US-Leaks: Wollte Prigoschin russische Truppen verraten?

    Bericht zu US-Geheimdienst-Leaks:Wollte Prigoschin russische Truppen verraten?

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    von Nils Metzger
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    Russlands Söldner-Chef Prigoschin soll laut geleakten US-Geheimdienstberichten angeboten haben, russische Stellungen an die Ukraine zu verraten. Was bezweckt der Wagner-Boss damit?

    Jewgeni Prigoschin, Gründer der privaten Söldnergruppe Wagner
    Jewgeni Prigoschin, Gründer der privaten Söldnergruppe Wagner
    Quelle: Reuters

    Um seine Ziele zu erreichen, geht der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, über Leichen - auch über die seiner Landsleute. Seit Monaten verheizt seine Privatarmee in der Ukraine Tausende schlecht ausgebildete Rekruten und Häftlinge. Ein neuer Medienbericht deutet darauf hin, dass Prigoschin auch die Leben regulärer russischer Soldaten als Verhandlungsmasse sehen könnte, um seine Position im Ukraine-Krieg zu stärken.

    Was soll Wagner-Chef Prigoschin der Ukraine angeboten haben?

    Die "Washington Post" berichtet unter Verweis auf geleakte US-Geheimdienstberichte, dass Prigoschin Ende Januar angeboten haben soll, Positionen der russischen Streitkräfte in der Ukraine an Kiew zu verraten. Im Gegenzug sollte sich die Ukraine aus der umkämpften Stadt Bachmut zurückziehen.
    Darum wird ausgerechnet Bachmut so heftig umkämpft:
    Das Angebot soll Prigoschin dem ukrainischen Militärgeheimdienst HUR mehrfach über inoffizielle Kanäle gemacht haben, die er trotz des Krieges weiterhin unterhielt, schreibt die "Washington Post". Prigoschin soll sich laut US-Geheimdienstinformationen auch mehrfach mit HUR-Vertretern in Afrika getroffen haben.
    Links drei Wagner-Söldner in militärischer Uniform, dahinter eine Karte von Afrika und Europa mit blauer Einfärbung dort, wo die Wagner-Kämpfer aktuell vor Ort sind
    Nicht nur in der Ukraine sind russische Söldner aktiv. Gerade in Afrika will der Kreml so an Einfluss gewinnen. ZDFheute live über die globale Macht privater Militärunternehmen.03.05.2023 | 26:49 min

    Wie sicher sind diese US-Geheimdienstberichte?

    Unabhängig überprüft werden können die Vorwürfe bislang nicht. Am Montag dementierte Prigoschin auf seinem Telegram-Kanal, sich mit ukrainischen Kontakten in einem afrikanischen Staat getroffen zu haben. Er verneinte auch, russische Positionen verraten zu haben und sprach von einer "Kampagne" voller Falschinformationen gegen ihn.
    Genaue Details zu Prigoschins mutmaßlichem Vorschlag, etwa welche russischen Stellungen betroffen gewesen sein sollen, sind bislang nicht bekannt. Die Ukraine habe das Angebot mit Verweis auf eine mangelhafte Glaubwürdigkeit Prigoschins abgelehnt, berichtet die "Washington Post".
    Der Gründer der Wagner-Gruppe, Prigoschin, droht Moskau in einem Video mit dem Abzug seiner Gruppe aus Bachmut, 05.05.2023.
    Der Chef der Wagner-Söldner Prigoschin droht mit dem Abzug seiner Kämpfer aus Bachmut. Die Armeeführung Russlands macht er für mangelnde Munitionslieferungen verantwortlich.06.05.2023 | 2:28 min
    Diese neuen Informationen sollen Teil der monatelang über Discord-Server geleakten US-Geheimdienstberichte sein, über die Medien weltweit berichtet haben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte mögliche Prigoschin-Kontakte seiner Geheimdienste in einem Interview mit der "Washington Post" weder bestätigen noch abstreiten:

    Es geht dabei um Geheimdienstinformationen. Wollen Sie, dass ich wegen Hochverrat verurteilt werde?

    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine

    Warum sollte Prigoschin russische Stellungen verraten?

    Die Stadt Bachmut ist seit Monaten Schwerpunkt der Wagner-Operationen in der Ukraine. Es ist der Ort, an dem Prigoschin beweisen möchte, dass er erreichen kann, woran das reguläre russische Militär scheitert. Immer wieder veröffentlichte Prigoschin Videos, in denen er Moskaus Generälen Unfähigkeit, Lügen und Korruption vorwirft. Läuft der Krieg an deren Fronten noch schlechter, könnte das Wagners Rolle stärken - vor allem, wenn er gleichzeitig in Bachmut Erfolge liefert.
    Prigoschin weiß genau, dass der militärische Wert Bachmuts begrenzt ist; die Ukraine verfügt unweit über weitere Verteidigungslinien und Teile der ukrainischen Militärführung hatten bereits auf einen Rückzug gedrängt. Womöglich baute Prigoschin darauf, dass ein solcher Deal für Kiew verlockend wäre, die Ukraine gleichzeitig aber kaum ein Interesse hätte, Details anschließend öffentlich zu machen. Präsident Selenskyj hatte einen Rückzug mehrfach öffentlich abgelehnt, eine freiwillige Aufgabe Bachmuts, zudem in Koordination mit Wagner, würde ihn politisch beschädigen.
    Sollte Prigoschin tatsächlich solch ein Angebot gemacht haben, steht zudem die Frage im Raum, wie ernst es war. Bei seinen öffentlichen Ankündigungen ist der Wagner-Chef notorisch unzuverlässig. Mehrfach drohte er etwa selbst mit einem Abzug aus Bachmut, sollten seine Truppen nicht zusätzliche Munition erhalten, rückte nach kurzer Zeit aber wieder davon ab.
    Russland Expertin Klein
    Wagner-Chef Prigoschin nutze den Krieg in der Ukraine, um sich sein Geschäft zu sichern, so Russland-Expertin Magarete Klein. Wagner sei mittlerweile zu einer Marke geworden.05.05.2023 | 7:52 min

    Schwächen diese Enthüllungen Prigoschins Position in Russland?

    Seit seinen ersten offenen Auftritten als Wagner-Chef und seiner Rekrutierungskampagne in russischen Gefängnissen hat Prigoschin seinen Einfluss in Russlands Sicherheitsapparat stetig ausgebaut. Hinter den Kulissen läuft seit Monaten ein Machtkampf zwischen ihm und Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Bislang ließ Russlands Präsident Wladimir Putin Prigoschin trotz seiner Kritik am russischen Militär gewähren - jede Form von Gerücht, Prigoschin könnte Militärgeheimnisse an die Ukraine weitergeben wollen, könnte ihn nachhaltig beschädigen.
    "Der Einzige, der in diesem dummen Krieg völlig unschuldig ist, ist der russische Soldat, den man seinem Schicksal überlassen hat", sagte Prigoschin etwa in einer Telegram-Nachricht vergangene Woche. Diese Inszenierung als Fürsprecher der einfachen russischen Soldaten wird jetzt noch unglaubwürdiger. Sollte Putin Prigoschin irgendwann fallenlassen wollen, ein Verräter-Vorwurf wäre eine naheliegende Begründung.

    Gerüchte um russischen Rückzug
    :Wie Kiews Erfolg den Wagner-Chef stärkt

    Die Ukrainer haben die russische Zange um Bachmut öffnen können. Wagner-nahe Militärblogger übertreiben wohl die russische Schwäche - und stärken damit Wagner-Chef Prigoschin.
    von Christian Mölling, András Rácz
     Ein ukrainischer Schützenpanzer fährt auf der Straße nach Bachmut
    Quelle: dpa
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