Strafanzeige im Fall Gelbhaar:Der nächste Wahlkampf-Gau der Grünen
von Dominik Rzepka
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Es läuft einfach nicht für die Grünen. Erst kann Robert Habeck seinen Vorschlag zu Sozialbeiträgen nicht erklären. Nun stellt die Partei Strafanzeige wegen einer möglichen Intrige.
Gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar stehen Belästigungsvorwürfe im Raum – offenbar teilweise zu Unrecht. Die Grünen stellen in dem Fall Strafanzeige.20.01.2025 | 1:49 min
Franziska Brantner schaut an diesem Montag mehrfach zu Boden. Die Parteichefin der Grünen wirkt mitgenommen. Sie spricht langsamer als sonst. Sie ist erschüttert, sagt sie. Ihre Pressekonferenz haben die Grünen um eine Stunde nach hinten verlegt. Es gab noch Klärungsbedarf.
Neben Brantner steht heute anders als angekündigt ihr Co-Chef Felix Banaszak - auch das eine Botschaft. Zusammen teilen sie mit, dass die Partei Konsequenzen zieht in einer möglichen Intrige, die seit Wochen für Unruhe bei den Grünen sorgt.
Brantner und Banaszak nennen keine Namen. Doch die Strafanzeige dürfte sich gegen eine inzwischen zurückgetretene Grünen-Politikerin aus Berlin richten, die eine falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben haben soll, um Gelbhaar zu belasten. Banaszak sagt:
Ein solches Verhalten, das von krimineller Energie und Niedertracht geprägt ist, hat in unserer Partei keinen Platz.
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Felix Banaszak, Grüne
Gelbhaar hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Banaszak sagt, durch die Falschaussagen sei Gelbhaar Schaden zugefügt worden. Der Grünen-Chef kritisiert auch die Berichterstattung des ARD-Senders rbb. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hatte einige seiner Berichte über Gelbhaar zurückziehen müssen.
Quelle: Imago
Weil er möglicherweise Opfer einer Intrige bei den Grünen ist. Gelbhaar sitzt für die Grünen im Bundestag. 2021 hatte er für seine Partei ein Direktmandat in Berlin gewonnen. Eigentlich wollte sich Gelbhaar für die Bundestagswahl am 23. Februar um Listenplatz 2 der Berliner Grünen bewerben - damit wäre ihm der Wiedereinzug in den Bundestag sicher gewesen.
Doch Gelbhaar zog zurück, weil gegen ihn Vorwürfe erhoben wurden. Stattdessen wurde der Parteilinke Andreas Audretsch auf den aussichtsreichen Listenplatz gewählt, der Wahlkampfmanager von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck.
Quelle: Imago
Schon diese Frage ist nicht ganz eindeutig zu beantworten. Es soll sich um Vorwürfe mehrerer Frauen handeln, Gelbhaar selbst hatte sie stets zurückgewiesen. "Die Vorwürfe sind gelogen", schreibt er am 31. Dezember 2024 auf seiner Webseite.
Eine Zeugin mit dem Namen Anne K. soll Gelbhaar gegenüber dem ARD-Sender rbb in einer eidesstattlichen Erklärung belastet haben. Diese Frau, Anne K., gibt es aber wohl nicht.
Der Berliner "Tagesspiegel" hat die angebliche Adresse der Frau aufgesucht, dort aber keine Anne K. angetroffen. Hat also jemand aus den Berliner Grünen Gelbhaar absichtlich belastet? Am Wochenende ist die Berliner Lokalpolitikerin Shirin Kreße (Bild) zurückgetreten und bei den Grünen ausgetreten. Steckt sie hinter Anne K.?
Die Berichte um Stefan Gelbhaar sind auch eine rbb-Affäre. Der Vorwurf steht im Raum, der rbb habe die angebliche eidesstattliche Erklärung nicht ausreichend geprüft.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisiert den Sender: "Zur ganzen Geschichte gehört ja auch noch der rbb, der darüber zu Beginn berichtet hat", so Baerbock in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". rbb-Chefredakteur David Biesinger räumt ein: "Uns ist als rbb in der Recherche ein Fehler unterlaufen. Journalistische Standards sind nicht vollumfänglich eingehalten worden."
Autor: Dominik Rzepka
Der Wahlkampf der Grünen läuft nicht rund
Die mögliche Intrige belastet den Wahlkampf der Grünen erneut. Gerade erst hatte sich Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck einen Fehler geleistet, den die gesamte Partei eine Woche lang ausbügeln durfte.
Habeck hatte ohne Not Sozialbeiträge auf Kapitalerträge gefordert, konnte seinen Vorschlag aber nicht erklären. Details, Zahlen, Beispielrechnungen blieben die Grünen schuldig - bis heute übrigens.
Bei den Berliner Grünen sorgt eine mögliche Intrige derzeit für Unruhe: Die erhobenen Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar könnten frei erfunden sein. Dorthe Ferber berichtet.20.01.2025 | 1:05 min
Mission "Habeck schützen" läuft
Zumal die Frage im Raum steht, was die Grünen-Spitze von den Vorgängen gewusst hat. Hat sie vorschnell Druck auf Gelbhaar ausgeübt, damit er seine Kandidatur um Listenplatz 2 der Berliner Grünen zurückzieht?
Banaszak und Brantner dementieren das. Der Vorstand der Partei habe mit den gesamten Vorgängen nichts zu tun. Das gelte auch für Robert Habeck. Habeck selbst fordert schnelle und rücksichtslose Aufklärung - und sagt:
Die Vorgänge im Berliner Landesverband sind gravierend und auch schockierend.
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Robert Habeck, Grüne
Botschaft: Es handelt sich um einen Fall der Berliner Grünen, nicht der Bundespartei. Es läuft die Mission Habeck schützen.
Bei den Grünen sorgt eine mögliche Intrige um den Bundestagsabgeordneten Gelbhaar für Unruhe. Überschattet dieser Fall den Wahlkampf? ZDF-Reporterin Ferber berichtet aus Berlin.20.01.2025 | 1:29 min
Grüne: Weitere Meldungen haben Bestand
Doch der Fall ist komplex. Nicht alle Vorwürfe gegen Gelbhaar sollen vom Tisch sein. Banaszak und Brantner sagen, es gebe weiterhin sieben Personen, die an ihren Meldungen und Vorwürfen gegen Gelbhaar festhalten. Deswegen habe die Partei auch Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.
Eine Kommission soll die verbleibenden Vorwürfe gegen Gelbhaar aufklären. Geleitet wird dieses Gremium von Schleswig-Holsteins ehemaliger Justizministerin Anne Lütkes und dem langjährigen Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag.
Die Aufklärung in dem Fall geht also weiter. Die Probleme für die Grünen im Wahlkampf damit auch.
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