Brownout: Wie Stromabschaltungen ablaufen würden

    FAQ

    Unwahrscheinlicher Fall Brownout:Wie Stromabschaltungen ablaufen würden

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
    |

    Wie wahrscheinlich sind Stromabschaltungen diesen Winter? Wie würde ein Brownout ablaufen, was wären die Risiken? ZDFheute hat Netzbetreiber, Bundesregierung und Experten befragt.

    Strommast vor wolkenverhangenem Himmel
    Wenig Sonne und wenig Wind könnten die Energie knapp werden lassen. Mit Stromabschaltungen rechnen Experten aber trotzdem nicht.
    Quelle: dpa

    Immer wieder wird darüber spekuliert, ob es aufgrund der Energiekrise in Deutschland in diesem Winter zu gezielten Stromabschaltungen kommt - sogenannten Brownouts. Im Gegensatz zum Blackout ist ein Brownout eine bewusst herbeigeführter Stromausfall: Verbraucher werden von den Netzbetreibern zeitweise vom Stromnetz genommen, um Strom zu sparen und das Netz zu stabilisieren. Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario, wie würde das ablaufen, wo liegen die Risiken eines Brownouts?

    Wie wahrscheinlich ist ein Brownout?

    Alle von ZDFheute angefragten Experten und Institutionen rechnen nicht damit, dass Brownouts in Deutschland in diesem Winter nötig werden. Die Bundesnetzagentur hält die "Wahrscheinlichkeit für gering", das Bundeswirtschaftsministerium verweist darauf, dass Deutschland eins der "sichersten und zuverlässigsten Stromsysteme" weltweit habe.
    Die Netzbetreiber bezeichnen die Situation auf den Energiemärkten zwar als "angespannt", verweisen aber auf ihre Sonderanalysen und Entscheidungen der Bundesregierung, die eine Reihe von Maßnahmen zur Erhöhung der Stromerzeugungs- und Transportkapazität vorsehen. Tobias Federico, Chef der Energieberatungsagentur "Energy Brainpool", sagt gegenüber ZDFheute:

    Ich halte es für recht unwahrscheinlich, dass es zu Brownouts kommen wird in diesem Winter, wobei die Wahrscheinlichkeit gegenüber den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.

    Energieexperte Tobias Federico

    Am Sicherungskasten: Hand hält eine Kerze
    Deutschland will aussteigen: keine Kohle, kein Gas, keine Atomkraftwerke. Stattdessen wollen wir voll auf erneuerbare Energien umsteigen. Droht ein großer Strom-Blackout? 01.08.2022 | 43:30 min

    Welche Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Stromabschaltungen?

    Zwei besonders entscheidende Faktoren werden immer wieder genannt: das Wetter und die Verfügbarkeit der Kernkraftwerke in Frankreich. Die Situation im Nachbarland hat sich laut Netzbetreiber Amprion "verschärft". Im Februar könnte es besonders kritisch werden, analysierten die Netzbetreiber in ihrem Stresstest - wenn keine Sonne scheint, kein Wind weht, der Bedarf sehr hoch ist.
    Auch Energieexperte Federico erklärt: Brownouts könnten dann notwendig werden, wenn es in Frankreich eine Kältewelle gebe und gleichzeitig weiterhin zu wenig französische Kernkraftwerke zur Verfügung stünden. Möglich sei ein solches Szenario auch, wenn der Winter in Deutschland außergewöhnlich kalt werde und es dann im Februar mit sehr leeren Gasspeichern noch mal eine Kältewelle gebe: "Dann gilt es, mit Brownouts kontrolliert über den Rest-Winter zu kommen", so Federico.
    So ist die Gas-Lage aktuell
    ZDFheute Infografik
    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.

    Wie würde ein Brownout ablaufen?

    Es würde rollierende Abschaltungen geben: "Dabei werden einzelne Regionen, so genannte Abschaltgruppen, nacheinander für begrenzte Zeit vom Netz genommen", erklärt Christoph Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung von Netze BW, dem größten Verteilnetzbetreiber in Baden-Württemberg. Diese Abschaltungen seien für jeweils 90 Minuten angesetzt, ein Wert, den auch andere Netzbetreiber und Energieversorger immer wieder nennen. Danach würde die nächste Abschaltgruppe vom Netz genommen.
    Klar ist: In einer Region werden niemals alle Verbraucher auf einmal abgeschaltet, sondern immer nur einer relativ kleiner Teil. "Der Umfang des abgeschalteten Verbrauchs entspricht dabei der Strommenge, die im Netz fehlt", erklärt Müller. So werde die Bilanz zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgeglichen und das Netz stabilisiert. Die Netzbetreiber Amprion und 50Hertz weisen auf das Gebot der "Diskriminierungsfreiheit" hin. Heißt: Es kann alle Verbraucher treffen, sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen. Keiner wird geschont, aber auch niemand benachteiligt.

    Wird der Stromausfall vorher angekündigt?

    Sehr wahrscheinlich wird es mindestens einen Tag vorher klar sein, wenn es in einer bestimmten Region zu einem Brownout kommen wird - denn die Planungen würden am Vortag um die Mittagszeit für den Folgetag gemacht, erklärt Energieexperte Federico. Viele Faktoren, die einen Brownout erfordern - das Wetter, der voraussichtliche Strombedarf, die verfügbaren Kraftwerke, die dadurch produzierte Strommenge - all das lasse sich vorher in etwa kalkulieren. Auch Netze BW geht von geplanten Unterbrechungen aus: "Die Ankündigungsfrist hängt (...) von der konkreten Lage ab und lässt sich nicht exakt vorhersagen", sagt Müller.
    "Durch die Ankündigung vorher sollten möglichst alle zu Hause sein. Schulen und Kitas sollten nicht offen sein und Gewerbe und Industrie sollten sich entsprechend auf die Abschaltung vorbereiten", sagt Federico.

    Vorbereiten auf den Stromausfall
    :Wie wahrscheinlich sind Blackouts wirklich?

    Europaweit geht aufgrund der Energiekrise die Sorge vor großflächigen Stromausfällen um. Wie wahrscheinlich sind Blackouts in Deutschland und wie bereitet man sich darauf vor?
    von Lukas Wagner
    Stromausfall in Berlin, aufgenommen am 19.02.2019

    Welche Risiken bestehen bei einer Stromunterbrechnung?

    Klar ist: Bei einem Stromausfall von 90 Minuten taut kein Kühlschrank ab. Doch auch mit einem geplanten, zeitlich eng begrenzten Stromausfall sind gewisse Risiken verbunden. Menschen könnten im Fahrstuhl steckenbleiben, im Verkehr sind Probleme zu erwarten: Bei den Abschaltungen könne beispielsweise keine Priorisierung für Ampel-Anlagen vorgenommen werden, heißt es von Stromnetz Hamburg.

    Dann gelten die Verkehrsschilder neben jeder Ampel, aber Unfälle und Staus sind sehr wahrscheinlich.

    Energieexperte Tobias Federico

    Telefonieren würde, wenn überhaupt, bei einem Brownout nur eingeschränkt funktionieren. Moderne Festnetztelefone brauchen meist eine Stromversorgung, genau wie Sendemasten für die Mobilfunkabdeckung. Diese verfügen zwar über Notbatterien, die bei einem Stromausfall einspringen. Sie halten das Mobilfunknetz oft nur eine halbe Stunde am Laufen.
    Gerade Industriebetrieben droht durch die Auswirkungen eines Brownouts ein hoher wirtschaftlicher Schaden: Maschinen könnten bei einem plötzlichen Stromausfall beschädigt werden, das Hochfahren der Produktion länger dauern. "Je nach Produktionsprozess sollten die Anlagen kontrolliert vorher runtergefahren werden", so Federico.

    Kampf gegen Blackouts
    :So werden die Stromnetze im Winter geschützt

    Stromnetzbetreiber müssen die Netzstabilität um jeden Preis aufrechterhalten, um einen Blackout zu verhindern. Das klappt gut, wurde aber auch schon mal eng. So wappnen sie sich.
    von Jan Schneider und Oliver Klein
    Leuchttafel "Blackout".

    Wie wird kritische Infrastruktur geschützt?

    Krankenhäuser verfügten zwar über Notstromgeneratoren - aber nicht alle Polizeistationen, Feuerwehren oder gar Bundeswehrkasernen, erklärt Federico. Bei den Netzbetreibern gebe es deshalb nicht-öffentliche Listen, in welchen Regionen man möglichst viel Strom beim Abschalten sparen könne und gleichzeitig die "geringsten Kollateralschäden" zu erwarten seien - wo also möglichst wenig kritische Infrastruktur getroffen würde. Einen Brownout müsse man zwar vermeiden, er sei nicht so einfach, wie das Licht auszuschalten. "Aber immerhin besser als ein Blackout", so Federico.
    Das betont auch Müller von Netze BW: "Die kontrollierte rollierende Abschaltung ist die Alternative zum unkontrollierten Blackout. Die rollierende Abschaltung ist damit so ein bisschen wie die Notaufnahme im Krankenhaus - keiner will da hin, aber wenn man ein gebrochenes Bein hat, findet man es klasse, dass es die Notaufnahme gibt."
    Was ist ein Blackout, was ist ein Brownout? Hier kurz erklärt:



    Kampf gegen Blackouts
    :So werden die Stromnetze im Winter geschützt

    Stromnetzbetreiber müssen die Netzstabilität um jeden Preis aufrechterhalten, um einen Blackout zu verhindern. Das klappt gut, wurde aber auch schon mal eng. So wappnen sie sich.
    von Jan Schneider und Oliver Klein
    Leuchttafel "Blackout".

    Mehr zur Energiekrise

    Aktuelle Nachrichten zur Energiekrise