Gemüse und Obst vom Balkon: Mensch und Tier profitieren

    Interview

    Gemüse und Obst vom Balkon:"Die kleine Fläche geschickt ausnutzen"

    |

    In Zeiten fortschreitender Stadt-Verdichtung werden naturnahe Oasen immer wichtiger - für Tier und Mensch. Melanie Öhlenbach mit Tipps für Mini-Naschgärten auf dem Balkon.

    Eine Hand hält eine Anzuchtpflanze
    Nachhaltige Ideen für Balkon, Garten und Stadt06.07.2023 | 29:43 min
    ZDFheute: Sie bauen am liebsten essbare Pflanzen auf dem Balkon an - warum?
    Melanie Öhlenbach: Gemüse, Kräuter und Obst unmittelbar vor dem Essen zu ernten, gehört für mich zu meinem Lebensglück dazu. Sei es eine Handvoll Stachelbeeren fürs Frühstück, selbst gemachtes Basilikum-Pesto zu Mittag, Salat, Radieschen oder Tomaten fürs Abendbrot. Leckerer und frischer geht es nicht.
    Außerdem mag ich Pflanzen, die nicht nur schön aussehen, sondern einen Nutzen haben, also zum Beispiel eine heilende Wirkung, essbar und/oder insektenfreundlich sind.

    Melanie Öhlenbach
    Quelle: Andreas Holling

    ... gärtnert seit 2013 auf ihrem sechs Quadratmeter großen Stadtbalkon in Bremen. Ihre Erfahrung und ihr Wissen übers nachhaltige Gärtnern gibt die ausgebildete Redakteurin in Workshops, Büchern und im Radio weiter. Der Podcast "Grüner wird’s nicht" (Bremen Eins) gewann 2023 den Deutschen Gartenbuchpreis.

    ZDFheute: Was ist auf der kleinen Balkonfläche die größte gärtnerische Herausforderung?
    Öhlenbach: Wünsche und Realität zusammenzubringen, denke ich. Auch ich muss immer wieder feststellen, dass ich leider nicht alles auf dem Balkon anbauen kann, was ich gerne hätte.

    Für Garten und Balkon
    :So machen Sie guten Dünger selbst

    Im eigenen Garten greifen viele zu Düngeprodukten, die gutes Pflanzenwachstum und Umweltfreundlichkeit versprechen. Warum Fachleute eher zum Selbermachen raten - und wie das geht.
    von Karen Grass
    Der richtige Dünger für den Start in die neue Pflanzensaison
    mit Video
    Daher empfehle ich, die grünen Mitbewohner klug auszusuchen. Neben dem passenden Standort wähle ich Pflanzen, die ich gerne mag und die sich lohnen - und das nicht nur quantitativ wie Zucchini und mehrjährige Kräuter, sondern auch qualitativ.
    Das können zum Beispiel Gemüse und Sorten sein, die es im Supermarkt nicht zu kaufen gibt: Sauerampfer und Hirschhornwegerich, birnenförmige Cherrytomaten, violette Stangenbohnen und blaue Kartoffeln.

    Oft kann man Pflanzen kombinieren oder in die Höhe gärtnern, um die kleine Fläche geschickt auszunutzen.

    Melanie Öhlenbach

    Vorab gilt allerdings zu klären, ob der Balkon das Gewicht auch tragen kann, welche bauliche Veränderungen vorgenommen werden dürfen und welche Hausregeln es zu beachten gilt.

    • 79 Prozent aller Haushalte verfügen über einen Garten, einen Balkon oder eine Terrasse.
    • Sieben Prozent haben einen Klein- oder Schrebergarten, insgesamt gibt es rund 900.000 Kleingärten - vergleichsweise viel im europäischen Vergleich.
    • Die Fläche der 17 Millionen Privatgärten entspricht zusammengenommen der Gesamtfläche aller Naturschutzgebiete in Deutschland.

    Quelle: wohnglueck.de

    ZDFheute: Wie kann man den eigenen Balkon noch nachhaltiger gestalten?
    Öhlenbach: Bei jeder Anschaffung würde ich zunächst überlegen, ob sie wirklich notwendig ist und neu sein muss.

    Im Haushalt, im Bekanntenkreis oder in den Kleinanzeigen findet sich vieles, was wir zum Gärtnern brauchen - angefangen von Gefäßen bis hin zu Pflanzen. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Ressourcen.

    Melanie Öhlenbach, Garten-Expertin

    Bei Pflanzen rate ich zu Bio-Qualität aus regionaler Produktion, wenn man sie nicht selbst aus Saatgut ziehen kann oder will. Fündig wird man zum Beispiel auf Pflanzenmärkten, auf Tauschbörsen und in den sozialen Netzwerken.
    Außerdem empfehle ich den Kauf von torffreier Bio-Erde und rate zum Verzicht von künstlichem Dünger und Gift. Mit insektenfreundlichen Pflanzen, Tränken und Nisthilfen werden Tiere auf den Balkon gelockt, die beim Gärtnern unterstützen. So wird der Balkon nicht nur eine grüne Oase, sondern auch zu einem Trittstein-Biotop.

    Trittstein-Biotope holen auf kleiner Fläche ein Stück Natur in die Stadt. Sind genügend naturnah bepflanzte Innenhöfe, Balkone oder Dachterrassen über die ganze Stadt verteilt, dann finden Insekten auf ihren Wegen genug Futter und Unterschlupf und können sich entsprechend gut vermehren. Das ist wichtig für die genetische Vielfalt.

    Totholz, Natursteine oder kleine Tränken helfen Insekten, Vögeln und Kleinsäugern, sich gesund zu halten, zu verstecken, sich zu wärmen, zu brüten oder zu überwintern. Außerdem wichtig: den Balkonkasten mit einheimischen (Wild-)Pflanzen bestücken und mit ungefüllten Blüten, denn zu viele zusätzliche ineinander verschachtelte Blütenblätter verstellen Bienen den Zugang zu Nektar und Pollen.

    ZDFheute: Kann man auch jetzt - Ende Juni, Anfang Juli - noch mit dem Balkongärtnern anfangen und dann auch noch eine Ernte in dem Jahr einfahren?
    Öhlenbach: Natürlich. Im Sommer beginnt die zweite große Aussaat- und Pflanzzeit - und die hat mehr zu bieten als Grünkohl und Feldsalat.

    Schnellwachsende Gemüse wie Spinat, Rauke, Asia- und Pflücksalat, Radieschen, Herbstrübchen, Kohlrabi und Winterpostelein lassen sich problemlos auf einem sonnigen, geschützten Balkon kultivieren.

    Melanie Öhlenbach, Garten-Expertin

    Und es lohnt, im Sommer Erdbeeren zu pflanzen - für die Ernte im kommenden Jahr.
    Eine Orange mit einem Schönheitsmakel
    Neue Ideen gegen die Lebensmittelverschwendung.26.09.2023 | 29:49 min
    ZDFheute: Welche essbaren Pflanzen sind besonders bienenfreundlich?
    Öhlenbach: Obstgehölze und Beerensträucher wie Johannisbeere, Blaubeere und Himbeere brauchen Insekten für die Bestäubung und bieten ihnen daher reichlich Nahrung. Auch Kräuter wie Minze, Basilikum, Thymian, Oregano und Schnittlauch sind heiß begehrt, wenn man sie im Sommer zur Blüte kommen lässt.
    Das gilt auch für Wilde Rauke, Grünkohl, Kohlrabi und andere Kohlgewächse. Einige bienenfreundliche Blumen haben auch für uns genießbare Blüten, zum Beispiel Kornblume, Ringelblume, Kapuzinerkresse und Speise-Chrysantheme. Vorher sollte man sich unbedingt schlau machen, was essbar ist.
    Das Interview führte Eva Münstermann.

    Mehr zu Garten & Balkon