Pro-Palästina-Demos: Wann Hamas-Jubel strafbar ist

    Pro-Palästina-Demos:Wann Hamas-Jubel strafbar ist

    Jan Henrich
    von Jan Henrich
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    Süßigkeiten-Verteilung zur Feier von Hamas-Terror in Berlin, antisemitische Parolen auf Demonstrationen. Wann überschreiten die pro-palästinensischen Aktionen rechtliche Grenzen?

    Ein pro-palästinensischer Demonstrant hält während einer "Solidaritätskundgebung mit Gaza" in Duisburg am 9. Oktober 2023 ein Plakat vor Polizeibeamten hoch
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    Quelle: AFP

    Man verteile Süßigkeiten "zur Feier des Sieges des Widerstands" - das schrieb die pro-palästinensische Gruppe Samidoun am Samstag auf Instagram. Dazu Fotos ihrer Aktion in Berlin-Neukölln, nur Stunden nachdem Hunderte israelische Zivilisten in Ortschaften rund um den Gaza-Streifen von Hamas-Terroristen getötet wurden.
    In Duisburg stellte die Polizei nach eigenen Angaben Strafanzeige nach Äußerungen auf einer pro-palästinensischen Demonstration der Gruppe. Auch über Demo-Verbote wird diskutiert. Wie ist die Rechtslage?
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    Strafgesetzbuch verbietet "Billigung" von Straftaten

    Solidaritätsbekundungen für Hamas-Aktionen können unter Umständen strafbar sein. Denn § 140 des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) verbietet die "Belohnung und Billigung von Straftaten". Und zwar immer dann, wenn dadurch der "öffentliche Friede gestört" wird.
    Also beispielsweise, wenn auf einer Demonstration durch Sprechchöre, Parolen oder Plakate-Aufschriften schwere Straftaten wie Mord ausdrücklich befürwortet werden.
    Gerichte hätten in vergleichbaren Situationen bereits entschieden, dass die Strafnorm auch bei Äußerungen über Terrorakte einschlägig sein kann, sagt Matthias Jahn, Professor für Strafrecht an der Goethe-Universität in Frankfurt.
    Außerdem gelte ein Verbot von Propagandamitteln von Organisationen, die auf der EU-Terrorliste stehen. Dazu zählt die Flagge der Hamas. Sie darf auf den Demos nicht geschwungen werden. Verstöße können mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden.
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    Sind Demo-Verbote möglich?

    Was die Diskussion um Verbote der pro-palästinensischen Demos angeht, ist die Versammlungsfreiheit grundsätzlich als verfassungsrechtlich hohes Gut geschützt. Allerdings gilt sie nicht grenzenlos.
    Wenn im Vorfeld erkennbar ist, dass durch die Demonstration eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, kann diese als letztes Mittel verboten werden. Dafür braucht es aber konkrete Anhaltspunkte, dass es zu Straftaten aus der Versammlung kommt.
    Versammlungsgesetze einzelner Bundesländer, beispielsweise Berlin, regeln zudem noch etwas konkreter, dass eine Versammlung auch dann untersagt werden kann, wenn dabei zu Hass gegen eine nationale oder ethnische Gruppe aufgestachelt wird.
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    Solidarisierung mit Hamas-Taten kann ausländerrechtliche Konsequenzen haben

    Auswirkungen könnte der Applaus für terroristische Attacken zudem auf den Aufenthaltsstatus von Teilnehmern solcher Veranstaltung haben. Nach § 54 des Aufenthaltsgesetzes ist eine erleichterte Ausweisung ausländischer Staatsangehöriger möglich, wenn "Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht" gebilligt werden.
    Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Dirk Wiese hatte sich im ZDF-Mittagsmagazin dafür ausgesprochen, dass die Regel bei Solidarisierung mit Terrororganisationen wie der Hamas oder auch der Hisbollah konsequent angewendet wird.
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    Vereinsverbote nur unter engen Voraussetzungen

    Aktuell mehren sich zudem Stimmen, die ein Verbot des pro-palästinensischen Netzwerks Samidoun fordern. Grundsätzlich können Vereine in Deutschland verboten werden, wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten.
    Allerdings bestehen auch hier enge Voraussetzungen, wie Staatsrechtler Joachim Wieland sagt:

    Das Grundgesetz schützt im Zweifel die Vereinigungsfreiheit. Es bräuchte handfeste Tatsachen, dass gegen Gesetze verstoßen wird.

    Joachim Wieland, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

    Zuständig für ein Verbot wäre das Bundesinnenministerium. Experten halten es aktuell aber für unwahrscheinlich, dass die Aktionen der letzten Tage ausreichen, um die Voraussetzungen zu erfüllen.

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