Update am Morgen: Flügel-Abrisse der Volksparteien

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    Update am Morgen:Flügel-Abrisse der Volksparteien

    von Wulf Schmiese
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    Wulf Schmiese

    Guten Morgen,

    zerreißt es die Grünen? Auf kurz oder lang droht ihnen, was SPD und CDU schon hinter sich haben: Flügel-Abriss. Die Lage ist paradox: Je stärker eine Partei wird und je weiter ihre Spannbreite, desto schwieriger ist ihre Positionierung. Die Grünen sind längst keine Klientelpartei mehr. Die eigentliche Konkurrenz der Grünen sind die Großen, genauer gesagt die vormals Großen: SPD und CDU. Diese drei Parteien grasen in der Mitte. Und alle drei haben ein Problem mit ihren Rändern.
    Die SPD hat es zuerst erlebt. Vor 20 Jahren bekam sie ein Problem mit ihrem linken Rand. Kanzler Gerhard Schröder gefiel es allzu gut, "Genosse der Bosse" genannt zu werden. Das war ihm ein Wegweiser auf der Suche nach der "Neuen Mitte". Den Sozialstaat wollte er reformieren, "beschneiden", wie seine parteiinternen Gegner schimpften. Schröder und sein damaliger Generalsekretär Olaf Scholz waren kompromisslos bis hinein ins Parteiprogramm.
    Die Folge ihres gesamten Erneuerungsprozesses war der Abriss: Links der SPD gründete sich die WASG und fusionierte später zur Partei "Die Linke". Die SPD war amputiert und blieb, im Grunde bis heute, eine 20-Prozent-Partei.
    Kanzlerin Angela Merkel ging ein Jahrzehnt später ganz ähnlich vor - und zwar am rechten Rand ihrer CDU. "Alternativlos" war ihr Synonym für Kompromisslosigkeit in der Euro-Krise. Und so wie Schröder das "Genosse der Bosse" schmeichelte, gefiel Merkel später der Beiname "Flüchtlingskanzlerin".
    Damit konnte sie die linke Mitte begeistern. Nationalisten wie Alexander Gauland aus dem einstigen "Berliner Kreis" der Union machten die junge AfD zur Anti-Merkel-Partei. Das wurde von der Mitte-Kanzlerin hingenommen. Heute sind CDU wie SPD geschrumpfte Parteien, die bundesweit in Umfragen kaum mehr 30 Prozent erreichen.
    Nun ist heutzutage das Mitte-Thema schlechthin die "Klima-Rettung", also das Gründungsmantra der Grünen. Noch versuchen sie, es allen ihrer Anhänger recht zu machen. Sie haben Verständnis für die Ziele der "Letzten Generation", lehnen allzu radikale Klimaproteste aber ab. Sie zeigen auch ein großes Herz für Geflüchtete, verweigern sich aber nicht grundsätzlich, über den Schutz der EU-Außengrenzen zu diskutieren. Wie lange kann diese Spannbreite gut gehen?
    SPD und CDU wollten einen solchen Spagat bei ihren jeweiligen Themen nicht weiter gehen. Doch genau das hat sie am Ende zerrissen. Die SPD hatte jahrelang keine gemeinsame Antwort darauf, was soziale Gerechtigkeit ist. Die CDU war sprachlos auf die Frage, was konservativ bedeutet. Die Grünen werden immer hitziger gefragt, was für sie grün ist. Fehlt den Grünen hier eine gemeinsame, identitätsstiftende Antwort, könnte auch sie ihre radikalökologischen Ränder verlieren - nicht heute oder morgen, aber auf ihrem längst beschrittenen Weg zur Volkspartei.
    Einen guten Tag wünscht
    Wulf Schmiese, Leiter heute-journal

    Was im Ukraine-Krieg passiert ist

    Russische Brigade bei Bachmut auf der Flucht: Das ukrainische Militär meldet, eine ganze russische Brigade habe in Bachmut ihre Stellungen aufgegeben. Auch Wagner-Chef Prigoschin hatte zuvor mitgeteilt, dass die Armee sich "auf der Flucht" befinde.
    Söldner-Chef Prigoschin befürchtet Einkesselung in Bachmut "Angesichts fehlender Munition droht sich der "Fleischwolf" nun in umgekehrter Richtung zu drehen", schrieb Prigoschin am Mittwochabend auf Telegram. "Es besteht jetzt die ernsthafte Gefahr der Einkesselung von Wagner durch den Zusammenbruch der Flanken."
    Generalstab: Russen plündern Industriezonen bei Saporischschja Parallel zur Evakuierung der Zivilbevölkerung im Süden der Ukraine haben die russischen Besatzer nach Angaben aus Kiew auch mit Plünderung und Demontage in den Industriezonen der Region begonnen. In Enerhodar seien alle medizinischen Einrichtungen der Stadt vollständig geplündert worden, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit.
    Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

    Was heute noch wichtig ist

    Eine Milliarde Euro zusätzlich für Länder: Der Flüchtlingsgipfel ist beendet und der Bund öffnet einmalig das Portemonnaie. Doch der Hauptstreitpunkt ist nicht gelöst, die Lösung des eigentlichen Problems erneut vertagt. Kritik kommt von der Opposition - und den Kommunen, die selbst gar nicht am Gipfel dabei waren.
    Ex-US-Präsident Trump gibt CNN seltenes Interview: Dabei wiederholt er erneut die Lüge der gestohlenen Wahl, stellt den Kapitolstürmern vom eine Begnadigungen in Aussicht - und beleidigt die Frau, die er laut Gerichtsentscheid von Dienstag sexuell missbraucht hat. ZDF-Korrespondentin Claudia Bates analysiert, welche Auswirkung die Verurteilung auf Trumps erneute Präsidentschaftsambitionen hat.
    Termin für neue Bahnstreiks erwartet: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will heute bekanntgeben, wann es bei der Bahn wieder zu Warnstreiks kommen soll. Die Deutsche Bahn hatte die Ankündigung zuvor scharf kritisiert und von einer Blockadehaltung gesprochen. Bereits im April hatten Streiks den Bahnverkehr in ganz Deutschland über Stunden fast komplett lahmgelegt.
    Lindner stellt Ergebnisse der Steuerschätzung vor: Der Bundesfinanzminister wird auf der Pressekonferenz aus Japan zugeschaltet, wo er am Treffen der G7-Finanzminister und -Notenbankchefs teilnimmt. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Staat wieder zusätzliche Milliarden in Steuern einnehmen wird. Wie viel es genau sein wird, bleibt abzuwarten.

    Ausführlich informiert

    Im Streit über die Finanzierung der Flüchtlingskosten haben Bund und Länder bei ihrem Gipfel nur eine vorläufige Einigung erzielt. ZDFheute live zeigt die Pressekonferenz und ordnet die Ergebnisse ein - unter anderem mit dem Migrationsexperten Raphael Bossong.
    Eine Analyse der Gipfel-Ergebnisse lesen Sie hier: Zusammengerauft - oder doch nicht?

    Grafik des Tages

    Beim Vergleich der Lebenserwartung in Westeuropa schneidet Deutschland nicht unbedingt gut ab. In einem Ranking liegt das Land auf den hinteren Plätzen. Grund dafür seien unter anderem eine hohe Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, teilt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung mit.
    Deutschland schneidet bei der Lebenserwartung im westeuropäischen Vergleich schlecht ab
    Quelle: ZDF

    Zahl des Tages

    25.254 Stiftungen bürgerlichen Rechts gibt es in Deutschland. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen feiert heute sein 75-jähriges Bestehen - unter anderem mit Grußworten von Claudia Roth und Hendrik Wüst.

    Gesagt

    Nichts spricht dafür, dass der zerbrochene deutsche Nationalstaat in alter Form wieder erstehen könnte.

    Willy Brandt, Ehemaliger Bundeskanzler

    Vor 50 Jahren hat der Bundestag dem Grundlagenvertrag mit der DDR vom 21. Dezember 1972 zugestimmt. Der Vertrag soll die Beziehung der beiden Staaten während der Teilung regeln.

    Weitere Schlagzeilen

    Die Nachrichten im Video

    heute Xpress
    Kurznachrichten im ZDF - immer auf dem Laufenden10.05.2024 | 1:57 min
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    So wird das Wetter heute

    Am Donnerstag ist der Himmel meist stark bewölkt oder bedeckt und von der Nordsee bis nach Bayern regnet es zeitweise, an den Alpen anhaltend. Örtlich entwickeln sich Gewitter. Freundlicher ist es im Südwesten, vor allem aber zwischen Erzgebirge und Ostsee, wo es trocken bleibt und die Sonne sich länger zeigt. Im Nordosten weht ein mäßiger bis frischer Südostwind. Die Höchsttemperatur liegt zwischen 9 Grad im Dauerregen an den Alpen und 23 Grad in Berlin.
    Wetterkarte: Vorhersage für den 11.05.2023
    Quelle: ZDF

    Zusammengestellt von Anna Grösch und Christian Harz
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