Gazastreifen: EU fordert Feuerpause

    Haltung zur Lage in Nahost:EU fordert Feuerpause im Gazastreifen

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    Mit Blick auf die prekäre Lage im Gazastreifen hat die EU Israel zu einem "ungehinderten humanitären Zugang" aufgerufen. Auch humanitäre Korridore und Feuerpausen wurden gefordert.

    Bundeskanzler Olaf Scholz zündet im Gedenken eine Kerze an
    Die EU im Dilemma - zwischen klarer Solidarität mit Israel und Forderungen zum militärischen Vorgehen im Gaza-Streifen. Der Ukraine-Krieg droht in den Hintergrund zu geraten.26.10.2023 | 2:51 min
    Die EU-Staaten fordern Feuerpausen und geschützte Korridore für sichere Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Die sich verschlechternde humanitäre Lage in Gaza gebe Anlass zu größter Besorgnis, heißt es in einer am Donnerstagabend in Brüssel verabschiedeten Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs.
    Man rufe im Konflikt zwischen der islamistischen Hamas und Israel zu einem kontinuierlichen, schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für Hilfslieferungen auf. Zu notwendigen Maßnahmen gehörten auch "humanitäre Korridore und Pausen für humanitäre Zwecke".
    27.10.2023, Israel, Tel Aviv: Eine Frau und ein Kind betrachten eine Installation von riesigen Teddybären mit verbundenen Augen, an denen Fotos von in Gaza gefangen gehaltenen Israelis befestigt sind.
    Schon vor dem Krieg war das Leben vieler Palästinenser von Armut geprägt. Seit dem Angriff der Hamas sitzen im Westjordanland tausende Arbeiter aus Gaza fest.27.10.2023 | 1:31 min

    Erklärung war Streit zwischen den Mitgliedsländern vorausgegangen

    Die Europäische Union werde eng mit den Partnern in der Region zusammenarbeiten, um Zivilisten zu schützen, Hilfe zu leisten und den Zugang zu Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung, Treibstoff und Unterkünften zu erleichtern, heißt es in der Erklärung weiter. Dabei wolle man sicherstellen, dass diese Hilfe nicht von terroristischen Organisationen missbraucht werde.
    Schaltgespräch zwischen mit Ulf Röller und Michael Bewerunge
    "Mit müder Enttäuschung quittiert" werden dürfte die Erklärung der EU wohl in Israel, so Korrespondent Bewerunge. 26.10.2023 | 2:49 min
    Zuvor hatte es heftigen Streit um die Erklärung gegeben, um die stundenlang gerungen worden war. Der vorliegende Kompromiss fordert nun nicht einen weitgehenden Waffenstillstand, sondern "humanitäre Pausen" bei den Kampfhandlungen und die Einrichtung von "humanitären Korridoren".

    Wichtig ist, was nicht drinsteht: Irland und Spanien wollten, dass ein Waffenstillstand von der EU gefordert wird. Da hat Deutschland gesagt: Nein, das wollen wir nicht, weil das würde das Selbstverteidigungsrecht Israels einschränken.

    Ulf Röller, ZDF-Korrespondent

    Die Verwendung des Wortes "Pausen" im Plural soll demnach deutlich machen, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Hamas mit sofortiger Wirkung und dauerhaft einzustellen. Diesen Eindruck wollen Länder wie Deutschland und Ungarn unbedingt vermeiden.

    Schutz von Zivilisten gefordert

    "Zivilisten müssen immer und überall geschützt werden", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel mit Blick auf die Lage im Gazastreifen zuvor. Noch deutlicher wurde Belgiens Premierminister Alexander De Croo. In dem Nahost-Konflikt verurteilte er den Hamas-Terror scharf, sagte dann aber an Israel gerichtet:

    Das ist niemals eine Entschuldigung dafür, eine ganze Region zu blockieren.

    Alexander De Croo, Premierminister Belgien

    "Es kann niemals eine Entschuldigung für die Blockierung humanitärer Hilfe sein. Es kann niemals eine Entschuldigung dafür sein, eine Bevölkerung auszuhungern", so De Croo weiter.
    Palästinensiche Kinder stehen Schlange für Essen in einem UN-Flüchtlingscamp in Chan Yunis.
    Nach der Evakuierung des Nordens haben viele Menschen Zuflucht im Süden des dicht besiedelten Küstenstreifens gefunden. Viele sind jetzt in Chan Yunis nahe des Grenzortes Rafah.25.10.2023 | 1:21 min

    Streit in der EU um Forderungen nach Waffenstillstand

    In der EU hatte es wegen der Erklärung große Dissonanz gegeben. Länder wie Deutschland, Österreich und Ungarn sprachen sich klar dagegen aus, dass sich die EU Aufrufen nach einem Waffenstillstand öffentlich anschließt. Sie argumentieren, ein solcher Vorstoß sei angesichts des anhaltenden Terrors der radikal-islamischen Hamas unangemessen.
    "Man muss wissen, dass der militärische Druck, die Bombardements und natürlich auch das Zulassen humanitärer Hilfe das einzige Druckmittel ist, was Israel hat, um auf die Befreiung der Geiseln hinzuwirken", sagt ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge in Israel dazu im heute journal. "Und natürlich darf Israel nicht einfach die Zivilbevölkerung von Gaza in Mithaftung nehmen, aber die Hamas nimmt die Bevölkerung von Gaza auch in Mithaftung. Und vielleicht dürfte der ein oder andere hier ein ähnliches Signal auch an die Hamas erwartet haben (...)", so Bewerunge weiter.
    Der EU-Kommissionspräsident Charles Michel auf dem Gipfel in Brüssel.
    In Brüssel beraten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs darüber, wie eine weitere Eskalation im Nahen Osten zwischen Israel und der Hamas verhindert werden kann.26.10.2023 | 0:17 min
    Länder wie Spanien oder Irland setzten sich hingegen wegen der vielen zivilen Opfer bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen für einen solchen Aufruf ein. Sie argumentieren, dass die von Israel ausgehende Abriegelung des Gazastreifens klar gegen Völkerrecht verstoße. Vor allem Deutschland wird hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen, nur vor dem Hintergrund seiner Nazi-Vergangenheit keine Aufrufe an Israel richten zu wollen.

    Selbstverteidigungsrecht mit Grenzen

    Israel dürfe alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit sich das, was passiert sei, nicht wiederhole, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban in Brüssel. Er zählt mit Deutschland, Österreich und Tschechien zu den kompromisslosesten Israel-Unterstützern in der EU.
    Pressekonferenz mit Olaf Scholz in Israel
    Scholz sicherte Israel zuletzt Unterstützung zu und betonte die besondere Verantwortung Deutschlands. 17.10.2023 | 13:13 min
    Dies wird allerdings von etlichen EU-Partnern anders gesehen und kann auch aus dem Text für die Abschlusserklärung herausgelesen werden. Dort wird zwar nachdrücklich das Recht Israels betont, sich zu verteidigen - allerdings mit der Einschränkung, dass dies "im Einklang mit dem Völkerrecht und dem humanitären Völkerrecht" geschieht.
    Demnach ist es der Einsatz von Zivilisten als menschliche Schutzschilde zwar eine "besonders beklagenswerte Grausamkeit", aber kein Entschuldigung, die Strom- und Wasserversorgung des Gazastreifens zu kappen.

    Eskalation in Nahost
    :Aktuelle News zur Lage in Israel

    Durch den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel eskalierte die Lage in Nahost. Nun ist auch der Iran an der Eskalation beteiligt. Aktuelle Entwicklungen im Liveblog.
    Israelische Soldaten in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels, aufgenommen am 12.03.2024
    Liveblog
    Quelle: dpa

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