wille, beziehungsweise das Gesamtgesellschaftliche im Mittelpunkt steht, führt dazu, dass diese nicht konzertierte, nicht geschlossen agierende Regierung jetzt bei der Bevölkerung quasi spiegelbildlich auch den Protest hervorruft."

    Wenn Einzelinteressen nur im Mittelpunkt des Regierens stehen, dann werden diese einzelnen Interessen auf der Straße mobil machen.

    Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler

    Dem Politologen zufolge bestehe der Eindruck, dass die Ampel "ihre Projekte irgendwann gar nicht mehr durchsetzen" könne, wenn sie "im Endeffekt möglicherweise alles zurücknimmt." Entscheidend sei, dass gegenüber den Bauern die "geringfügig gestreckte Kürzung der Subventionen im Bereich der Dieselsubventionierung" aufrechterhalten werde. Andernfalls könne die Regierung "regelrecht erpressbar" werden, sagt von Lucke.
    Auf dem Bild sind Traktoren zu sehen. Sie protestieren.-
    Schleichfahrten, Autobahnblockaden und Kolonnen: Auf deutschen Straßen haben am Montagmorgen die Bauern ihre Protestaktionen gestartet. 08.01.2024 | 4:46 min

    ... zum Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung

    Laut von Lucke hat die Regierung das Vertrauen in einem "gewaltigen Maße" verspielt. Das große Problem sei, dass das Vertrauen dadurch verspielt wurde, dass man nicht geschlossen agiert habe. Die Regierung agiere "ständig nur als Kakophonie" und ziehe dadurch "das Ansehen der gesamten Ampel nach unten".

    Eine Ampel, die nach zwei Jahren so viel schlechter dasteht, hat natürlich jetzt allergrößte Probleme geschlossen aufzutreten.

    Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler

    Neue Probleme sieht von Lucke bereits bevorstehen: "Die FDP verteidigt mit Zähnen und Klauen die schwarze Null, die Schuldenbremse". Der Grund sei rational: "Sie hat Angst, dass sie bei den nächsten Wahlen abstürzt." Auf diese Weise werde aber die Zerstrittenheit der Koalition fortgesetzt. Dies führe wiederum dazu, dass der Protest weiter zunehme und am Ende, der Rechtspopulismus im Land weiter wachse.

    Deutschlandweit Bauernproteste
    :Aktuelles zur Aktionswoche der Landwirte

    Zum Abschluss ihrer Aktionswoche haben die Landwirte heute zu einer Großdemonstration in Berlin aufgerufen. Aktuelle News zu den Bauernprotesten im Liveblog.
    Zahlreiche Traktoren, Lastwagen und Autos stehen am Morgen auf der Straße des 17. Juni.
    Liveblog
    Quelle: ZDF

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