Israel: Warum die Verwaltungshaft in der Kritik steht
Häftlinge in Israel:Warum die Verwaltungshaft in der Kritik steht
von Katja Belousova
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Im Zuge der Geisel-Vereinbarungen kamen palästinensische Häftlinge frei. Auch aus sogenannter Verwaltungshaft, die Menschenrechtler kritisieren. Israels Armee verteidigt sie.
Israelische Sicherheitskräfte vor einem Militärgefängnis in Ofer: Immer wieder gibt es Kritik am Umgang Israels mit einigen der Insassen.
Quelle: epa
Es war eine Erpressung, der Israel nachgab, um das Leben von Geiseln zu retten: Zahlreiche palästinensische Häftlinge wurden vor Kurzem aus israelischen Gefängnissen entlassen, damit im Gegenzug Geiseln freikommen konnten, die am 7. Oktober nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas nach Gaza verschleppt worden waren.
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Minderjährige und Frauen aus Haft entlassen
Im Austausch für 110 Geiseln wurden bislang 240 Palästinenser*innen aus dem Gefängnis entlassen. Dabei handelt es sich bei letzterer Gruppe vor allem um Frauen und Minderjährige. Einige saßen wegen Terrorunterstützung und versuchten Mordes in Haft, andere wegen Angriffen auf israelische Sicherheitskräfte etwa durch Steinwürfe.
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Der älteste unter den freigelassenen Männern soll 19 alt sein, wie eine Auswertung der "New York Times" zeigt. Auch eine andere Erkenntnis der Recherche fällt auf: Die große Mehrheit der Freigelassenen wurde bislang nicht verurteilt - die meisten waren weniger als ein Jahr in Haft.
Ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis
Der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem zufolge befanden sich alleine Ende September und damit vor den Anschlägen bereits mehr als 4.700 Palästinenser*innen aus "Sicherheitsgründen" in Gewahrsam oder im Gefängnis. Hunderte von ihnen ohne Gerichtsverfahren. Seit den Terroranschlägen ist die Zahl weiter stark gestiegen.
B'Tselem ist eine israelische Nichtregierungsorganisation und bedeutet übersetzt etwa "im Ebenbild von", womit die Menschenrechtsgruppe nach eigenen Angaben auf die Bibelstelle verweist, wonach alle Menschen nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurden und damit gleich sind. Die Organisation hat sich darauf spezialisiert, Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Palästinensergebieten zu dokumentieren und anzuprangern.
B'Tselem lehnt den israelischen Siedlungsbau in den Palästinensergebieten strikt ab. Die Organisation finanziert sich nach eigenen Angaben durch Spenden von Stiftungen in Europa und Nordamerika sowie von Privatleuten in Israel und im Ausland.
Die Organisation ist nicht unumstritten: Vor allem aus dem rechten Lager in Israel gibt es immer wieder Vorwürfe, B’Tselem würde sich gegen Israels Sicherheitsinteressen stellen. Zudem gibt es Kritik daran, dass die Organisation Israel "Apartheid" vorwirft.
Dabei beschäftigt B'Tselem und andere Organisationen schon jahrelang die Frage, ob all diese Menschen mit einem rechtsstaatlichen Prozess rechnen können.
Kritik an unterschiedlicher, rechtlicher Behandlung
Sie kritisieren insbesondere die Praxis im Westjordanland. Palästinenser, die dort in den von Israel seit 1967 besetzten Gebieten leben, fallen unter die Zuständigkeit des israelischen Militärgerichtssystems, dessen Justizpersonal israelische Soldaten in Uniform sind. Jüdische Siedler*innen hingegen unterliegen der zivilen Gerichtsbarkeit.
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"Das bedeutet, dass Menschen vor verschiedenen Gerichten und nach verschiedenen Gesetzen für ein und dieselbe Straftat verurteilt werden, die am selben Ort begangen wurde", schreibt die Organisation B’Tselem auf ihrer Website.
Umstrittene Verwaltungshaft
Als besonders umstritten gilt dabei die sogenannte Verwaltungshaft. Auf ihrer Grundlage dürfen israelische Behörden Personen ohne Gerichtsverfahren für unbestimmte Zeit festhalten - zum Teil ohne Beweise dafür vorlegen zu müssen, warum die Person eine Sicherheitsgefahr darstellt.
Davon sollen der israelischen Menschenrechtsorganisation Hamoked zufolge aktuell mehr als 2.800 Menschen betroffen sein. Auch hier war ein starker Anstieg zu beobachten.
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IDF: "Starke Zunahme der versuchten Terroranschläge"
"Der Anstieg der Zahl der Verwaltungshaft spiegelt die starke Zunahme der versuchten Terroranschläge in der Region wider", erklären dagegen die Israelischen Verteidigungskräfte auf Anfrage von ZDFheute.
Und sie entgegnen: "Verwaltungshaft wird nur in Situationen angewendet, in denen die Sicherheitsbehörden über zuverlässige Informationen verfügen, die darauf hindeuten, dass von einer Person eine echte Gefahr für die Sicherheit des Gebiets ausgeht, und in Ermangelung von Alternativen zur Minderung des Risikos."
Israels Justizsystem zunehmend belastet
Wie geht es weiter mit den palästinensischen Häftlingen in Israel? Das könnte zu einer wichtigen Frage werden. Nicht nur im Zuge weiterer Abkommen. "Für Israel wird es wichtig sein, nicht nur Transparenz zu zeigen, sondern auch, dass jeder einzelne Fall wirklich sorgfältig geprüft wird", schrieb etwa die "Jerusalem Post" Mitte November.
Das könnte angesichts der zunehmenden Belastung für Israels Justizsystem - befeuert durch die steigende Zahl von Häftlingen - zur Herausforderung werden.
Sicherheitsrisiko für Israel
Klar ist: Unter den Häftlingen befinden sich auch Terrorist*innen, durch deren Freilassung Israels Sicherheit gefährdet würde. So wurde im Zuge des aktuellen Abkommens unter anderem die 37-jährige Israa Jaabis freigelassen, die verurteilt wurde, weil sie an einem Kontrollpunkt im Westjordanland eine Gasflasche in ihrem Auto zur Explosion gebracht und dabei einen Polizeibeamten schwer verletzt hatte.
Besonders schmerzlich dürfte sich Israel auch an das Beispiel des heutigen Hamas-Chefs Jahia Sinwar erinnern, der im Zuge eines Austauschs aus der Haft zurück durfte - und nun maßgeblich an den Attentaten vom 7. Oktober beteiligt war:
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Doch was ist mit den Menschen, die wegen vergleichsweise kleineren Straftaten in Haft sind? Mit Jugendlichen und Minderjährigen? Einige von ihnen könnten im Zuge weiterer Vereinbarungen tatsächlich freikommen - denn noch immer befinden sich mehr als 138 Geiseln in der Hand der Hamas.
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